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Coaching als Führungsstil: So gelingt der Wechsel vom Chef zum Coach

Erfolgreiche Führungskräfte sind jene, die flexibel sind und verschiedene Führungsstile beherrschen. Einer der effektivsten Führungsstile ist Coaching. Der Beitrag zeigt, wie der Rollenwechsel vom Vorgesetzten zum Coach gelingt und welche Rolle dabei aktives Zuhören und wirkungsvolles Fragen spielen.

20.03.2024 Von: Markus Seitz
Coaching als Führungsstil

Geforderte Führungskraft

Die Erwartungen an eine Führungskraft sind heutzutage hoch. Zum einen soll sie ihre Aufgaben erledigen, Ziele erreichen und Resultate erzielen, zum andern sich und ihre Mitarbeitenden ständig fördern, ermächtigen und weiterentwickeln. Wie soll das gelingen, wenn zugleich Wett­bewerbs- und Innovationsdruck steigen, die Transformationsgeschwindigkeit zu­nimmt, Organisationen flacher, flexibler und netzwerkorientierter agieren und Entscheidungsprozesse komplexer wer­den? Nachdem der Job erledigt ist und die To-do-Liste abgearbeitet, bleibt oft wenig Zeit zur Entwicklung von sich und andern.

Keine Patentrezepte

Es gibt keine Patentrezepte zur Bewäl­tigung komplexer Führungssituationen. Je grösser das Verhaltensrepertoire der Führungskraft ist, desto eher ist sie auch für Unvorhergesehenes gewappnet. Eine Pianistin wird weniger virtuos, wenn sie nur schwarze oder weisse Tasten spielt. Virtuosität erlangt sie, wenn sie die gan­ze Bandbreite der Klaviatur beherrscht und ein Gefühl für Rhythmus und Into­nation entwickelt. Daniel Goleman, der den Begriff der «emotionalen Intelligenz» populär gemacht hat, unterscheidet ins­gesamt sechs Führungsstile.' Er kommt zum Schluss, dass Führungskräfte, die mehrere Führungsstile beherrschen und über emotionale Intelligenz verfügen, den grössten Einfluss auf die finanziellen Ergebnisse und das Arbeitsklima haben. Coaching ist einer der effektivsten Füh­rungsstile, der jedoch am wenigsten ge­nutzt wird.

Was ist Coaching, und warum wird es als Führungsstil so wenig genutzt?

Coaching kann als Partnerschaft zwi­schen Coach und Coachee mit dem Ziel verstanden werden, den Coachee in einem stimulierenden und kreativen Prozess zu inspirieren, sein persönliches und berufliches Potenzial zu maximieren.' Die wichtigsten Coaching-Kompetenzen sind dabei aktives Zuhören, wirkungs­volles Fragen und verständnisfördernde Kommunikation. Das klingt einfach. Coaching als Führungsstil ist aber schwierig, weil Fragen und Zuhören weniger zum Selbstverständnis einer Führungskraft gehören, sondern eher das Anleiten und Beraten. «Ich habe etwas zu sagen» und «Ich habe das Sagen». Coaching setzt ein Vertrauensverhältnis zwischen Coach und Coachee voraus und basiert auf der Eigenmotivation und Selbstverantwor­tung des Coachees. Die coachende Per­son stellt weder die eigenen Interessen als Führungskraft noch die Unterneh­mensziele in den Vordergrund, sondern konzentriert sich offen, neugierig und vorurteilsfrei auf die Herausforderungen und Entwicklungsbestrebungen der Mit­arbeitenden. Die Führungskraft unter­stützt einen selbstmotivierten Lernpro­zess in die zukünftige Entwicklung und Entfaltung der Mitarbeitenden.

Die innere Haltung

Coaching als Führungsstil braucht Zeit und Musse und wurzelt in einer inneren Haltung, die dem Gegenüber zugewandt, partnerschaftlich und wertschätzend be­gegnet. Es stellt sich deshalb weniger die Frage, ob eine Führungskraft wichti­ge Coachingkompetenzen lernen kann, sondern ob sie ihren Mitarbeitenden ge­genüber positiv und offen begegnet und von ihren Fähigkeiten überzeugt ist. Bin ich als Führungskraft ehrlich interessiert an den Mitarbeitenden und IHREN An­liegen? Bin ich als Führungskraft zutiefst davon überzeugt, dass meine Mitarbei­tenden in der Lage sind, sich mit ihren Zielen zu identifizieren, Lösungen zu entwickeln und ihre Arbeit selbstständig zu erledigen? Kann ich als Führungskraft delegieren, Freiräume geben und Ge­staltungsmöglichkeiten bieten? Möchte ich als Führungskraft, dass meine Mitar­beitenden ihr volles Potenzial entfalten, auch wenn sie dadurch besser werden als ich? Wie stark ist mein Bedürfnis, als Füh­rungskraft zu kontrollieren, als Experte zu beraten und anzuleiten und als Manager ständig präsent zu sein?

