Mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung: Die zentralen Elemente
Passende Arbeitshilfen
Ausgangssituation und Ziele
Vor allem die Entscheidungsträger in Klein- und Mittelunternehmen (KMU) können sich mangels einer gut ausgebauten Kosten- und Leistungsrechnung häufig nicht auf detaillierte Kosteninformationen abstützen. Zur Gewinnung und Verteilung von Informationen werden statt dessen oft buchhaltungsorientierte Kennzahlen herangezogen, mit denen vergleichsweise schnell ein aussagekräftiger Überblick über das unternehmerische Geschehen schnell möglich wird. Dabei gilt, dass die im Unternehmen existierenden Informationen im Hinblick auf eine gesicherte Entscheidungsfindung zweckmässig und übersichtlich aufbereitet sein müssen, sodass sie in allen Belangen den Ansprüchen einer Kennzahlenanalyse genügen. Zwar hat die Geschäftsleitung in KMU oft einen guten Überblick über das Unternehmen und kann sich mit den punktuellen, buchhaltungsorientierten Sichtweisen und den Grenzen der Kennzahlenanwendung eventuell arrangieren. Dennoch ist die Schwelle zur Unübersichtlichkeit in wachsenden Unternehmen schnell erreicht und es spricht vieles dafür, eine informative und zugleich schlanke Kosten- und Leistungsrechnung einzuführen. Eine zukunftsorientierte Unternehmensführung ist zugleich auf die Früherkennung von Risiken bedacht und benötigt daher mehr als eine vergangenheitsorientierte sowie auf aktien- und steuerrechtliche Aspekten ausgerichtete Finanzbuchhaltung.
Ein internes Rechnungswesen ist für zeitnahe, aktuelle und differenzierte Informationen über die wirtschaftliche Entwicklung der betrieblichen Aktivitäten und zur zieladäquaten Steuerung der innerbetrieblichen Entscheidungsfelder auch für KMU unabdingbar. Kosten und Leistungen stellen für die unternehmensinterne Entscheidungssituation die relevanten Grössen dar. Die Kostenrechnung leistet einen Beitrag zur Problemidentifizierung und -lösung, indem sie eine andere Sicht auf Entscheidungsprobleme bietet. Die Struktur des Kostenanfalls und der Leistungsentstehung wird transparent und ermöglicht, persönliche Weisungen des Unternehmers verstärkt durch Pläne zu ersetzen. Systematische Planungen und Kontrollen gestatten eine eigenverantwortliche Orientierung der Mitarbeiter an den Zielvorgaben und das Treffen von Entscheidungen ohne Einbindung der Geschäftsleitung. Die Führung kann auf diese Weise vom Tagesgeschäft entlastet werden. Die Kostenrechnung sollte deshalb stets als Mittel zur Risikofrüherkennung verstanden werden, weil sie mithilft, ein Kosten- und Leistungsdenken als Elemente eines Controllingbewusstseins im Unternehmen zu etablieren.
Der vorliegende Betrag soll aufzeigen, wie durch eine systematisch aufgebaute Kosten- und Leistungsrechnung ein Kostencontrolling erreicht werden kann, das zur Früherkennung von Risiken und Unternehmenskrisen wertvolle Hilfestellung geben soll.
Komponenten einer kostenrechnungsbasierten Risikofrüherkennung
Betriebsbuchhaltung
Die Grundlage eines risikoorientierten Kostenrechnungssystems in KMU bildet die klassische Vollkostenrechnung auf Istkostenbasis mit den drei Stufen Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung. Die Vollkostenrechnung auf Istkostenbasis ist für Bewertungs- und Kalkulationszwecke unentbehrlich. Sie ermöglicht die Nachkalkulation der betrieblichen Aufträge und Erzeugnisse, was zugleich ihre Hauptzielsetzung ist. Die Gesamtkosten der Unternehmen in einer Marktwirtschaft müssen langfristig auf jeden Fall durch ihre Verkaufserlöse aufgewogen werden. Mit sinkender Mitarbeiterzahl hat der Faktor Unternehmensgrösse mehr auf den Komplexitätsgrad und die Menge der zu verarbeitenden Daten als auf die instrumentelle Gestaltung der Kostenrechnung Einfluss. Dieses macht sich in einer reduzierten Anzahl von Kostenarten, -stellen und -trägern und einer geringeren Tiefe der Kostenstellenhierarchie in KMU bemerkbar. Die Kosten-Nutzen-Relationen sind sowohl bei der Gliederung der Kostenartenrechnung als auch bei der Gestaltung des Kostenstellenaufbaus im Sinne des Kontrollzweckes eines KMU zu beachten und zu optimieren. Bei der Kostenartenrechnung muss ein Kompromiss zwischen Arbeitsaufwand und zusätzlichem Nutzen bei einer für das Unternehmen sinnvollen Zurechenbarkeit der Kosten auf die Bezugsgrössen gefunden werden. Es ist deshalb durchaus legitim, aus Vereinfachungsgründen eine zweckmässige, weitgehende Verdichtung der Kostenarten durchzuführen, die nicht in einer entscheidungsrelevanten Höhe anfallen. Zur Planung, Kontrolle und Steuerung des innerbetrieblichen Geschehens in KMU kann eine sinnvoll strukturierte Kostenartenrechnung ohne gleichzeitige Notwendigkeit einer Kostenstellenrechnung ausreichen, wenn der Anteil der nicht direkt auf die Kostenträger zurechenbaren Gemeinkosten relativ gering ist und eine innerbetriebliche Leistungsverrechnung nicht erforderlich ist. Eine Kostenauflösung in variable und fixe Bestandteile als Grundlage für die entscheidungsorientierte Aufbereitung von Kosteninformationen sollte jedoch gewährleistet sein. Diese Differenzierung ist im Rahmen der Kostenträgerrechnung für eine stückbezogene Kalkulation und eine kurzfristige Erfolgsrechnung notwendig, damit in diesem Zusammenhang Entscheidungen über die Preisuntergrenzenbestimmung, Eigenfertigung oder Fremdbezug und das qualitative und quantitative Produktionsprogramm getroffen werden können. Ein Unternehmen kann sich auf die Betrachtung von einigen Kosten- bzw. Erfolgsträgern beschränken, wenn das Leistungsprogramm hauptsächlich aus diesen besteht. Eine (detaillierte) Untersuchung der restlichen Produkte hat demgegenüber keinen wesentlichen Aussagegehalt und kann auf Sonderauswertungen im Rahmen von dispositiven Entscheidungen begrenzt werden, um weitere Abrechnungsarbeit zu vermeiden, solange diese nicht von grundsätzlicher Art und laufend zu treffen sind.
