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Gleitzeit: Form der flexiblen Arbeitszeitgestaltung

Alle Arbeitnehmenden haben eine gewisse Anzahl Arbeitsstunden pro Tag, Woche oder Jahr zu leisten. Die Art, wie die Arbeitszeit eingeteilt werden kann, hat sich im Laufe der Jahre entwickelt.

25.09.2023 Von: Leena Kriegers-Tejura
Gleitzeit

Im Wandel der Zeit

Früher waren die Arbeitszeiten starr, und Arbeitnehmende hatten keine Möglichkeiten, ihre Arbeitszeiten selber einzuteilen. So wurde von Betrieben vorgegeben, dass die wöchentliche Arbeitszeit z.B. 40 Stunden betrage und bei einer 5-Tage-Woche entsprechend jeden Tag ein Pensum von 8 Stunden Arbeit zu verrichten sei.

In den letzten Jahrzehnten zeigte sich, dass die starren Arbeitszeiten nicht mehr als zeitgerecht empfunden wurden. Betriebe wie auch Arbeitnehmende wünschten mehr Flexibilität. So entwickelte sich das sogenannte Gleitzeitmodell, das in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat und heute kaum mehr aus den Unternehmen wegzudenken ist.

Das Gleitzeitmodell zeichnet sich dadurch aus, dass Arbeitnehmende die Arbeitsstrukturen mitgestalten können. Da Arbeitnehmende die individuellen Arbeitszeiten innerhalb der betrieblich vorgegebenen Arbeitszeit selber einteilen können, sind sie zu unterschiedlichen Zeiten im Betrieb anwesend. Diese Flexibilität führt zu manchen rechtlichen Fragen, von welchen einige nachfolgend erörtert werden.

Eckpfeiler von Gleitzeitmodellen

Aufgrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können folgende Eckpfeiler eines Gleitzeitmodells herauskristallisiert werden:

  • Bei den Gleitzeitmodellen übergibt der Arbeitgeber den Arbeitnehmenden die Souveränität, ihre Arbeitszeit frei zu bestimmen (sog. Zeitautonomie).
  • Arbeitnehmende müssen – falls vorhanden – Blockzeiten nach Vorgaben des Arbeitgebers einhalten. Blockzeit bedeutet, dass an bestimmten Stunden am Tag alle Arbeitnehmenden im Betrieb präsent sein müssen, so z.B. von 9 bis 12 Uhr vormittags und 13.00 bis 16 Uhr nachmittags.
  • Abgesehen davon können Arbeitnehmende ihre Arbeitszeit frei einteilen. Somit können sie Minus- oder auch Plusstunden anhäufen; am Ende einer Rechnungsperiode (Woche, Monat, Jahr) müssen Arbeitnehmende allerdings auf ihre Sollzeit kommen. Arbeitnehmenden steht somit eine (grosse) Flexibilität zu, ihre Arbeit nach eigenen Bedürfnissen einzuteilen.

Ausgleich der Gleitzeit

Gleitzeitarbeit verlangt von Arbeitnehmenden, dass sie ihre Arbeitszeit ausgleichen, sodass Arbeitnehmende ihre Soll-Arbeitszeit auf wöchentlicher, monatlicher oder jährlicher Basis erreichen. Arbeitnehmende sind also berechtigt, in einem bestimmten Rahmen Arbeitszeit vor- oder nachzuholen, und sie haben eine gewisse Zeitautonomie über ihre tägliche Arbeitszeit. Auf der anderen Seite sind Arbeitnehmende dafür verantwortlich, fristgerecht für den Ausgleich der Mehr- oder Minderarbeit zu sorgen. Entsprechend ist Gleitzeitüberhang (oder auch positiver Gleitzeitsaldo zugunsten Arbeitnehmender genannt) grundsätzlich durch Freizeit von gleicher Dauer ausserhalb der Blockzeiten abzubauen und Minderarbeit nachzuholen.

In welcher Frist Arbeitnehmende ihren Gleitzeitsaldo auszugleichen haben, wird vom Gesetz nicht vorgegeben. Es steht den Parteien frei, einen Zeitrahmen festzulegen, wann der Ausgleich stattfinden soll. So kann dieser wöchentlich, monatlich oder auch jährlich abgerechnet werden. Es ist den Parteien auf jeden Fall zu empfehlen, vertraglich zu regeln, wie der Ausgleich stattfinden soll. Damit kann verhindert werden, dass zu hohe positive, aber auch zu hohe negative Gleitzeitsaldi entstehen.

Verfall von positiven Gleitzeitsaldi?

