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Feedbackkultur: Perspektivenwechsel durch die Generation Z

Der Beitrag zeigt die Bedeutung von Feedbackkultur allgemein und speziell für die Generation Z; die Generation, die aktuell auf den Arbeitsmarkt strömt und zunehmend die Fachkräfte stellt. Für das HR gilt es in dieser Generation erfolgreich zu rekrutieren und die jungen Fachkräfte nachhaltig an das eigene Unternehmen zu binden. Das gelingt nur mit einer zeitgemässen Unternehmens- respektive Führungskultur und damit auch Feedbackkultur.

26.03.2024 Von: Susan Göldi, Prof. Claude Wagner
Feedbackkultur

Feedback und Fehler

«Nicht geschimpft ist genug gelobt» – dies ist eine deutsche Redewendung. Sie bezeugt eine tief verankerte kulturelle Grunddisposition der Menschen im DACH-Raum. Wir haben dann ein Bedürfnis nach einer Rückmeldung, wenn etwas nicht so läuft, wie wir es erwarten, erhoffen und wünschen. Wir reagieren auf «Fehler». Dass der Fehler hier in Anführungs- und Schlusszeichen steht, ist Absicht. Dies aus zwei Gründen:

  • Was ein Fehler ist, ist immer eine Frage der Perspektive, der Umstände und des Kontexts. Nicht selten stellt sich ein «Fehler» im Nachhinein als grosses Glück heraus und umgekehrt: Was kurzfristig richtig schien, erweist sich langfristig als Riesenfehler. Ein sehr bekannter und segensreicher «Fehler» hat der Menschheit z. B. die Entdeckung des Penicillins gebracht. Die angebliche «Fehlerlosigkeit» der Titanic hat ihren Untergang eingeleitet. 
  • Fehler werden trotz Wissen gemacht oder sie sind Teil eines Try-&-Error-Prozesses. Diese Unterscheidung ist wichtig: Fehler trotz Wissen sind Warnsignale, gerade wenn sie gehäuft und in einem kurzen Zeitraum auftreten. In einem Gespräch muss der Ursache, z. B. für den Konzentrationsmangel, auf den Grund gegangen werden, dann ist Zuhören wichtiger als Reden. Bei Fehlern ohne Wissen sprechen wir auch von Irrtum. Der Fehler gehört damit mehr in eine persönliche Entwicklung, der Irrtum ist auch Teil eines kollektiven Lernprozesses. Beide haben grosse Bedeutung für Leistungs- und Arbeitsprozesse, aber Schimpfen, Schuldzuweisungen und Stigmatisieren führen genauso sehr ins Abseits wie Unterdrücken und Totschweigen (mehr dazu in Wagner & Göldi 2021).

Das Nachdenken über Fehler und Irrtümer lohnt sich für Unternehmen im Tagesgeschäft genauso wie in der strategischen Arbeit. Der Instinkt, auf wahrgenommene Fehler zu reagieren, ist demnach sinnvoll und zielführend – allerdings nicht ausreichend für eine zeitgemässe Unternehmenskultur.

Perspektivenwechsel von Negativ- zu Positiv-Feedback

Während der Instinkt durch das Negativ- Szenario (Reaktion auf «Fehler» und Schuldzuweisung) geleitet ist, beinhaltet Kultur auch das Positiv-Szenario. Insbesondere jüngere Mitarbeitende haben ein tiefes Bedürfnis nach Bestätigung und Wertschätzung. Bleiben diese komplett aus, werden sie in ihrer Schaffenskraft gehemmt, ihre intrinsische Motivation (Freude, Wille, Neugier) wird blockiert, und Gefühle der Selbstwirksamkeit werden reduziert (vgl. dazu auch Wagner & Göldi 2022). Deshalb ist die deutsche Redewendung definitiv falsch: Nicht geschimpft ist NICHT genug gelobt.

Bei Einarbeitungsprozessen und bei der Personalentwicklung geht es aus Führungs- und HR-Perspektive darum, aufmerksam zu sein und Beachtung zu schenken und nicht nur bei Fehlverhalten einzugreifen. Das Kümmern um Disziplinarprozesse mit Aktennotizen, Verwarnungen und Kündigungen ist ein Kerngebiet im HR, kaum aber das Entscheidende. Denn bevor Konflikte eskalieren und in die HR-unterstützte Abwärtsspirale führen, können diese mit Feedbackgesprächen behoben werden bzw. muss der Versuch dazu unternommen und unterstützt werden. Es ist logischerweise günstiger, einmal rekrutierte und eingearbeitete Mitarbeitende zu behalten als neue zu rekrutieren und einzuarbeiten – vor allem dann, wenn der Grund für die Fluktuation nicht bei Mitarbeitenden, sondern in der Unternehmenskultur oder bei einer Führungskraft liegt. Dazu braucht es einen grundlegenden Wandel zu einer wertschätzenden Unternehmenskultur.

Wertschätzung und die Generation Z

Haller (2019) startet seine Pyramide der Wertschätzung mit Aufmerksamkeit und Achtsamkeit. Sie sind Voraussetzung für jede gelingende Interaktion zwischen Menschen. In der Pädagogik wurde das schon vor langer Zeit erkannt und mittlerweile ist die Erkenntnis in den Schulen angekommen. Das heisst z. B. Lust, Freude und Leistung werden wahrgenommen und ausgesprochen, aber auch Ängste und Unsicherheiten Einzelner werden ernst genommen, Spannungen und Konflikte in der Gruppe werden thematisiert. Damit wachsen junge Menschen heran, die selbst ein kultiviertes Feedbackverhalten erfahren und erlernt haben. Die Generation Z hat gelernt, über Stärken und Schwächen zu sprechen und sich dadurch persönlich und als Gruppe zu entwickeln.