Eine Kostenstellenrechnung wird mit zunehmender Komplexität des Unternehmensgeschehens erforderlich, um die Transparenz des gesamten betrieblichen Transformationsprozesses zu gewährleisten. Die Bildung einer eindeutigen Organisationsstruktur mit korrespondierenden Kostenstellen ist Voraussetzung für die Schaffung eines konsequenten Kostenbewusstseins der Mitarbeiter. Dabei sollte nicht jeder Vorgesetzte zum Kostenstellenverantwortlichen ernannt werden. Wirtschaftlichkeitskontrolle und Gemeinkostenverteilung als Ziele der Kostenstellenrechnung können nur erreicht werden, wenn die Bildung der Kostenstellen sowohl nach betrieblichen Funktionen als auch nach Verantwortungsbereichen erfolgt. Eine klare Abgrenzung von Verantwortungsbereichen mit einem möglichst tief gegliederten Kostenstellennetz wird in KMU allerdings wegen der relativ einfachen Struktur und der funktions- und bereichsübergreifenden Zuständigkeiten nur bedingt realisiert werden können. Es bietet sich an, einen niedrigen Detaillierungsgrad bei der Kostenstellenbildung zu wählen und gleichartige Bereiche der Kostenentstehung hinsichtlich einer wirtschaftlichen Kostenabrechnung zusammenzufassen.
Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerechnung bilden somit die Basis eines aussagefähigen, entscheidungsorientierten internen Rechnungswesens. Defizite bei der Gestaltung dieser Bereiche und bei der Datenerfassung sind auf jeden Fall zu verhindern, da ansonsten die Möglichkeiten der Kostenrechnung zur Früherkennung von Risiken von vornherein ungenügend bleiben und es deswegen zu einem erheblichen Risiko durch Fehlentscheidungen kommen kann.
Kalkulation
Die Kalkulation (auch Kostenträgerstückrechnung genannt) wird vor allem von produzierenden KMU konsequenterweise als Vor- und Nachkalkulation der Produkte durchgeführt. Die Vorkalkulation ermöglicht fundierte Entscheidungen über Angebotsabgaben und Auftragsannahmen. Eine Zwischenkalkulation können Unternehmen einsetzen, um Halbfabrikate zu bewerten oder Produkte mit einer längeren Herstellungszeit einem Soll-Ist-Vergleich zu unterziehen. Die Nachkalkulation gestattet den Vergleich der Istkosten mit den Sollkosten der Vorkalkulation und die Analyse von festgestellten Abweichungen.
Die anzuwendende Kalkulationsmethode richtet sich weit gehend nach dem Fertigungsverfahren. Die vorherige Untersuchung zeigte, dass die Zuschlagskalkulation im Mittelstand am weitesten verbreitet war. Dieses Ergebnis ist nicht weiter überraschend, da in den produzierenden KMU die Einzel- und Serienfertigung vorherrscht und die Zuschlagskalkulation bei der Einzel- und Serienfertigung mehrerer verschiedenartiger Produkte oft problemgerecht ist. Die Komplexität des Produktionsprozesses sowie die Heterogenität der Produkte werden mit der differenzierenden Zuschlagskalkulation angemessen berücksichtigt. Voraussetzung der differenzierenden Zuschlagskalkulation ist eine Trennung in Einzel- und Sondereinzel- sowie der Gemeinkosten in die Bereiche Material, Fertigung, Verwaltung und Vertrieb. Die anfallenden Gemeinkosten können damit den Produkten über die einzelnen Zuschlagssätze zugerechnet werden. Eine Kostenstellenrechnung ist demgegenüber für die summarische Zuschlagskalkulation nicht erforderlich. Sie kann von kleinen Unternehmen mit undifferenzierter Fertigung als einfaches Instrument eingesetzt werden, wenn Gemeinkosten nur in geringem Umfang anfallen. Der Zuschlagssatz wird durch die Gemein- und Einzelkosten der Periode gebildet. Dieses Vorgehen entspricht allerdings in keiner Weise dem Prinzip der Kostenverursachung und ist daher möglichst schnell durch die differenzierende Zuschlagskalkulation zu ersetzen. Die Kosten können mit diesem Verfahren am ehesten den Kostenträgern verursachungsgemäss zugerechnet werden. Es werden Zuschlagsbasen verwendet, die in ursächlicher Beziehung mit dem Entstehen der Gemeinkosten stehen und es erfolgt keine pauschale Gemeinkostenzurechnung mehr.
Zur Ergänzung der Zuschlagskalkulation ist eine Maschinenstundensatzrechnung sinnvoll, wenn ein Unternehmen anlagenintensiv produziert, die Maschinen unterschiedliche Kosten verursachen und von den Kostenträgern nicht einheitlich beansprucht werden. Die maschinenabhängigen Kosten werden von den übrigen Fertigungsgemeinkosten getrennt, auf die geleistete Maschinenlaufzeit bezogen und entsprechend auf die Kostenträger verrechnet. Die restlichen Fertigungsgemeinkosten werden weiterhin mit Hilfe von Zuschlagssätzen auf die Kostenträger verteilt.
Die Maschinensatzkalkulation setzt allerdings eine detaillierte Gemeinkostenerfassung auf Kostenplatzebene voraus. Bei einer Massenfertigung eines einheitlichen Produktes ist es für ein Unternehmen zweckmässig, die Divisionskalkulation anzuwenden. Wenn keine Lagerbestandsveränderungen an unfertigen und fertigen Erzeugnissen erfolgen, wird die einstufige Divisionskalkulation gewählt. Das Unternehmen kann in diesem Fall als eine Kostenstelle angesehen werden und die Kalkulation direkt an die Kostenartenrechnung angehängt werden. Sobald Lagerbestandsveränderungen an fertigen Erzeugnissen zu berücksichtigen sind, wird die zweistufige Divisionskalkulation eingesetzt. Damit bei einem Produktionsprozess der mehr als eine Stufe hat, auch Lagerbestandsveränderungen an unfertigen Erzeugnissen berücksichtigt werden können, empfiehlt sich die Anwendung der mehrstufigen Divisionskalkulation.