In der Praxis wird in Reglementen oft vereinbart, dass positive Gleitzeitsaldi am Ende einer bestimmten Periode (z.B. Monat oder Jahr) gekürzt werden, sofern sie eine Grenze überschreiten, oder sie werden sogar ganz gestrichen. Eine Vereinbarung, wonach nur eine bestimmte Anzahl Stunden von einer Zeitperiode auf die andere übertragen werden kann, ist gemäss Bundesgericht (BGE 130 V 309, E. 5.1.3) zulässig. Somit ist es erlaubt vertraglich vorzusehen, dass per Ende einer Referenzperiode alle Stunden „abgeschnitten“ werden, welche eine bestimmte Grenze überschreiten.

Im Arbeitsvertrag oder in einem Reglement könnte ein Arbeitgeber demnach eine solche Klausel vorsehen: «Alle Stunden eines Gleitzeitsaldos, die 50 Arbeitsstunden übersteigen, verfallen am Ende eines Jahres und können nicht mehr kompensiert werden.»

Das Gleiche gilt, wenn bis zum Ablauf der Vertragsdauer bzw. bis zum Ende der Kündigungsfrist ein Gleitzeitguthaben nicht mehr abgebaut werden kann.

Der Grund für diese Handhabung liegt darin, dass es Arbeitnehmende selbst in der Hand haben, wie hoch ihr Gleitzeitsaldo wird. Ist der Saldo so hoch, dass er während der Kündigungsfrist nicht mehr kompensiert werden kann, haben dies Arbeitnehmende selbst zu verantworten. Etwas anderes gilt gemäss Gerichtspraxis nur, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmenden anweist, über die Blockzeiten hinaus zu arbeiten, oder wenn die Mehrarbeit betrieblich notwendig ist. Dieses letzte Kriterium führt in der Praxis zur nicht ganz einfachen Frage, wann denn nun Gleitzeitstunden und wann Überstunden vorliegen.

Gleitzeitstunden oder Überstunden?

Ein positiver Gleitzeitsaldo und Überstunden haben gemeinsam, dass es sich bei beiden Begriffen um Mehrarbeit handelt. Wann aber das eine oder andere vorliegt, ist nicht immer einfach zu beantworten und wirft vor allem bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Fragen auf.

Als Überstundenarbeit gilt jene Arbeit, die über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistet wird. Hält der Arbeitsvertrag fest, dass Mitarbeitende eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden haben, dann gelten alle Stunden, die über 40 Stunden die Woche liegen, als Überstundenarbeit, und zwar bis zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit von entweder 45 oder 50 Stunden (je nachdem, welche Höchstarbeitszeit gemäss Art. 9 Arbeitsgesetz zur Anwendung gelangt).

Überstunden können einseitig durch den Arbeitgeber angeordnet werden, und Arbeitnehmende haben sie zu leisten, soweit dies für den Betrieb notwendig und für sie zumutbar ist. In der Praxis kann es auch vorkommen, dass Überstunden nicht explizit angeordnet, aber vom Arbeitgeber geduldet werden; auch dann liegt Überstundenarbeit vor. Bei den Überstunden fehlt es am Element der Freiwilligkeit.

Gemäss Art. 321c OR gilt mit Bezug auf Überstunden, was folgt: «Wird die Überstundenarbeit nicht durch Freizeit ausgeglichen und ist nichts anderes schriftlich verabredet oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt, so hat der Arbeitgeber für die Überstundenarbeit Lohn zu entrichten, der sich nach dem Normallohn samt einem Zuschlag von mindestens einem Viertel bemisst.»

Im Gegensatz zu Überstunden ist der Gleitzeitüberhang als Mehrarbeit zu definieren, die Arbeitnehmende über die vereinbarte oder übliche Arbeitszeit hinaus freiwillig leisten. In der Regel machen sie dies, um den Überhang zu einem späteren Zeitpunkt informell wieder innerhalb der Gleitzeit zu kompensieren.

Wie schon erwähnt, ist es nicht ganz einfach und eindeutig zu bestimmen, ob das eine oder das andere vorliegt. Die Unterscheidung ist deshalb so wichtig, weil es je nach Einordnung unter Umständen dazu führt, dass die Mehrstunden durch den Arbeitgeber zu bezahlen sind. Dies führt nicht selten zu Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Arbeitsvertrages. Dabei ist zu beachten, dass der Arbeitnehmer den Beweis erbringen muss, dass Überstunden und nicht Gleitzeitstunden vorliegen.

Gleitzeitüberhang bei ordentlicher und bei fristloser Kündigung

Bei einer ordentlichen Kündigung muss dem Arbeitnehmenden die Möglichkeit eingeräumt werden, seinen Gleitzeitüberhang bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zu kompensieren. Nehmen Arbeitnehmende diese Möglichkeit nicht wahr, so verfällt der Gleitzeitüberhang. Arbeitnehmende haben in diesem Fall keine Entschädigung zugute.

