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Invitatio ad offerendum: Der Antrag ohne Verbindlichkeit

Ein Vertrag kommt mit dem Austausch von übereinstimmenden Willenserklärungen der Vertragsparteien zustande. Eine einmal akzeptierte Offerte bindet die Parteien. Deswegen ist es entscheidend, den Unterschied zwischen einer verbindlichen und einer unverbindlichen Erklärung zu kennen.

29.06.2020 Von: Matthias Streiff
Invitatio ad offerendum

Gesetzliche Grundlagen

  • OR 1: Übereinstimmende Willensäusserung
  • OR 6a: Zusendung unbestellter Waren
  • OR 7: Antrag ohne Verbindlichkeit und Versendung von Tarifen, Preislisten oder Auslage von Waren mit Preisangabe
  • SIA-Norm 118 Art. 4: Ausschreibung von Bauarbeiten

Terminologie und Begriff

Gegenseitige übereinstimmende Willensäusserung (Konsens)

Ein Vertrag entsteht durch den Austausch von übereinstimmenden Willensäusserungen zwischen den Parteien (OR 1 Abs. 1). Verlangt wird ein Konsens, d.h. ein Übereinstimmen der Erklärungsinhalte. Die Willenserklärungen sind einerseits Antrag, Angebot und Offerte sowie andererseits Annahme und Akzept.

Offerte und Annahme

Offerte / Antrag und Annahme / Akzept sind als rechtsgeschäftliche Willenserklärung zu verstehen. Ob es sich bei einer Erklärung um ein Antrag oder eine Annahme handelt, ergibt sich einzig aus der zeitlichen Abfolge der Erklärungen. Die zeitlich erste Erklärung ist der Antrag und die spätere Erklärung die Annahme. Führen die Verhandlungen zu keinem "Konsens", dann liegt Dissens vor. Dissens bedeutet, es gibt keinen Vertrag zwischen den Parteien.

Näheres zur invitatio ad offerendum

Bei einem Antrag ohne Verbindlichkeit im Sinne von OR 7 handelt es sich "äusserlich" zwar um einen Antrag, in Wirklichkeit fehlt jedoch der Antragscharakter, weil der Offerent damit noch keinen endgültigen Abschlusswillen zum Ausdruck bringen will. Beispielsweise liegt ein Antrag ohne Verbindlichkeit vor, wenn der Erklärende dem "Antrag" den Hinweis "ohne Verbindlichkeit" "solange Konvenienz", oder "freibleibend" und "indikativ" anfügt.

Ein "Antrag ohne Verbindlichkeit" stellt immer auch eine Einladung an die Gegenseite zur Antragsstellung dar. Denn hiermit wird zwar kein Antrag im Rechtssinne unterbreitet, jedoch bekundet der Erklärende sein Interesse an einem Vertragsabschluss. Es handelt sich folglich um eine Aufforderung an den Adressanten, selber einen (verbindlichen) Antrag zu unterbreiten. In der Praxis weit verbreitetes Beispiel für eine Einladung zur Offertenstellung ist die Ausschreibung von Bauarbeiten im Sinne von SIA-Norm 118 Art. 4.

Auch eine invitatio ad offerendum, bzw. eine Einladung zur Offertstellung hat eine rechtliche Relevanz. Ein indikatives oder freibleibendes Angebot, wie auch die Einladung zur Offertstellung sind im Rahmen der Geschäftsführung nach Treu und Glauben zu erklären. Fehlt ein Geschäftswille oder hat der Erklärende kein wirkliches Interesse an einem Vertragsschluss, so handelt er missbräuchlich, was zu einer Haftung führen kann. Die Verletzung von vorvertraglichen Verhandlungspflichten kann im Einzelfall bereits eine Haftung (culpa in contrahendo) begründen (BGE 80 II 26 E. 4c). Hierbei geht es im Wesentlichen um frustrierte Kosten aus der Vertragsverhandlung.

    Beim Immobilienhandel bahnen sich die Geschäfte regelmässig über unverbindliche, also indikative Angebote an. Der Ausschreibende wie der Offerierende will sich je nicht von Anfang an binden. Zeit für eine Due Diligence oder Rückzugsoptionen sollen offen gehalten werden. Dabei ist zu beachten, dass selbst "verbindliche" Angebote beim Grundstückhandel rechtlich "unverbindlich" sind, weil Grundstückgeschäfte der öffentlichen Beurkundung bedürfen (OR 216, ZGB 655).

    Verbindlichkeit von Tarifen, Preislisten und dergleichen

    Gemäss OR 7 Abs. 2 stellt die Versendung von Tarifen, Preislisten, Katalogen und dergleichen grundsätzlich keine invitatio ad offerendum dar. Grund hierfür ist, dass derjenige, der beispielsweise eine Preisliste versendet, nicht ohne weiteres mit jedem beliebigen Interessenten kontrahieren will.

    Ausnahmsweise kann die Versendung von Preislisten oder Tarifen gleichwohl einen verbindlichen Antrag darstellen, wenn der Absender beispielsweise, den ersten zehn Interessenten die Lieferung bzw. Leistung zusichert. Das kommt im Baugewerbe eigentlich nicht vor.

    Auslage von Waren mit Preisangabe

    Werden Waren beispielsweise in Schaufenstern oder Showrooms ausgelegt und wird an den Waren eine Preisangabe angebracht (z.B. Preisschild) gilt dies in der Regel als Antrag (OR 7 Abs. 3; BGE 105 II 23). Ist keine Preisangabe angebracht, liegt kein Angebot vor. Zu beachten ist, dass sich das Angebot nur gerade auf das zur Schau gestellte Stück bezieht. Zudem muss es sich um eine vertretbare Sache handeln. Zudenken ist an Präsentationen von Hausinstallationen an Messen oder in Baumusterzentralen. Dienstleistungen werden von OR 7 nicht erfasst, da diese nicht unter den Begriff "Ware" fallen (BGE 80 II 26 E. 4a). Der Makler, der die zu verkaufenden Grundstücke mit Preisangaben in der Auslage präsentiert, bindet sich ebenfalls nicht. Grundstücke sind keine vertretbaren Sachen und ein Vertrag über Grundstücke ist formbedürftig.

    Praxis

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