Bei einer Sortenfertigung mehrerer artähnlicher Produkte, die sich in Bezug auf den Einsatz von Material, Arbeit oder Maschinenleistung im Gegensatz zu dem Fertigungsprozess, unterscheiden, ist die ein- bzw. mehrstufige Äquivalenzziffernkalkulation gut anwendbar. Die Äquivalenzziffern geben die Kostendifferenzen wegen des unterschiedlichen Faktoreinsatzes wieder und machen die verschiedenartigen Erzeugnisse vergleichbar. Die richtigen Äquivalenzziffern zu ermitteln, kann sich hingegen als schwierig und aufwändig erweisen, so dass ggf. auf eine differenzierende Zuschlagskalkulation zurückgegriffen werden kann. Wenn die Kosten einzelner Zwischenerzeugnisse in einem konstanten Verhältnis zueinander stehen, kann die Äquivalenzziffernkalkulation auch sinnvoll in die Zuschlagskalkulation integriert werden.
Bei einer Kuppelfertigung mehrerer gleichzeitig und zwangsläufig anfallender Produkte ist die Kuppelkalkulation einzusetzen. Es wird mit ihr versucht, die einzelnen Erzeugnisse wirtschaftlich zu gewichten, weil deren jeweiliger Kostenanteil nicht ermittelbar ist. Daher orientiert sich die Kuppelkalkulation am Prinzip der Kostentragfähigkeit.
Kurzfristige Ergebnisrechnung
Die Kostenträgerzeitrechnung wird zur periodenbezogenen Ermittlung des Betriebsergebnisses eingesetzt. Sie ist als kurzfristige Erfolgsrechnung möglichst auf Monatsbasis, aber ansonsten wenigstens quartalsweise zu erstellen, um schnell die positiven und negativen Entwicklungen des Unternehmens zu erkennen. Sie bildet somit ein unverzichtbares Informationsinstrument für die Führungsebene, damit Anpassungsmassnahmen frühzeitig eingeleitet werden können.
Die kurzfristige Erfolgsrechnung kann in Form zweier Verfahren durchgeführt werden:
Mit dem Gesamt- und das Umsatzkostenverfahren, jeweils auf Basis von Vollkosten oder auf Basis von Teilkosten.
Bei dem Umsatzkostenverfahren werden die Erlöse der abgesetzten Produkte um die zu ihrer Herstellung nötigen Kosten reduziert. Es ist daher die Realisierung einer Kostenträgerstückrechnung unumgänglich, die bei dem Gesamtkostenverfahren nicht zwingend erforderlich ist. Wenn es den Unternehmen an für das Umsatzkostenverfahren unentbehrlichen Informationen aus ihrer Kosten- und Leistungsrechnung mangelt, müssen sie sich mit dem Gesamtkostenverfahren begnügen. Hier werden den gesamten Umsatzerlösen die gesamten Kosten der Abrechnungsperiode gegenübergestellt und noch die Bestandsveränderungen an Produkten und Leistungen berücksichtigt. Eine produkt- und produktgruppenbezogene Analyse und Kontrolle der Erfolgsentstehung wird durch die Verwendung des Gesamtkostenverfahrens in der kurzfristigen Erfolgsrechnung jedoch verhindert, sodass das Gesamtkostenverfahren somit höchstens für Einproduktunternehmen geeignet ist. Die Aussagefähigkeit für Mehrproduktunternehmen ist dagegen gering. Kleinere Unternehmen können zunächst das Gesamtkostenverfahren anwenden. Es hat den gleichen einfachen Aufbau wie die Gewinn- und Verlustrechnung der Finanzbuchhaltung und ermöglicht eine Kontrolle der Kostenarten und -stellen.
Mit den (hoffentlich) fortschreitenden Möglichkeiten ihres Kostenrechnungssystems ist es ratsam, das Umsatzkostenverfahren einzusetzen, da es sich an der Marktleistung des Unternehmens orientiert und eine Erfolgsanalyse der Produkte gestattet. Die Bestandsänderungen an Halb- und Fertigerzeugnissen müssen dann nicht erfasst werden, was insbesondere bei mehrstufiger Mehrproduktfertigung sehr aufwändig sein kann. Zudem müssen bei dem Gesamtkostenverfahren zur Bewertung der Bestandsänderungen die Kosten auf Kostenträger verteilt werden, um die Herstellkosten je Produkteinheit zu ermitteln, obwohl eine Gliederung der Periodenkosten lediglich nach Kostenarten erfolgt.
Bei dem Umsatzkostenverfahren müssen dagegen entweder die gesamten Selbstkosten oder die Teilkosten für die abgesetzten Produkte bestimmt werden. Zur Erfolgsbestimmung werden bei dem Umsatzkostenverfahren auf Teilkostenbasis die nicht auf Kostenträger verteilten Kosten als ein separater Block behandelt und neben den Teilkosten der abgesetzten Erzeugnisse von den Produkterlösen abgezogen. Es ist zu beachten, dass der Periodenerfolg in der Teilkostenrechnung (unter Annahme gleich bleibender variabler Stückkosten) allein von der Höhe der Absatzmenge abhängig ist, während in der Vollkostenrechnung Bestandsänderungen Einfluss auf den Periodenerfolg haben.
Das Umsatzkostenverfahren auf Teilkostenbasis in Form einer Deckungsbeitragsrechnung durchzuführen, bietet sich an, da Stückdeckungsbeiträge wichtige Kennziffern zur Produktbeurteilung sind und Daten der Vollkostenrechnung zu Fehlentscheidungen bei der Gewinnsteuerung führen können. Weiter ist es erstrebenswert, eine automatisierte Artikel- und Kundendeckungsbeitragsrechnung als “Drill-Down”-Auswertung aus der periodischen Ergebnisrechnung auf Basis des Umsatzkostenverfahrens zu implementieren.
