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Nachhaltigkeitsreporting: Neue Pflichten für den Verwaltungsrat

Nachhaltigkeitsreporting gehört derzeit zu den heiss diskutierten Themen in vielen Verwaltungsräten, da die schrittweise Einführung der CSRD neben neuen Berichterstattungspflichten auch ein neues Verständnis für Verwaltungsratsaufgaben erfordert und neue Verantwortung mit sich bringt. Zehntausende Unternehmen in der EU und darüber hinaus werden in naher Zukunft darüber berichten müssen, wie es um die Nachhaltigkeit in ihren Unternehmen wirklich steht. Oftmals als lästige Verpflichtung betrachtet, könnte sich der Aufwand für die Implementierung und Ausführung der Nachhaltigkeitsberichterstattung auch für das Unternehmen direkt lohnen.

02.04.2024 Von: Aurelia Kogler
Nachhaltigkeitsreporting

Einleitung Nachhaltigkeitsreporting

Kürzlich habe ich den Verantwortlichen für nachhaltige Entwicklung eines mittelgrossen Unternehmens darauf angesprochen, dass «seine» fünf auf der Homepage publizierten ESG-Ratings nicht gerade konsistent seien. Durch die grosse Divergenz der Ratings wäre der Adressat doch eher verwirrt anstatt informiert, meinte ich. Er stimmte mir zu, gab aber gleichzeitig zu bedenken, dass für jedes Rating andere Daten verwendet und diese mittels unterschiedlicher Methoden ausgewertet würden.

In dieser Intransparenz über die Datenquellen und Bewertungsmethoden liegt eine der grossen Herausforderungen im Ökosystem der Nachhaltigkeitskommunikation. Grundsätzlich werden für die Erstellung eines ESG-Ratings öffentlich zugängliche Informationen des Unternehmens verwendet, dazu können Medienberichte genauso gehören wie die von den Unternehmen publizierten Nachhaltigkeitsberichte.

Wie die Ratingagenturen diese Informationen dann auswerten und gewichten, liegt – derzeit noch – allein im Ermessen der jeweiligen Agentur und ist nur bedingt nachvollziehbar. Es kommt somit nicht ganz aus heiterem Himmel, dass die EU-Kommission sehr laut auch über eine Regulierung nachdenkt und am 15. Juli 2023 einen Gesetzesentwurf zur Verbesserung von ESG-Ratings im Sinne von mehr Transparenz und höherer Validität veröffentlicht hat.

Pflichten zur nichtfinanziellen Berichterstattung erheblich erweitert

Während ESG-Ratings sich vor allem an Investoren wenden und von unabhängigen, spezialisierten Ratingagenturen erstellt werden, wird der Nachhaltigkeitsreport – oder ESG-Report – vom Unternehmen selbst verantwortet und veröffentlicht. Im Nachhaltigkeitsreport werden nichtfinanzielle Informationen offengelegt, die für alle Interessengruppen eines Unternehmens relevant sein könnte.

Durch die vom EU-Parlament im Jahr 2022 verabschiedete Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ändern sich sowohl der Umfang und die Art der Nachhaltigkeitsberichterstattung tiefgreifend. Die Anforderungen an die Berichtslegung werden – für grosse Unternehmen effektiv mit der Berichterstattung 2024 – erheblich erweitert. Durch die schrittweise Ausweitung des Anwendungsbereichs über mehrere Jahre wird die CSRD für eine wachsende Anzahl von Unternehmen gelten. Neben den Unternehmen, die bereits unter die NFRD (Non-Financial Reporting Directive) fallen, wird die CSRD schliesslich auch KMUs sowie Nicht-EU-Unternehmen, die in der EU tätig sind, treffen.

«Outside-in» und «inside-out»

Das Reporting muss neben anderen Angaben auch Informationen zu den Nachhaltigkeitszielen und zu den wichtigsten nachteiligen Auswirkungen des Unternehmens enthalten.

Für die Implementierung eines entsprechenden Reportingwesens ist somit die Identifikation der relevanten Auswirkungen, in der Regel erfolgt dies mittels einer Wesentlichkeitsanalyse, erforderlich. In der CSRD ist das Konzept der Doppelten Wesentlichkeit («double materiality ») verankert. Dadurch werden Unternehmen verpflichtet, sowohl über die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens («outside-in») als auch über die Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten auf Gesellschaft und Umwelt («inside-out») zu berichten.

