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Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben: Ansätze zur Förderung

Mobil-flexibles Arbeiten setzt sich zunehmend durch – Mitarbeitende können von überall her und jederzeit arbeiten. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben, was neue Anforderungen an deren Vereinbarung stellt. Im Rahmen dieses Beitrags werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben gefördert werden kann.

10.04.2024 Von: Kilian Erbacher, Eliane Obrist
Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben

Einordnung

Der technologische Fortschritt und neue Arbeitsformen haben in den letzten Jahren zu einer zunehmenden Durchlässigkeit der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben geführt. Durch die erhöhte Konnektivität, welche moderne Technologien dabei ermöglichen, verschmelzen das Arbeits- und Privatleben zunehmend. In der heutigen Arbeitswelt ist Arbeit für viele Mitarbeitende orts- und zeitunabhängig geworden. Mitarbeitende können praktisch von überall und zu jeder Zeit arbeiten. Das Konzept des mobil-flexiblen Arbeitens setzt sich immer mehr durch, und herkömmliche Bürozeiten bestimmen nicht mehr zwangsläufig die Dauer eines Arbeitstags. Stattdessen können die Arbeitszeit und der Arbeitsort abhängig von den Anforderungen des Arbeits- und Privatlebens flexibel gestaltet werden. Das mobil-flexible Arbeiten hat zu einer Vielzahl neuer Lösungen und Herausforderungen geführt. Einerseits verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben, was als eine der bedeutendsten Herausforderungen der Digitalisierung im Hinblick auf die psychische Gesundheit betrachtet werden muss. Andererseits bieten diese Arbeitsmodelle einen grösseren Handlungs-und Entscheidungsspielraum bezüglich der Arbeitszeiten und des Arbeitsorts. In diesem Zusammenhang gewinnt die bewusste Gestaltung der Vereinbarung von Arbeits- und Privatleben zunehmend an Bedeutung.

Vereinbarung von Arbeits- und Privatleben im Spannungsfeld von Abgrenzung und Integration

Die Integration oder Abgrenzung von Arbeits- und Privatleben bringen spezifische Vor- und Nachteile mit sich. Während klare Grenzen helfen können, abzuschalten und sich zu erholen, kann sich eine «grenzenlose» Integ­ration negativ auf die Gesundheit auswirken. Andererseits ermöglicht Integration eine flexiblere Gestaltung der beiden Lebensbereiche. Eine zu starke Abgrenzung kann den Wechsel zwischen den Rollen erschweren und die Flexibilität sowie die Vereinbarkeit der Lebensbereiche beeinträchtigen. Die Präferenzen der Menschen für Integration und Abgrenzung variieren: Es gibt (1) so genannte Integrierer, die gerne Arbeit und Privatleben überlappen, (2) Segmentierer, die eine klare Abgrenzung der beiden Lebensbereiche bevorzugen, und auch (3) Mischtypen, die gelegentlich Abgrenzung benötigen, aber auch Integration praktizieren (siehe Abbildung 1). Wenn die individuellen Präferenzen nicht ausreichend mit den tatsächlichen Arbeitsbedingungen und Verhaltenspräferenzen übereinstimmen, kann dies zu Stress und negativen Auswirkungen auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit führen. Eine erfolgreiche leistungs- und gesundheitsförderliche Vereinbarung hängt daher, nebst den Präferenzen und dem Verhalten der individuellen Mitarbeitenden, zum grossen Teil von den organisationalen Rahmenbedingungen im Unternehmen ab.

Organisationale Rahmenbedingungen zur Förderung der Vereinbarkeit

Um die individuelle Vereinbarung von Arbeits-und Privatleben bestmöglich zu unterstützen, sind flexible Arbeitszeitmodelle und -arrange­ments eine Grundvoraussetzung. Dabei gilt es zu beachten, dass diese Modelle Teil einer personalpolitischen Ausrichtung sein sollten, welche sich an den verschiedenen Lebensphasen und den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden orientieren. Dementsprechend sollten die individuellen Präferenzen der Beschäftigten berücksichtigt werden, indem flexibles Arbeiten in Bezug auf Ort und Zeit möglichst selbstgesteuert erfolgt. Die Führungs- und Unternehmenskultur spielt hierbei eine zentrale Rolle, da die praktische Umsetzung des mobil-flexiblen Arbeitens stark von kulturellen Selbstverständlichkeiten und Vorstellungen abhängt. Insbesondere bei der Einführung von flexiblen Arbeitszeitmodellen und -arrangements empfiehlt es sich, eine selbstkritische Reflexion durchzuführen und sicherzustellen, dass diese mit einer weiterentwickelten Unternehmenskultur im Einklang stehen.

