Selbstreflexion in der Führung: Langfristig wirksam führen

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Führung ist ein dynamisches Feld. In den ersten beiden Teilen dieser Serie haben wir Kompetenzen vorgestellt, die sich mit Strategie, Ausrichtung und Umsetzung beschäftigen. Nun fokussieren wir uns auf drei Dimensionen, die auf den ersten Blick weniger deutlich erkennbar sind, aber in der Tiefe bestimmen, ob Führung langfristig Wirkung zeigt.
Selbstreflexion in der Führung: Grundlage
Führungspersonen, die ihre Motivation und Grenzen nicht kennen, geraten leichter ins Straucheln. Wer in eine Führungsrolle geht, sollte sich grundlegende Fragen stellen: Mag ich Menschen? Will ich mich mit Konflikten auseinandersetzen? Bringt mir die Führungsrolle Energie oder raubt sie mir Kraft? Die ehrliche Auseinandersetzung mit diesen Fragen sollte Führungspersonen laufend begleiten. Als Führungsperson auch schwierige Situationen betreuen zu können bedeutet, entscheiden zu können, wann man aus der Rolle der Führung agiert und wann als Person. Dies muss man lernen. Daher gilt: Wer als Fachperson ausgezeichnet ist, kann nicht zwingend auch eine Führungsrolle übernehmen. Unternehmen sind gut beraten, gleichermassen eine Fachkarriere mit Entwicklungsmöglichkeiten und Anerkennung zu ermöglichen. Praxisnah zeigt sich Selbstreflexion in der Führung in einfachen, aber konsequenten Routinen. Eine Führungsperson kann sich am Ende jeder Woche fragen: Arbeite ich an den richtigen Themen? Mit wem sollte ich das Gespräch suchen, weil es Spannungen gab? Habe ich genügend Zeit in die Entwicklung meines Teams investiert? Solche Reflexionszeiten müssen bewusst im Arbeitsalltag eingeplant werden, so selbstverständlich wie Meetings oder Projektarbeit.
Um sich selbst im Spiegel zu sehen, ist es wichtig, regelmässig Feedback von Mitarbeitenden und Peers einzuholen: Wie erfülle ich meine Rolle als Führungsperson? Gibt es etwas, das ich künftig anders machen sollte? Wo könnte ich mein Team noch besser unterstützen? Die Erfahrung zeigt: Ohne die Praxis der Selbstreflexion in der Führung laufen Sie Gefahr, in Routinen zu verfallen und die eigene Wirkung zu überschätzen. Wer Selbstreflexion pflegt, gewinnt Klarheit, bleibt anpassungsfähig und führt authentisch.
Organisationale Resilienz stärken
Organisationale Resilienz bedeutet mehr als nur Krisen auszuhalten. Sie entsteht, wenn Strukturen, Prozesse und Menschen so aufgestellt sind, dass sie mit Veränderungen umgehen können, ohne an Stabilität zu verlieren. Und sie kann ein hervorragender Impuls für Innovationen sein. Sich zu überlegen, welche Trends, Änderungen und Herausforderungen uns in Zukunft betreffen könnten, kann neue Ideen für Prozesse, Produkte oder Systeme befeuern. Und zwar dann, wenn es noch keine Notwendigkeit ist zu reagieren, weil der Druck von aussen einen dazu zwingt. Teams treffen sich etwa mehrmals im Jahr, um Trends zu diskutieren und neue Ideen zu entwickeln. Mitarbeitende werden im Vorfeld gebeten, sich mit einer bestimmten Entwicklung auseinanderzusetzen und Gedanken dazu im Meeting einzubringen. So entstehen konkrete Chancen, welche die Organisation nicht nur resilient, sondern auch zukunftsorientiert machen.