Unternehmen, die im «Geschimpft ist genug gelobt»-Modus verharren, erscheinen den neuen Arbeitskräften aus der Generation Z wie Dinosaurier. Sie gehören einer überholten Arbeitswelt an, auf die sich kaum jemand freut und einstellen möchte. In Hallers Pyramide der Wertschätzung folgen auf Aufmerksamkeit und Achtsamkeit der Respekt und die Anerkennung. Erst auf der Grundlage aller vier ergibt sich Wertschätzung. Während für frühere Generationen Respekt mehr mit Standesdenken verbunden war, haben moderne Menschen ein anderes Konzept von Respekt. Er wird nicht mehr nur einer höhergestellten Person entgegengebracht und dient auch nicht mehr in erster Linie dazu, kein Missfallen zu erregen. Respekt bedeutet heute viel mehr ein tolerantes und anerkennendes Verhalten allen Mitarbeitenden gegenüber. Respekt dient dazu, im Miteinander zu guten Entscheidungen und Lösungen zu kommen. Das moderne Konzept von Respekt harmoniert am besten mit einer kooperativen oder zumindest partizipativen Führungskultur.

Führungs- und Feedbackkultur

Die zu Beginn erwähnte Redewendung gehört in eine autoritäre Führungskultur. Eine Autorität – die Führungskraft – weiss immer alles, definiert und bezeichnet die Fehler und steuert rein über Kontrolle und Negativ-Feedback. In einer komplexen, hochtechnischen Welt von Fachkräften kann das nicht mehr funktionieren. Das mit dem autoritären Führungsstil verbundene Menschenbild von Menschen als reinen Lohnempfangenden und ein tiefes Misstrauen als Grunddisposition aller Beziehungen muss wirtschaftlich ins Abseits führen. Weder können für eine solche Kultur Mitarbeitende gewonnen werden, noch lassen sich diese halten und zu Bestleistungen animieren.

Schimpfen ist kein Erfolgsrezept, Feedback geben hingegen schon. Das aufmerksame Beobachten, das informierte Einordnen von Beobachtungen, das sachliche Ansprechen von Erfolgen und Irrtümern und das gemeinsame Lösen von Problemen bilden die Basis einer modernen Führungsarbeit. Das setzt ein positives Menschenbild voraus, in dem Menschen als engagiert gelten und Vertrauen verdienen. Wie wird diese Kultur mittels Feedback gelebt?

  • Es braucht viel unmittelbares Feedback im Sinne von Bestätigung und Wertschätzung durch Führungskräfte und Peers. Zwei Mitarbeitendengespräche jährlich reichen dafür nicht. Es braucht zahlreiche informelle und formelle Gefässe wie z. B. gemeinsame Pausen, gemeinsame Anlässe und regelmässig moderierte Teamsitzungen, um Anerkennung zu zeigen und Wertschätzung explizit zu formulieren. 
  • Es braucht systematisches und gemeinsames Aufdecken von Irrtümern durch die moderierte Reflexion von Arbeitsprozessen, Strukturen und Rollen. Das agile Management nimmt sich genau dieser Thematik an und passt unternehmerische Bedingungen beständig dem Markt und den Menschen an. Wenn sich auch nicht alle Unternehmen in Richtung agiles Management transformieren wollen und können, so braucht es gleichwohl Schritte hin zur Agilität. Dass z. B. Führungsrollen über Jahrzehnte von den gleichen Personen besetzt sind, erscheint jungen und modernen Menschen zunehmend unglaubwürdig. Dass ein Stellenprofil über Jahrzehnte unverändert bleibt, ist wohl nur noch in sehr wenigen Branchen adäquat. 
  • Es braucht eine weniger kritische Feedbackkultur beim Ansprechen von Fehlern in Kombination mit viel Wertschätzung, insbesondere bei der Generation Z. Wie diese Ansprache erfolgen kann, dafür gibt es einige Varianten vom «Swiss way» bis hin zu interkulturell reflektierten Optionen (mehr dazu im Beitrag von Göldi & Moser 2023).

Fazit

Nicht schimpfen ist NICHT genug gelobt! Schimpfen und Schuldige suchen ist ein überkommenes Konzept aus einer autoritären Arbeitswelt. Die bis dato am besten ausgebildete Generation Z verlangt nach einem schnellen Umdenken in der Wirtschaft. Das HR ist in der Pflicht, eine Unternehmens-, Führungs- und Feedbackkultur zu gestalten, die Wertschätzung und gemeinsame Entwicklung fördert und so junge gut qualifizierte Fachkräfte anzieht und bindet.

 

ERWÄHNTE LITERATUR 
- Wagner, C. & Göldi, S. (2021) Gewaltfreie Kommunikation als Basis für Leistungsorientierung. HR-Developer 10/21, 6 f. 
- Wagner, C. & Göldi, S. (2022). Freude an der Arbeit zahlt sich aus. HR-Developer 08/22, 1 ff. 
- Haller, R. (2019). Das Wunder der Wertschätzung. 5. Auflage. GU-Verlag. 
- Göldi, S. & Moser, M. (2023). Gelingende Kommunikation dank interkultureller Kompetenz. HR-Developer 08/23, 7 f.

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