Um einen gesundheitsförderlichen Umgang mit mobil-flexiblem Arbeiten zu unterstützen, sind zudem klare Rahmenbedingungen gefordert. Vereinbarungen sind notwendig, um die Risiken mobil-flexiblen Arbeitens einzudämmen und gleichzeitig die Chancen für die Beschäftigten nutzbar zu machen. Eine formale Regelung mobil-flexibler Arbeit fördert die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben: In der Praxis hat es sich u. a. bewährt, klare Regelungen für Kommunikation und Erreichbarkeit festzulegen, um gesundheitsförderliche Aspekte zu stärken. Dazu gehören unter anderem festgelegte Zeiträume, in denen eine telefonische Erreichbarkeit gewährleistet sein sollte oder auch E-Mails beantwortet werden, sowie Zeiten, in denen die Beschäftigten das Recht auf «Nichterreichbarkeit» haben. Bei der Erarbeitung von Regelungen betreffend mobil-flexibles Arbeiten ist es von grosser Bedeutung, die Mitarbeitenden stufengerecht einzubeziehen. Durch eine partizipative Gestaltung wird sichergestellt, dass die Bedürfnisse und Vorstellungen der Mitarbeitenden angemessen berücksichtigt werden. Dies trägt zur Akzeptanz der Regelungen bei und fördert eine erfolgreiche Umsetzung. Die Einbindung der Mitarbeitenden kann durch die Bildung von Arbeitsgruppen, Feedbackprozesse oder andere Zugänge erfolgen. Ein offener Dialog ist dabei von grosser Bedeutung, um Anregungen, Ideen und Bedenken aktiv nutzbar zu machen.

Der Umgang mit mobil-flexiblem Arbeiten stellt für verschiedene Mitarbeitende dennoch eine Herausforderung dar. Auch wenn klare Regelungen bestehen, sollten fortlaufend Gefässe gepflegt werden, in welchen Themen wie der Umgang mit Flexibilität besprochen werden können. Bei Bedarf können ergänzende Workshops durchgeführt werden, um die Mitarbeitenden zu befähigen, ihre individuelle Abstimmung von Arbeits- und Privatleben optimal zu gestalten. Insbesondere bezüglich letzterer Aspekte kommt der Führung eine zentrale Rolle zu.

Betriebliche und organisationale Ansatzpunkte zur Förderung der Vereinbarkeit

  • Personalpolitik: mobil-flexibles Arbeiten auf Bedürfnisse der Mitarbeitenden ausrichten
  • Prüfung kultureller Voraussetzung für mobil-flexibles Arbeiten
  • formale Regeln für das mobil-flexible Arbeiten partizipativ erarbeiten
  • Mitarbeitende hinsichtlich Vereinbarkeit befähigen
  • Reflexionsräume schaffen

Rolle der Führungskräfte

Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen ist und bleibt die Tatsache, dass insbesondere den Führungskräften eine zentrale Rolle zukommt, die Mitarbeitenden in einem gesundheitsförderlichen Umgang mit mobil-flexiblem Arbeiten zu begleiten. Führungskräfte können die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden fördern und gleichzeitig Massnahmen zum Schutz vor Selbstüberlastung implementieren. Mitarbeitende sollten ermutigt werden, ihre Arbeitszeiten eigenständig zu planen und individuelle Grenzen zu setzen. Aus gesundheitlicher Perspektive sollte Wert darauf gelegt werden, dass Mitarbeitende ihre Arbeit flexibel gestalten können, dabei jedoch auf ihre persönlichen Bedürfnisse und Belastungsgrenzen achten. Hierfür ist eine durch Führungskräfte vorgelebte und geförderte Kultur des Vertrauens und der Offenheit erforderlich, in der Mitarbeitende ermutigt werden, ihre Belastungsgrenzen zu kommunizieren und Unterstützung zu suchen, falls sie diese überschreiten. Es liegt in der Verantwortung von Führungskräften, die diesbezügliche Kommunikation im Team zu fördern und zu erleichtern. Indem Teammitglieder die Möglichkeit haben, sich darüber auszutauschen, warum und wann sie es bevorzugen, Arbeits- und Privatleben zu segmentieren oder zu integrieren, kann ein gemeinsames Verständnis dafür entwickelt werden. Dadurch kann erkannt werden, wo zusätzliche Regelungen oder Klärungen erforderlich sind, um unnötige Reibungsverluste und damit verbundenen Stress und Irritationen zu reduzieren. Oftmals lösen sich scheinbare Konflikte durch den Austausch und das Bewusstwerden der verschiedenen Standpunkte von selbst. Organisationale Rahmenbedingungen und Führungskräfte können in jedem Fall bessere oder schlechtere Voraussetzung für die Vereinbarkeit schaffen – es liegt an den Mitarbeitenden, diese gesundheits- und leistungsförderlich zu nutzen, wie im folgenden Abschnitt erläutert wird.