«Transparenz auf allen Kanälen»

Eines der Ziele der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist die Messbarkeit und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsleistungen. Aus einem reinen Kommunikationsthema mit kaum belastbaren Aussagen wird somit ein quantitativ nachvollziehbares Reporting, welches Unternehmen vor die Herausforderung der Datenbeschaffung stellt. Während an Informationen über den eigenen Energieverbrauch vergleichsweise einfach zu gelangen ist, wird die Informationsbeschaffung zum CO2-Ausstoss über die gesamte Lieferkette hinweg schon deutlich komplexer. Dazu kommt, dass Nachhaltigkeitsinformationen in Zukunft im Lagebericht und nicht mehr in einem separaten Report offengelegt werden müssen. Für die Unternehmen bedeutet die Einführung der CSRD zahlreiche neue Prozess- und Informationsschritte mit enormem Aufwand hinsichtlich Datenbeschaffung, Koordination und Kommunikation nach innen und nach aussen. Neben der faktischen Verpflichtung zur Integration von nachhaltigen Entwicklungszielen in die Strategie ergibt sich dadurch auch die Chance, organisatorische Silos aufzubrechen und an neu entstehenden Schnittstellen innovativ zu werden.

Lohnt sich der Aufwand?

Nicht für alle Unternehmen ist eine Nachhaltigkeitsberichterstattung obligatorisch, die Einführung erfolgt zudem schrittweise. In einem ersten Schritt sind vor allem grosse Unternehmen zur Offenlegung verpflichtet. Dennoch ergibt es auch für nicht dazu verpflichtete Unternehmen durchaus Sinn, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu messen und offenzulegen. Seitens des Markts werden die Erwartungen an die Nachhaltigkeitsbemühungen eines Unternehmens stetig höher, sodass entsprechende Massnahmen mitsamt der dazugehörenden Transparenz schon aus Reputationsgründen unverzichtbar sein werden. Für die Zukunft ist auch davon auszugehen, dass das Nachhaltigkeitsreporting, auf dem auch ESG-Ratings grösstenteils basieren, von entscheidender Bedeutung bei der Unternehmensfinanzierung sein wird, sei es als Information für die Risikobewertung von Banken und institutionellen Investoren oder als Entscheidungsgrundlage für Förderungen von öffentlichen Geldgebern.

Wer prüft die Nachhaltigkeitsberichterstattung?

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird einer externen Prüfpflicht unterliegen, auch wenn noch nicht reguliert ist, wem das Erbringen von Bestätigungsleistungen gestattet sein wird. Darüber entscheiden die jeweiligen EUMitgliedstaaten. Vorerst ist eine Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung lediglich mit begrenzter Sicherheit vorgesehen, allerdings ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Prüfniveau auf eine Aussage mit hinreichender Sicherheit angehoben wird.

Ohne Nachhaltigkeitskompetenz geht nichts mehr im Verwaltungsrat

Die CSRD fordert in der Berichterstattung auch Angaben zur Rolle von Vorstand und Verwaltungsrat in Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsthemen. So liegt die Sicherstellung interner Kontrollsysteme in Bezug auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie des Risikomanagementsystems in der Verantwortung des Verwaltungsrats. Dies ist nur möglich, wenn sowohl Geschäftsleitung als auch Verwaltungsräte über entsprechende Fachkompetenzen verfügen. Veränderungen in der Boardzusammensetzung sind in vielen Unternehmen damit fast schon vorprogrammiert.

Unternehmen sind durch die CSRD auch verpflichtet, explizit Stellung zur Resilienz des Geschäftsmodells zu nehmen. Damit sind die höchsten Gremien gezwungen, sich intensivst mit strategischen Aspekten auseinanderzusetzen und Fragen zu beantworten, die teilweise noch nicht gestellt sind. Nur so kann das Business im Sinne der Nachhaltigkeit an die Erfordernisse der Zeit angepasst werden.

Für zigtausende Unternehmen in Europa bedeutet dies nun, sich auf die entsprechenden Offenlegungs- bzw. Berichtspflichten einzustellen und entsprechende Kompetenzen aufzubauen. Für Führungsgremien, für die Nachhaltigkeitsberichterstattung Neuland ist und in deren Wirkungskreis entsprechende Reportingsysteme erst noch implementiert werden müssen, sind sowohl die Herausforderung als auch der personelle und zeitliche Aufwand beträchtlich. Der späteste Zeitpunkt für die betroffenen Unternehmen, sich damit auseinanderzusetzen, ist jetzt.

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