Seminar-Empfehlungen
Deckungsbeiträge als unverzichtbare Risikoindikatoren
Produktbezogene Deckungsbeitragsinformationen
Die Vollkostenrechnung auf Istkostenbasis kann zu einer falschen Fundierung von Preis- und Produktentscheidungen durch die Proportionalisierung der Fixkosten und nicht verursachungsgerechte Schlüsselung der Gemeinkosten führen.Die Deckungsbeitragsrechnung bildet hingegen die Grundlage der Erfolgssteuerung bei der Lösung von Entscheidungsproblemen auf der Basis gegebener Kapazitäten und sollte zur Grundausstattung der Kosten- und Leistungsrechnung in KMU gehören.
Die Vollkostenrechnung auf Basis von Istkosten ist daher für Entscheidungszwecke zur Teilkostenrechnung mit Deckungsbeiträgen auszubauen. Der wesentliche Unterschied zur Vollkostenrechnung besteht darin, dass zusätzlich zu der Aufspaltung in Einzel- und Gemeinkosten eine Trennung in variable und fixe Kosten erfolgt. Der Betriebsabrechnungsbogen ist wegen dieser Kostenspaltung zu erweitern, damit er im Rahmen der Deckungsbeitragsrechnung nutzbar ist. Die variablen Kosten und die Erlöse werden den Kostenträgern zugerechnet. Die verbleibenden Fixkosten müssen aus dem Deckungsbeitrag gedeckt werden.
Eine differenzierte Betrachtung von auf Teilkosten basierenden mittel- und kurzfristigen Preisuntergrenzen der Produkte wird mit dieser Artikeldeckungsbeitragsrechnung erst möglich. Die Kenntnis von kurz- wie langfristig gewinnbringenden Produkten dient der Verbesserung des Unternehmenserfolges. Die Deckungsbeitragsrechnung bildet somit die Basis für die Planung und Kontrolle des Gewinns im Rahmen der Break-Even-Analyse. Sie ist eine wichtige Ergänzung zur Vollkostenrechnung, da deren Nachteile überwunden werden und das Kostencontrolling so zu einem Früherkennungsinstrument ausgestaltet wird.
Das folgende Beispiel veranschaulicht die Möglichkeiten der Deckungsbeitragsrechnung zur Risikofrüherkennung anhand des produktbezogenen Break-Even (Gewinnschwelle):
Beispiel
Bei der Golfus AG, einem Hersteller hochwertiger Golfschläger, liegen im Rahmen der Geschäftsjahresplanung folgenden Plandaten vor:
- Verkaufspreis für das Modell “Hole in one”: CHF 900.–
- Erwarteter Absatz im Planjahr: 8000 Stück
- Variable Kosten je Golfsschläger:
- Materialkosten: CHF 168.–
- Fertigungslöhne: CHF 132.–
- Fertigungsgemeinkosten: CHF 120.–
- Fixe Kosten: CHF 2 969 760.–
- Derzeitige Kapazitätsgrenze: 10 000 Stück
a. Ermittlung des geplanten Jahreserfolgs für das nächste Geschäftsjahr sowie den Break-Even-Punkt (Umsatz und Absatzmenge im Punkt der Gewinnschwelle):
Gewinn = Deckungsbeitrag * Plan-Absatzmenge – Fixkosten
= CHF/Stück 480 * 8’000 Stück – CHF 2 969 760.– = CHF 870 240.–
Break-Even-Absatzmenge (x) = Fixkosten/Deckungsbeitrag = CHF 2 969 760.–/CHF 480.– = 6187 Stück
Break-Even-Umsatz: 6187 Stück * CHF 900.– = CHF 5 568 300.–
b. Berechnung des Plan-Erfolgs sowie des Break-Even-Punktes unter der Bedingung, dass
- bei voller Auslastung der Produktion die gesamte Fertigungsmenge zu einem um 10 % niedrigeren Verkaufspreis abgesetzt werden kann und
- die Materialkosten je Golfschläger sich in diesem Fall um 10 % senken liessen und zugleich die Fertigungslöhne um 5 % sowie die Fertigungsgemeinkosten um 15 % steigen würden und
- die fixen Kosten um CHF 65 040.– gesenkt werden könnten!
Deckungsbeitrag = 810 – (151,2 + 138,6 + 138) = CHF/Stück 382,2
G = Deckungsbeitrag/Stück * x – Fixkosten = CHF/Stück 382,2 * 10 000 Stück – CHF 2 904 720.– = CHF 917 280.–
x = Fixkosten/Deckungsbeitrag = CHF 2 904 720.–/ 382,2 CHF/Stück = 7600Stück (BE-Absatzmenge)
Break-Even-Umsatz: 7600 Stück * CHF/Stück 810 = CHF 6 156 000.–
Kundenbezogene Deckungsbeitragsinformationen
Neben der Deckungsbeitragsrechnung je Produkt ist eine Kunden-Deckungsbeitragsrechnung erforderlich, um den Erfolgsbeitrag der einzelnen Kunden zu ermitteln. Es werden jedem einzelnen Kunden die mit ihm getätigten Umsätze, die Erlösschmälerungen und die für ihn entstandenen Kosten zugerechnet. Diese Kundenerfolgsrechnung ist speziell für Unternehmen interessant, die über eine heterogene Kundenstruktur verfügen, um Ertragstransparenz zu schaffen und Fehleinschätzungen zu vermeiden. Die Nachfragemacht von grossen Kunden führt nicht nur zu individuellen Lieferungs- und Zahlungskonditionen, sondern auch zu spezifischen zusätzlichen Kosten, die der Deckungsbeitrag pro Produkt und die Auftragskalkulation nicht entsprechend erfasst.
Die Gewinnauswirkungen von Preisdifferenzierungen und kundenspezifischen Konditionen werden genauso wie der Einfluss von Kundensonderwünschen (Spezialausführungen, spezifische Distributions- und Verpackungskosten) ersichtlich.Der Mehraufwand durch das zusätzliche Kalkulationsobjekt Kunde mit der erforderlichen Analyse und Bewertung von kundenindividuellen Prozessen kann dadurch reduziert werden, indem die Kundenerfolgsrechnung anfangs nur für wichtige Kunden als Jahresrechnung durchgeführt wird.