Führungsbezogene Ansatzpunkte zur Förderung der Vereinbarkeit

  • Förderung von Handlungsspielraum und Eigenverantwortung
  • Wahrnehmung der Fürsorgepflicht: Schutz vor Selbstüberlastung
  • Kultur des Vertrauens und gegenseitiger Achtsamkeit fördern
  • Austausch im Team zu Vereinbarkeit fördern
  • partizipativ zusätzliche Teamregelungen erarbeiten

Individueller Umgang mit der Vereinbarung von Arbeits- und Privatleben 

Mobil-flexibles Arbeiten stellt hohe Anforderungen an das Selbstmanagement der Mitarbeitenden: Im Zentrum steht das Erlernen und Anwenden von Strategien, Prinzipien und Verhaltensweisen, die dabei helfen, die unterschiedlichen Anforderungen und Erwartungen zwischen Arbeits- und Privatleben besser zu bewältigen und voneinander abzugrenzen. Diesbezüglich stehen verhaltensbasierte, zeitliche, physische und kommunikative Handlungsstrategien zur Verfügung. Verhaltensbasierte Handlungsstrategien beinhalten beispielsweise die Priorisierungen von wichtigen und dringenden Anforderungen aus den Lebensbereichen oder den Einsatz von Technologien (z. B. Zeiterfassungs- und Projektmanagement-Apps wie Toggl, Asana oder Trello). In Bezug auf die zeitlichen Handlungsstrategien hilft die Planung von Blockzeiten und regelmässigen Pausen. Mit Blick auf die physischen Handlungsstrategien stehen räumliche Abgrenzungen (z. B. ein fes­ter Homeoffice-Arbeitsplatz) und physische Grenzen (z. B. abends die Arbeitsunterlagen versorgen) im Vordergrund. Kommunikativ geht es darum, die eigenen Integrations- und Abgrenzungsbedürfnisse gegenüber dem eigenen Umfeld (z. B. Familie) zu kommunizieren und Erwartungen zu klären und zu bedienen. Dies ist ein fortlaufender Prozess: Mitarbeitende sollten mittels Selbstreflexion und zielgerichtetem Einsatz der Handlungsstrategien die Grenzen von Arbeits- und Privatleben immer wieder ausloten, neu kreieren, aufrechterhalten oder verändern.

Individuelle Ansatzpunkte zur Förderung der Vereinbarkeit

Verhaltensbasierte Handlungsstrategien:

  • Erfahrungen und Verfügbarkeit anderer Menschen einbeziehen
  • Tools nutzen
  • Priorisierung

Zeitliche Handlungsstrategien:

  • Arbeitszeitkontrolle
  • Pausen einplanen und einhalten

Physische Handlungsstrategien:

  • Schaffen klarer räumlicher Abgrenzungen (z. B. Homeoffice Arbeitsplatz ≠ Wohnraum)
  • weitere physische Grenzen schaffen (z. B. Arbeitsmaterialien versorgen)

Kommunikative Handlungsstrategien:

  • Erwartungen klären und bedienen
  • Grenzüberschreitungen ansprechen

Fazit

Die Vereinbarung von Arbeits- und Privatleben ist ein dynamischer Prozess, der die Berücksichtigung verschiedenster Aspekte wie individuelle Präferenzen, Arbeitsanforderungen und Lebensumstände erfordert. Auf organisationaler Ebene kommt insbesondere der Unternehmenskultur, klaren und partizipativ erarbeiteten Regelungen sowie Führungskräften, welche die Mitarbeitenden hinsichtlich der Vereinbarkeit unterstützen, eine entscheidende Bedeutung zu. Auf individueller Ebene sind Selbstreflexion und Selbstmanagement zentral, um darauf aufbauend die Vereinbarung von Arbeits- und Privatleben mittels geeigneter Handlungsstrategien bewusst zu gestalten.

Eine erfolgreiche Gestaltung der Vereinbarung trägt bei den Mitarbeitenden zu einer besseren Work-Life-Balance, einer höheren Zufriedenheit und einem gesteigerten Wohlbefinden bei – sowohl beruflich als auch persönlich. Insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und einer alternden Belegschaft sind dies zentrale Erfolgsfaktoren für Unternehmen. Dementsprechend sollten Rahmenbedingungen, die zur Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben beitragen, aktiv gestaltet und gefördert werden.

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