Ergänzend dazu braucht es die Evolution: die kontinuierliche Verbesserung von Bestehendem, die oft genauso wertvoll ist wie radikale Innovation. Ein einfaches, aber wirksames Instrument dazu sind regelmässige «Herbst- oder Frühjahrsputzaktionen». Führungspersonen schaffen dabei Gelegenheiten, in denen Teams offen benennen können, was nicht funktioniert: Doppelspurigkeiten, ineffiziente Tools, überdefinierte Prozesse. Die Themen werden gesammelt, priorisiert und gezielt zur Bearbeitung verteilt. Dieser kollektive Aufräumprozess reduziert Reibungsverluste und setzt Energie frei.
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Konsequente Nachfolgeplanung als Resilienzpfeiler
Ein oft unterschätzter Hebel für Resilienz der Organisation ist die Nachfolgeplanung. Viele KMU beschäftigen sich erst damit, wenn eine Pensionierung unmittelbar bevorsteht. Die Folgen: überlastete Geschäftsleitungen, demotivierte Talente und drohende Wissenslücken. Ein Beispiel aus der Praxis: ein familiengeführtes Unternehmen, in dem drei von insgesamt sieben Bereichsleitenden ohne geplante Nachfolge kurz vor der Pensionierung stehen. Kurzfristige Übergangslösungen müssen gefunden werden, eigentliche Talente werden nicht erkannt, dafür die lauten, vermeintlich wichtigsten Personen aus dem Bereich zu unangemessenen Konditionen befördert. Resiliente Organisationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Verantwortung teilen, Wissen sichern und Entwicklung kontinuierlich fördern. Das macht standfester in Krisen, stärkt Motivation, Innovationskraft und damit auch die Arbeitgeberattraktivität.
Netzwerke und Ökosysteme
Führung findet nicht in abgeschlossenen Bereichen statt. Führungspersonen sollten immer wieder überlegen, mit welchen Personen im Unternehmen sie gemeinsam Ideen vorantreiben könnten. Oder auch, von wessen Perspektive und Gedanken sie etwas lernen könnten. Schon drei bis vier gezielte Begegnungen pro Quartal, ob bei Kaffee oder Mittagessen, können den «Circle of Influence» – den eigenen Einflussbereich – und das eigene Ökosystem spürbar erweitern. Auch die Verbindung nach aussen – zu Netzwerken von Kundinnen und Kunden, Partnern, Verbänden und Gemeinschaften – ist wichtig und gehört zum Aufgabenbereich von Führungspersonen. Wer diese Beziehungen pflegt, erhöht nicht nur den eigenen Handlungsspielraum, sondern schafft Tragfähigkeit für das Unternehmen. Produktionsunternehmen beispielsweise, die ein Netzwerk mit Hochschulen und Start-ups aufbauen, um frühzeitig Zugang zu neuen Technologien zu haben, erhöhen auf diese Weise nicht nur die Innovationskraft, sondern verschaffen sich auch andere Perspektiven, die während Krisen wertvolle Unterstützung bieten.
Erfolgreiche Netzwerke entstehen zudem aus Offenheit – auch im Umgang mit Fehlern. Wo Missgeschicke offen angesprochen und analysiert werden, bleiben sie klein. Werden sie verschwiegen, entwickeln sie sich rasch zu grossen Problemen. Radikale Aufrichtigkeit, also ehrliches Feedback ohne Schönfärberei, schafft Vertrauen und bildet die Basis für belastbare Netzwerke, in denen sich Menschen jederzeit getragen und unterstützt fühlen.
Reflektiert, resilient, vernetzt
Die drei Kompetenzbereiche – Selbstreflexion, organisationale Resilienz und Netzwerke – unterstützen das Fundament wirksamer Führung. Selbstreflexion in der Führung sorgt für Klarheit über die eigene Rolle und Wirkung. Der Fokus auf organisationale Resilienz schafft die Stärke, um Veränderungen aktiv zu gestalten. Netzwerke wiederum erweitern den Handlungsspielraum. So entsteht Führung, die trägt – heute, morgen und über Jahrzehnte hinweg.
Sie haben die ersten beiden Teile der Trilogie verpasst?