Wenn aber die betrieblichen Bedürfnisse oder anderslautende Weisungen des Arbeitgebers den zeitlichen Ausgleich eines solchen Gleitzeitüberhangs innerhalb der Kündigungsfrist nicht zulassen, sind die Mehrstunden nicht mehr als Gleitzeitguthaben, sondern als eigentliche Überstunden zu qualifizieren (BGE 123 III 469, ebenso in BGE 4A_227/2016 vom 24.10.2016). Je nachdem, welche Regelung im Betrieb für die Entschädigung von Überstunden besteht, sind diese Überstunden entsprechend zu entschädigen.

Wenn der Arbeitgeber Arbeitnehmende nach erfolgter ordentlicher Kündigung freistellt, so wird diesen der Abbau von Gleitzeitguthaben in der Freistellungszeit «mindestens insoweit ermöglicht, als nicht noch Ferientage bezogen werden müssen. Eine Entschädigung für Gleitzeitguthaben ist grundsätzlich ausgeschlossen, und deren Ausgleich ist mittels Freizeit sicherzustellen. Ist diese bis zum Ablauf der Vertragsdauer nicht mehr möglich, verfällt die Arbeitsleistung regelmässig entschädigungslos. » (BGE 123 III 469)

Bei einer fristlosen Kündigung haben Arbeitnehmende keine Möglichkeit mehr, einen positiven Gleitzeitsaldo abzubauen. Gemäss Bundesgericht können diese positiven Guthaben nicht einfach verfallen (BGE 4A_395/2015, Urteil vom 2. November 2015), und entsprechend kann es dazu führen, dass Arbeitnehmenden bei einer fristlosen Kündigung die Gleitzeitstunden zu bezahlen sind.

Fazit

Überstunden müssen von Gleitzeitstunden klar abgegrenzt werden, weil sie unterschiedlich gehandhabt werden.

Überstunden sind Stunden, die aufgrund betrieblicher Notwendigkeit zu erbringen sind. Gleitzeitstunden hingegen sind Stunden, die Arbeitnehmende aus eigenem Willen selber anhäufen, um sie bei anderer Gelegenheit wieder zu kompensieren. Ein positiver Gleitzeitüberhang verfällt insbesondere am Ende der Kündigungsfrist, weil Arbeitnehmende dafür sorgen müssen, dass diese Stunden bis dahin kompensiert sind. Können sie diese nicht kompensieren, weil der Saldo zu hoch ist, haben sie das selbst verantwortet, und es gibt für diese Stunden keine Entschädigung. Anders ist es nur, wenn Arbeitnehmende während der Kündigungsfrist oder am Ende einer Rechnungsperiode diese positiven Gleitzeitstunden nicht kompensieren können, weil dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich ist. In diesem Fall wandeln sich die Gleitzeitstunden in Überstunden, die unter Umständen zu entschädigen sind.

Ein negativer Gleitzeitsaldo von Arbeitnehmenden kann zu einer Salärkürzung durch den Arbeitgeber führen.

Es wird daher empfohlen, Regelungen in Bezug auf Gleitzeitstunden zu vereinbaren und zu bestimmen, wie hoch ein positiver wie auch ein negativer Gleitzeitsaldo auflaufen kann. Dadurch können sehr hohe Stundenansammlungen (im Positiven wie im Negativen) vermieden werden.

Gleitzeit gemäss Praxis des Bundesgerichtes

«Das besondere Wesen der gleitenden Arbeitszeit liegt darin begründet, dass die Zeitsouveränität im Gegensatz zur Überstundenarbeit beim Arbeitnehmer liegt. Dieser kann – innerhalb eines regelmässig näher bestimmten Rahmens – Arbeitsbeginn, Arbeitsende sowie die Pausen selber und frei bestimmen. In der Regel werden feste Blockzeiten vereinbart, deren Summe die gesamte Wochenarbeitszeit (oder Monats- resp. Jahresarbeitszeit) wesentlich unterschreitet und die durch sogenannte Gleitzeiten umlagert werden, während welcher der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit frei einteilen kann. Eine Gleitzeitabrede setzt das Bestehen von Blockzeiten indes nicht voraus. Der Arbeitgeber kann darauf verzichten, dem Arbeitnehmer bestimmte Zeiten vorzuschreiben, zu denen er im Betrieb sein muss. Weil die Zeitsouveränität bei der Gleitzeitarbeit beim Arbeitnehmer liegt, hat dieser auch dafür zu sorgen, dass er mit seiner tatsächlich geleisteten Arbeit innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit bleibt. Wird Mehrarbeit geleistet und ist sie weder arbeitgeberseitig angeordnet noch betrieblich notwendig, sondern beruht sie auf der individuellen Arbeitseinteilung des Arbeitnehmers, so hat dieser die über den Soll-Zeitrahmen hinaus geleistete Arbeitszeit zu kompensieren. Hat der Arbeitnehmer umgekehrt im Verhältnis zum vereinbarten Mass zu wenig Arbeit geleistet, so kann der Arbeitgeber insoweit die Lohnzahlung verweigern.» (BGE 130 V 309, E. 5.1.3)

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