Später kann sie dann auch auf alle Kunden ausgedehnt und in kürzeren Zeitabständen erstellt werden, was natürlich wünschenswert erscheint. Eine willkürliche Gemeinkostenschlüsselung ist unbedingt zu vermeiden, um die Aussagekraft der Deckungsbeitragsinformationen nicht unnötig zu beeinträchtigen. Die nicht exakt zurechenbaren Gemeinkosten sind daher in Plan-Deckungsbeiträgen je Kunde zu berücksichtigen. Die Ist-Deckungsbeiträge pro Kunde in Verbindung mit Planwerten liefern wertvolle Informationen für die künftige strategische Positionierung des Unternehmens.
Wenn der Aufwand vertretbar ist, können ergänzend weitere Deckungsbeiträge (z.B. pro Produktart, Auftrag oder Verkaufsgebiet) gebildet werden, um die Analysemöglichkeiten zu vergrössern. Insbesondere mittelständische Unternehmen, die kleine und grosse Serien kundenspezifisch auf Bestellung produzieren, haben die Aufträge auf ihren Erfolgsbeitrag zu überprüfen. Ein geringer Rückgang der Auftragsgrösse kann schon hohe negative Auswirkungen auf die Ergebnissituation des Unternehmens haben. Just-in-Time-Lieferungen können diese Entwicklung noch verstärken. Wenn ein Unternehmen Absatzgebiete hat, die sich in stärkerem Masse durch Preisniveau, Marketing- und Vertriebskosten unterscheiden, ist eine entsprechende Sonderrechnung sinnvoll.
Mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung
Eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung, die auch Fixkostendeckungsrechnung genannt wird, gehört mit der Bezugsgrösse Produkt zum Mindestinstrumentarium für den Mittelstand. Diese differenzierende Betrachtung des Zusammenhanges zwischen Umsatz, Kosten und Gewinn ist ein wesentliches Instrument des Ergebniscontrollings. Der gesamte Fixkostenblock wird nach der Zurechenbarkeit auf Produkte und Abrechnungsort im Unternehmen gegliedert und eine stufenweise Verrechnung der gebildeten Fixkostenanteile vom jeweils verbleibenden (Rest-)Deckungsbeitrag vorgenommen. Die Verlässlichkeit der Daten und die Möglichkeit der stufenweisen Erfassung der Einzelfixkosten begrenzen die Anzahl der Fixkostenschichten. Eine vier- bis fünfstufige Hierarchie der Fixkostendeckungsrechnung, in der nacheinander vom Produktnettoerlös die variablen, die produktfixen, die produktgruppenfixen, ggf. die bereichsfixen und die unternehmensfixen Kosten berücksichtigt werden, ist für mittelständische Unternehmen anwendbar. Es können mit der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung differenziertere Informationen als durch das Direct Costing gewonnen werden (Bardy, Rautenstrauch, Vanazzi, 2010).
Eine noch genauere Analyse der Verursachung von Fixkosten ermöglicht eine mehrdimensionale Deckungsbeitragsrechnung, die eine Fixkostenschichtung mit unterschiedlichen Betrachtungsweisen durch verschiedene Bezugsgrössen (z.B. Produkt, Kunde, Absatzgebiet) verbindet. Wenn die Daten entsprechend detailliert vorliegen und die Fixkosten nicht nur nacheinander, sondern auch nebeneinander verschiedenen Bezugsgrössen zurechenbar sind, bietet sich für ein Unternehmen diese Verfeinerung der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung in einer späteren Ausbaustufe an.
Der Fixkostenblock kann mit einer mehrdimensionalen Deckungsbeitragsrechnung wie mit einem Scheinwerfer durchleuchtet werden, um Informationen über die Verursachung der fixen Kosten zu erlangen. Kritische Bereiche können auf diese Weise noch differenzierter auf ihren Erfolgsbeitrag hin überprüft werden. Die mehrdimensionale Deckungsbeitragsrechnung wird jedoch wegen der notwendigen anspruchsvollen Datenaufbereitung und der damit verbundenen Kosten in den meisten mittelständischen Unternehmen nicht realisiert werden können. Sie werden sich mit der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung begnügen und diese gegebenenfalls weiter verfeinern.
Plankosteninformationen
Reine Istkostenrechnungen können - wie oben bereits ausgeführt – allein nicht zur Steuerung des Unternehmens geeignet sein, weil Vorgabewerte zum Vergleich und Überwachung der Wirtschaftlichkeit nicht vorhanden sind. Es ist nicht möglich, den Einfluss der Kostenbestimmungsfaktoren, deren komplexes Ergebnis die Istkosten sind, zu isolieren. Erst mit Sollwerten kann der Zielerreichungsgrad in der Vergangenheit hinterfragt werden. Normalkosten sind dazu nur bedingt geeignet, weil sie Durchschnitte von früheren Istkosten sind. Ein wesentlicher Schritt zur Verbesserung der Kostenkontrollmöglichkeiten besteht daher im Übergang zu einer zukunftsorientierten Kostenrechnung. Die reine Istkostenrechnung ist daher um eine Plankostenrechnung zu ergänzen. Die Entscheidungen basieren somit auf Grössen, in denen bereits Folgen der erwarteten internen und externen Veränderungen berücksichtigt sind. Auf diese Weise geht der für die Zukunft wesentliche Aussage- und Motivationsgehalt der Kostenkontrolle nicht verloren. Der Einsatz von Plankosten ermöglicht Soll-Ist-Vergleiche und im Rahmen der Abweichungsanalyse die Untersuchung der Ursachen für Kostendifferenzen, was für eine Risikofrüherkennung unbedingt notwendig ist. Eine Kostenstelleneinteilung nach eindeutigen Verantwortungsbereichen ist weiterhin Voraussetzung für eine aussagekräftige Plankostenrechnung. Aus dem Ergebnis der Abweichungsanalysen können anschliessend Konsequenzen für diese Verantwortungsbereiche abgeleitet werden. Die permanente Beschäftigung mit der Kostenentstehung und -verursachung verbessert das Kostenbewusstsein aller Mitarbeiter und ermöglicht über Lern- und Verhaltensprozesse kostensenkende Effekte. Die Informationen über das Verhältnis zwischen geplanter und tatsächlicher Entwicklung helfen die Reaktionsfähigkeit der Unternehmensführung zu sichern. Ohne eine Plankostenrechnung gelingt nur schwer eine Koordination durch Pläne und umgekehrt.