Die Führungskraft als Coach

Eine Führungskraft kann unterschiedli­che Rollen wahrnehmen, z.B. Mentor, Experte, Trainer, Coach, Berater und Vor­gesetzter. Der Rollenwechsel vom Vorge­setzten zum Coach bringt Spannungen mit sich. Die Beziehung zwischen Coach und Coachee wird getragen von Vertrau­en, Unvoreingenommenheit, Offenheit und einer symmetrischen partnerschaft­lichen Interaktion auf Augenhöhe. Im Mittelpunkt stehen Herausforderungen, Entwicklung und Potenzialentfaltung des Coachees. Insbesondere die diszip­linarische Führungsbeziehung ist dem­gegenüber asymmetrisch. Auch wenn das Machtgefälle zwischen Führungs­kräften und Mitarbeitenden in flachen Hierarchien nicht immer offensichtlich ist, bestehen (auch rechtliche) Zustän­digkeiten und Verantwortlichkeiten. Ein Coachingprozess ist ergebnisoffen und braucht Fokus und Zeit. Es braucht Geduld, auch mit sich selbst, um aktiv zuzuhören und effektiv zu fragen. Die Versuchung ist gross, Fachwissen zu de­monstrieren, Ratschläge und Anweisun­gen zu geben oder schnelle Lösungen zu empfehlen. Schlimmstenfalls besteht die Gefahr von Vertrauensmissbrauch, Verantwortungsdiffusion und Manipu­lation. Rollenkonflikte können ent­schärft werden, indem sie thematisiert und die Rollen transparent gemacht werden. Hilfreich kann auch die Beant­wortung der Fragen sein, was für die Führungskraft auf dem Spiel steht und wer tatsächlich das thematisierte Pro­blem hat — die Führungskraft oder der Mitarbeiter.

Coaching als Führungsstil

Nicht jede Führungssituation lässt sich coachend bewältigen. Es gibt Situatio­nen, in denen die Führungskraft aufge­fordert ist, Visionen und Entscheide zu kommunizieren oder Empfehlungen und Anweisungen zu geben. Darüber hinaus gewinnt die Führungskraft an Wirkung, Authentizität und Loyalität, wenn sie sich fragend und zuhörend ihren Mitarbei­tenden zuwendet. Eine leichte Gewichts­verlagerung vom Sagen zum Fragen und vom Sprechen zum Zuhören kann sich be­reits positiv auf Selbstmotivation, Empowerment und die zukünftige Entwicklung und Potenzialentfaltung der Mitarbeiten­den auswirken. Dem möglichen Verlust an Positionsmacht und Autorität steht ein Gewinn an Vertrauen und Selbstverant­wortung der Mitarbeitenden gegenüber. Coaching als Führungsstil ist gelebte So­zialkompetenz. Der Einstieg ist einen Ver­such wert und kann mit wenigen Fragen gelingen.'

Abschliessende Bemerkungen

Je nach Unternehmenskultur besteht ei­ne unterschiedliche Offenheit gegenüber Coaching. Unabhängig davon kann die einzelne Führungskraft als «Influencer» den Umgang mit Coaching beeinflussen, indem sie eigene Coaching-Erfahrungen teilt, Coaching-Angebote im internen HR anregt oder externes Coaching emp­fiehlt. Ein coachender Führungsstil lässt sich ohne formales Coaching-Setting pflegen. Einem coachenden Führungsstil kann sich eine Führungskraft (je nach emotionaler Intelligenz und Sozialkompetenz) auch selbstlernend und übend annähern. Die innere Haltung und die Fähigkeit, aktiv zuzuhören und wirkungsvolle Fragen zu stellen, wachsen mit der Erfahrung im Führungsalltag. Als Voraussetzung für ein formelles Coaching wird jedoch eine anerkannte Coachingausbildung emp­fohlen, damit die Führungskraft die Rolle des Coaches wahrnehmen kann. Die 4 Ms «Man muss Menschen mögen» sind eine gute Voraussetzung für eine Führungs­kraft. Coaching als Führungsstil erfordert allerdings mehr als «mögen», nämlich Empathie, Wertschätzung, unvoreinge­nommene Offenheit und die Fähigkeit, sich und andern zu vertrauen.

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