Die flexible Plankostenrechnung bietet sich für diese Zwecke an. Die Kalkulationsgenauigkeit wird durch die Einbeziehung des Beschäftigungsgrades verbessert. In der flexiblen Plankostenrechnung soll eine Kostenspaltung kostenartenweise pro innerbetrieblichem Kalkulationsobjekt (i.d.R. konventionelle Kostenstelle) erfolgen. Wenn aber in der Praxis bspw. der Anteil der Gemeinkosten der Fertigung gering ist, wird auf eine Kostenspaltung unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit verzichtet werden können, weil dem nur begrenzt höheren Informationsgehalt ein nicht unerheblicher Aufwand gegenübersteht.
Die Aufspaltung der Kosten in variable und fixe Bestandteile ist Voraussetzung für die flexible Plankostenrechnung. Ein Soll-Ist-Vergleich ermöglicht die Ermittlung der Abweichung zwischen Ist- und Plankosten. Diese Gesamtabweichung kann so in Teilabweichungen zerlegt werden, dass unwirtschaftliches Verhalten bzw. Konsequenzen von unternehmensexternen Datenänderungen erkennbar werden. Die flexible Plankostenrechnung eignet sich für Kostenkontrollzwecke in den Kostenstellen sehr gut, weil mit ihr Unwirtschaftlichkeiten dort festgestellt und kostenartenweise analysiert werden können.
Insbesondere die Einführung der Grenzplankostenrechnung gestaltet das Controlling entscheidungsorientierter und überwindet auch die rechnerische Proportionalisierung der fixen Kosten von der auf Vollkosten basierenden flexiblen Plankostenrechnung. Das Problem der Bestimmung einer Planbeschäftigung ist nicht mehr vorhanden, weil es durch die Nichtberücksichtigung der fixen Kosten keine Beschäftigungsabweichungen gibt. Die Verbesserung der Kostenkontrolle gesellt sich zu den Vorteilen der Deckungsbeitragsrechnung. Die Steuerungsmöglichkeiten eines Teilkostensystems werden auf diese Weise mit den Kontrollmöglichkeiten eines integrierten Plankostensystems kombiniert. Anfangs kann die dominierende Kosteneinflussgrösse als einzige Bezugsgrösse verwendet werden. Dieses ist normalerweise das Produktionsvolumen. Die bekannte mengenorientierte Denkweise aus der Vollkostenrechnung kann somit zunächst beibehalten werden. Später kann die Bezugsgrösse Fertigungsmenge speziell in Unternehmen, die viele Varianten herstellen, um andere wichtige Kosteneinflussgrössen (z.B. Los- bzw. Auftragsgrösse) ergänzt werden. Die Aussagekraft der Kostenplanung wird dadurch erhöht. Je weiter die Kostenstellenspaltung geht und je mehr Bezugsgrössen benutzt werden, desto detaillierter kann die Kostenstellenplanung sein. Kosten und Nutzen sind daher hierbei unbedingt abzuwägen.
Beispiel zur Plankostenrechnung
Das folgende Beispiel illustriert die Möglichkeiten der Plankostenrechnung im Zusammenhang mit der Risikofrüherkennung durch Abweichungsermittlung:
Für die Kostenstelle "Holzzuschnitt" des Fussbodenherstellers Gehgut AG liegen für den Monat August folgende Angaben vor:
Plan | Ist | |
Produzierte Stückzahl | 1000 | 1250 |
Material | 2000 kg à CHF 12 | 2400 kg à CHF 15 |
Fertigungslohn | 3000 Std. à CHF 40 | 4000 Std. à CHF 40 |
Gemeinkosten davon Fixkosten | CHF 180 000 CHF 100 000 | CHF 200 000 CHF 100 000 |
Ermitteln Sie die folgenden Abweichungen und interpretieren Sie die sich daraus ergebende Situation:
- Gesamte Kostenabweichung
- Beschäftigungsabweichung
- Verbrauchsabweichung
- Preis- und Mengenabweichung für die Kostenart Material
Ermittlung der notwendigen Kostenangaben
In einem ersten Schritt sind zunächst sind die Istkosten, verrechneten Plankosten (auf Basis des vollen Plankostenverrechnungssatzes) sowie die Sollkosten zu ermitteln (alle Angaben in CHF):
Istkosten = 2400 * 15 + 4000 * 40 + 200 000 = 396 000
Verr. Plankosten = (324 000/1.000) * 1250 = 405 000
Sollkosten = 100 000 + (224 000/1.000)*1250 = 380 000
Abweichungsermittlung
Gesamte Kostenabweichung = 396 000 – 405 000 = -9000
Beschäftigungsabweichung = 380 000 – 405 000 = -25 000
Verbrauchsabweichung = 396 000 – 380 000 = 16 000
Mengenabweichung: (Istmenge – Planmenge bei Istbesch.) * Planpreis
(2400- (2000/1000) * 1250) * 12 = -1200
Preisabweichung: (Istpreis – Planpreis) * Istmenge
(15-12) * 2400 = 7200
Interpretation
Die Werte der ermittelten Kostenabweichungen für die Fertigungs-Kostenstelle zeigen, dass gesamthaft eine Kostenüberdeckung vorliegt, da die Istkosten unterhalb der verrechneten Plankosten liegen. Der Vergleich aus Ist- und Sollkosten zeigt jedoch an, dass die Verbrauchsabweichung als Differenz zwischen Ist- und Sollkosten auf ein Effizienzproblem hinweist: die höheren Istkosten im Vergleich zu den Sollkosten lassen einen wertmässigen Mehrverbrauch an Ressourcen erkennen, der auf ein Wirtschaftlichkeitsproblem hinweist.
Die Detailuntersuchung der Preis- und Mengenabweichung für die Kostenart Material gibt einen Hinweis darauf, dass zumindest im Materialbereich nicht ein Mehrverbrauch an Material das Problem darstellt, sondern die Preisabweichung als Differenz zwischen Ist- und Planpreis. Da der Istpreis deutlich den Planpreis überschreitet, ist ein Problem in der Materialpreissteigerung für die Unternehmung zu sehen, weil diese zu höheren Kosten in der Fertigung bzw. beim Materialeinsatz führt. Daraus kann ein Risiko entstehen, wenn die Unternehmung nicht in der Lage ist, die Preissteigerung an ihre Kunden abzuwälzen und somit auf höheren Fertigungskosten sitzen bleibt.
Prozesskosteninformationen zeigen Risiken in Gemeinkostenbereichen
Ist- und Plankostenrechnung betrachten Funktionsbereiche und keine kostenstellenübergreifenden Vorgänge, was aber aus Sicht der Risikofrüherkennung auf Basis aussagekräftiger Kosteninformationen unabdingbar ist. Aus diesem Grund soll hier auch die Prozesskostenrechnung vorgestellt werden, die eine wichtige Erweiterung der traditionellen Kostenrechnung bildet und an den Kosten für Prozesse und Aktivitäten anknüpft. Dabei gelten vor allem die fertigungsnahen, gemeinkostenintensiven und indirekt-produktiven Leistungsbereiche als ihre Haupteinsatzgebiete.
Das Fundament der Prozesskostenrechnung bildet die Beobachtung der leistungswirtschaftlichen Tätigkeiten als Prozess der Wertschöpfung. Sie schafft die Voraussetzungen für eine kostenstellenübergreifende Planung, Kontrolle und Steuerung der Kosten und eine prozessorientierte Kalkulation. Speziell für Unternehmen, die einen hohen Kostenanteil in (umfangreicheren) indirekten Leistungsbereichen und ein breiteres Produktionsprogramm mit verschiedenartigen Fertigungsstrukturen haben, ist sie als Instrument des Gemeinkostenmanagements zur Herstellung von Transparenz und zur Wirtschaftlichkeitskontrolle interessant.
Sie bildet vor allem für mittelgrosse, expandierende Unternehmen eine sinnvolle Alternative, die ein ausgereifteres kostenrechnerisches Know-how haben. In schnell wachsenden Unternehmen können mit ihrer Hilfe frühzeitig unverhältnismässig hohe Kosten durch eine eigenständige Prozesskalkulation identifiziert werden, wenn diese Prozesse auf Aktivitäten in Gemeinkostenbereichen gründen, deren Arbeitsabläufe eine weit gehend feste Struktur aufweisen und überwiegend gut standardisierte Leistungen beinhalten. Einzelne Tätigkeiten repetitiver und unterstützender Art, z.B. der Bereiche Vertrieb, Logistik oder Verwaltung, können so auch kostenmässig bewertet und in Managemententscheidungen einbezogen werden. Die bei KMU weit verbreitete Zuschlagskalkulation bildet bei einem hohen Anteil der zu verrechnenden Gemeinkosten im Vergleich zu den direkt zurechenbaren Einzelkosten keine verursachungsgerechte Kostenzurechnung ab. Dieses Defizit kann die Prozesskostenrechnung daher beseitigen helfen.
Die vor allem in den indirekten Bereichen anfallenden Gemeinkosten, die sich beanspruchungsgerecht auf die Kostenträger verteilen lassen, werden mit entsprechenden Kostensätzen prozessorientiert umgelegt. Sie werden folglich nach der Inanspruchnahme der betrieblichen Ressourcen auf die einzelnen Produkte verteilt. Die Komplexität und die Variantenvielfalt der Produkte werden als kostenverursachende Faktoren in der Kalkulation berücksichtigt, sodass die Unternehmensleitung strategische Entscheidungen zur Gestaltung des Produktions- und Absatzprogramms und zur Beeinflussung der Gemeinkosten besser treffen kann. Potenziale in der Wertschöpfungskette können mit der Prozesskostenrechnung offen gelegt werden.
Das folgende Beispiel soll den Beitrag der Prozesskostenrechnung illustrieren:
Beispiel
Bei der Alpha AG sind für die Kostenstelle Einkauf erstmals die Teilprozesse und die zugehörigen Prozessgrössen festgelegt worden. Für das kommende Planjahr betragen die Kostenstellenkosten CHF 247 500, welche nun nach der Inanspruchnahme der Mitarbeiterkapazität für die Teilprozesse in der Kostenstelle aufgeteilt werden sollen. Die Abkürzung lmi steht für leistungsmengeninduziert und bezeichnet den Teil der Prozesskosten, der sich in Abhängigkeit von der Prozessgrösse (= Kostentreiber) verändert. Dagegen bezeichnet die Abkürzung lmn den Begriff leistungsmengenneutral und steht für den Prozess “Kostenstelle leiten”, der sich nicht in Abhängigkeit von einer Prozessgrösse verändert:
Teilprozess | Prozessgrösse | Mitar-beitende | Prozesskosten (CHF) | Prozess-kostensatz CHF) | |||||
Nr. | Bezeichnung | Art | Menge | Jahre | lmi | lmn | Total | lmi | Total |
1 | Bestellung durchführen | Anzahl Bestellungen | 8 200 | 3,3 | |||||
2 | Lieferanten betreuen | Anzahl Lieferanten | 1200 | 0,85 | |||||
3 | Reklamationen bearbeiten | Anzahl Reklamationen | 150 | 0,35 | |||||
4 | Verträge vorbereiten | Anzahl Verträge | 40 | 0,5 | |||||
5 | Kostenstelle leiten | – | 0,5 | ||||||
Summe |
Zur Lösung dieses Problems sind zunächst die vollen Kostenstellenkosten den Mitarbeitenden-Kapazitäten der Kostenstelle zuzurechnen. Dabei sind die leistungsmengenneutralen Kosten auf die übrigen Teilprozesse im Wege einer Umlage aufzuteilen.
Danach erhält man die folgenden Informationen:
Teilprozess | Prozessgrösse | Mit-arbeitende | Prozesskosten (CHF) | Prozesskostensatz (CHF) | |||||
Nr. | Bezeichnung | Art | Menge | Jahre | lmi | lmn | Gesamt | lmi | Gesamt |
1 | Bestellung durchführen | Anzahl Bestellungen | 8 200 | 3,3 | 148 500 | 14 850 | 163 350 | 18,11 | 19,92 |
2 | Lieferanten betreuen | Anzahl Lieferanten | 1 200 | 0,85 | 38 250 | 3825 | 42 075 | 31,87 | 35,06 |
3 | Reklamationen bearbeiten | Anzahl Reklamationen | 150 | 0,35 | 15 750 | 1 575 | 17 325 | 105.00 | 115,5 |
4 | Verträge vorbereiten | Anzahl Verträge | 40 | 0,5 | 22 500 | 2 250 | 24 750 | 562,50 | 618,75 |
5 | Kostenstelle leiten | – | – | 0,5 | – | – | – | – | – |
Summe | 5,5 | 225 000 | 22 500 | 247 500 |
Der Gemeinkostenbereich Einkauf ist im Hinblick auf die dort entstehenden Kosten nun sehr transparent: so weiss man nun in der Unternehmung, dass beispielsweise die Bearbeitung einer Reklamation zu Vollkosten in Höhe von CHF 115.50 führt. Die Vorbereitung von Verträgen mit Lieferanten ist sogar noch kostenintensiver, da hierfür CHF 618.75 anfallen. Mit den vorliegenden Informationen kann nun in der Unternehmung an Massnahmen zur Gemeinkostensenkung gearbeitet werden, wo die Prozesskostensätze im Zeit- oder Betriebsvergleich Handlungsbedarf aufzeigen.
Der Arbeits- und Kostenaufwand bei der Prozesskostenrechnung und ihrer Einführung ist vergleichsweise hoch zu Beginn. Die Gemeinkosten müssen systematisch und detailliert aufbereitet werden und die Anforderungen an das Informationssystem, insbesondere an die Betriebsdatenerfassung, sind hoch. Die Kosten-Nutzen-Relation ist daher in jedem Fall zu beachten. Die Prozesskostenrechnung ist eine komplexe, weiterreichende Rechnung, auf die neben dem Wirtschaftlichkeitsaspekt auch aus Praktikabilitätsgründen und möglichen Verständnisproblemen von Unternehmensleitung und Mitarbeitern zunächst verzichtet werden sollte. Vor dem Hintergrund der begrenzten Ressourcen in mittelständischen Industrieunternehmen wird die Einführung der Prozesskostenrechnung in vielen Fällen daher nicht in vollem Umfang erfolgen können, um die betriebliche Effizienz nicht zu reduzieren.
Die Prozesskostenrechnung kann in KMU allerdings zunächst parallel zur bisherigen Vollkostenrechnung zum Kennenlernen in einem separaten Bereich zur Analyse einzelner Hauptprozesse eingesetzt werden. Die erforderliche Datenbasis kann dabei erst einmal durch Schätzen gebildet werden, indem die betroffenen Kostenstellenleiter die Ressourcen ihrer Kostenstelle auf die entsprechenden Tätigkeiten aufteilen. Das bestehende Kostenstellendenken der Kostenstellenleiter ist durch eine prozessorientierte Denkweise abzulösen. Der Aufwand der Implementierung kann reduziert werden, indem auf eine laufende, prozessbezogene Abrechnung verzichtet wird. Die Produktpolitik kann mit der Prozesskostenrechnung im Sinne einer jährlichen Analyse unterstützt werden.
Die Prozesskostenrechnung stellt somit nicht nur eine Erweiterung der wünschenswerten KMU-Mindestausstattung im Bereich der Kosten- und Leistungsrechung dar, sondern ist auch für die Erkennung von Leerkosten und -kapazitäten in Gemeinkostenbereichen ideal. Es ist für mittelgrosse Unternehmungen überdies sinnvoll, sie in einer späteren Ausbaustufe in das Kostenrechnungssystem zu implementieren. Eine vorhandene Vollkostenrechnung sollte dann idealerweise mit der Prozesskostenrechnung kombiniert werden.
Fazit
Die Grundlage eines auf die Früherkennung von Unternehmensrisiken und zugleich entscheidungsorientierten Controllings bildet stets das System der Kosten- und Leistungsrechnung mit der Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung. Die traditionelle Vollkostenrechnung mit Istkosten hat ebenso elementare Bedeutung für KMU wie der Einsatz eines Verfahrens der Produktkalkulation und der kurzfristigen Erfolgsrechnung, der unternehmensindividuell festzulegen ist (Bardy, Rautenstrauch, Vanazzi, 2010).
Vor allem für die Risikofrüherkennung sind aber zukunftsgerichtete Kosteninformationen aus Grenzplankosten- und Deckungsbeitragsrechnung unbedingt wünschenswert. Der Aufwand für eine zukunftsgerichtete Kosten- und Leistungsrechnung muss allerdings in einem angemessenen Verhältnis zu dessen Nützlichkeit stehen. Anwendung und Umfang einer Kostenspaltung zur Bestimmung von Teilkosten, einer analytischen Ermittlung von Plankosten oder eines Einsatzes der Prozesskostenrechnung muss jedes Unternehmen für sich auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüfen.
Ein idealtypisches Kosten- und Erlöscontrolling für KMU gibt es bislang nicht. Der Auf- und Ausbau der Kosten- und Leistungsrechnung hat den Erfordernissen der Risikosituation des Unternehmens Rechnung zu tragen und sollte daher stets individuell erfolgen.
Wichtig erscheint zusätzlich, die Kosten- und Investitionsplanung inhaltlich zu verbinden, um durch die vielfältigen Schnittstellen zwischen beiden Bereichen auch Risiken erkennen zu können, die gegenseitige Abhängigkeiten aufweisen und nicht ausschliesslich in einem Bereich wirken.
Literaturverzeichnis
Bardy, R.; Rautenstrauch, T.; Vanazzi, M.: Betriebliches Rechnungswesen: Kostenrechnung verstehen, einführen und umsetzen. WEKA Business Media, Zürich 2010.
Dickhardt, R.; Jung Erceg, P.; Kinkel, S.; Lay, G.:
Kostenerfassung produktbegleitender Dienstleistungen in einem Industriebetrieb. In: Controlling & Management, 48. Jg. (2004), Hf. 2, S. 134-139.
Hemmerich, F.:
Nachfragemacht und Kundenerfolgsrechnung. In: Controller Magazin, 28. Jg. (2003), Hf. 3, S. 211-215.
Rautenstrauch, T./ Müller, C.:
Stand und Entwicklung des Kosten- und Erlöscontrolling in kleinen und mittleren Unternehmen, Der Betrieb (DB), Hf. 36, 2006, S. 1616-1623.
Scheld, G. A.:
Kosten- und Leistungsrechnung für KMU´s. In: Controller Magazin, 26. Jg. (2001), Hf. 4, S. 348-356.