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Missbräuchliche Kündigung: Wann liegt eine vor und wann nicht?

Die Frage, ob eine missbräuchliche Kündigung vorliegt und welche Folgen diese mit sich bringt, tritt regelmässig in der Personalarbeit auf. In diesem Beitrag werden diverse Fragen zur missbräuchlichen Kündigung beantwortet.

10.04.2024 Von: Ilknur Özcan, Marc Ph. Prinz
Missbräuchliche Kündigung

Wann liegt eine missbräuchliche Kündigung vor?

In der Schweiz gilt grundsätzlich die Kündigungsfreiheit, d.h. ein Arbeitsverhältnis kann ohne Angabe von besonderen Gründen unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Frist gekündigt werden. Eine Ausnahme gilt nur bei Missbräuchlichkeit der Kündigung. Art. 336 OR nennt einige Fälle von missbräuchlichen Kündigungsgründen, wobei diese Aufzählung nicht abschliessend ist. 

Gesetzliche Missbrauchstatbestände

Wie ausgeführt, enthält Art. 336 OR eine nicht abschliessende Liste, bei deren Vorliegen die Missbräuchlichkeit einer Kündigung angenommen wird. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses gilt demnach als missbräuchlich: 

  • Bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen einer Eigenschaft, die einer Person kraft ihrer Persönlichkeit zusteht (z.B. Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung, Alter, Gesundheitszustand etc.). Eine Missbräuchlichkeit entfällt in solchen Fällen jedoch, wenn diese Eigenschaft im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht oder die Zusammenarbeit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt. 
  • Bei einer Kündigung, die wegen der Ausübung eines verfassungsmässiges Recht ausgesprochen wird, es sei denn, die Rechtausübung verletze eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb.
  • Bei einer Kündigung, die ausschliesslich um die Entstehung von Ansprüchen der anderen Partei aus dem Arbeitsverhältnis zu vereiteln, ausgesprochen wird (sog. Vereitelungskündigung). 
  • Bei einer Kündigung, die ausgesprochen wird, weil die andere Partei nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend macht (sog. Rachekündigung).
  • Bei einer Kündigung, die ausgesprochen wird, weil die andere Partei schweizerischen obligatorischen Militär- oder Schutzdienst oder schweizerischen Zivildienst leistet oder eine nicht freiwillig übernommene gesetzliche Pflicht erfüllt.
  • Bei einer Kündigung des Arbeitgebers aufgrund einer fehlenden oder bestehenden Gewerkschaftsangehörigkeit oder Ausübung einer rechtmässigen, gewerkschaftlichen Tätigkeit.
  • Bei einer Kündigung des Arbeitgebers eines gewählten Arbeitnehmervertreters eines betrieblichen oder in einer dem Unternehmen angeschlossenen Einrichtung, sofern der Arbeitgeber nicht beweisen kann, dass er einen begründeten Anlass zur Kündigung hatte.
  • Bei einer Massenentlassung, sofern die Konsultationspflichten zur Massenentlassung nicht eingehalten worden sind.

Eine besondere Form der Rachekündigung enthält das Gleichstellungsgesetz (GlG) in Art. 10 GlG. Gemäss Art. 10 GlG ist nämlich die Kündigung eines Arbeitgebers anfechtbar, wenn sie ohne begründeten Anlass auf eine innerbetriebliche Beschwerde über eine Diskriminierung oder auf die Anrufung der Schlichtungsstelle oder des Gerichts durch einen Mitarbeitenden folgt. Der Kündigungsschutz gilt für die Dauer eines innerbetrieblichen Beschwerdeverfahrens, eines Schlichtungs- oder eines Gerichtsverfahrens sowie sechs Monate darüber hinaus.

Weitere Missbrauchsfälle

Neben diesen gesetzlichen Missbrauchstatbeständen kann sich die Missbräuchlichkeit der Kündigung auch aus der Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) ergeben. Eine Missbräuchlichkeit kann sich beispielsweise aus der Art und Weise der Ausübung des Kündigungsrechts bspw. bei älteren, langjährigen Mitarbeitenden, bei Kündigungen in Konfliktsituationen am Arbeitsplatz oder bei Änderungskündigungen ergeben. 

Frage: Was ist bei der Kündigung von älteren, langjährigen Mitarbeitenden zu beachten?

Antwort: Bei älteren, langjährigen Mitarbeitenden ist der Art und Weise der Kündigung besondere Beachtung zu schenken. Den Arbeitgeber trifft bei älteren (mindestens 58 Jahre) Mitarbeitenden mit langer Betriebszugehörigkeit (über mindestens 12 bis 15 Dienstjahre) eine erhöhte Fürsorgepflicht. Eine Kündigung von älteren, langjährigen Mitarbeitenden kann daher als missbräuchlich betrachtet werden, wenn die Kündigung einzig aufgrund des Alters und/oder den Leistungen ausgesprochen wird. Die Kündigung ist jedoch nicht missbräuchlich, wenn die Mitarbeitenden rechtzeitig über die beabsichtigte Kündigung informiert und angehört werden und der Arbeitgeber andere Lösungen gesucht hat, welche eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses ermöglichen. Beispielsweise muss der Arbeitgeber dem Mitarbeitenden die Möglichkeit gegeben haben, sich zu verbessern oder nach einer alternativen Anstellung im Betrieb gesucht haben. 

Das Bundesgericht hat jedoch in zwei eher neueren Entscheiden betreffend die Kündigung von zwei CEOs (nochmals) explizit festgehalten, dass der konkrete Einzelfall zu betrachten und eine Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen sei. Es kann somit keine isolierte Betrachtung des Alters und der Dienstjahre stattfinden und automatisch auf einen Anspruch auf Anhörung und mildere Massnahmen geschlossen werden. Vielmehr ist auch die Stellung des Mitarbeitenden im Betrieb, die unter Umständen eine anderweitige Beschäftigung (praktisch) gänzlich ausschliesst, und die damit einhergehenden Pflichten und die erhöhte Verantwortung zu beachten. In diesem Fall muss keine Verbesserungsmöglichkeit gegeben bzw. keine vorgängige Verwarnung ausgesprochen, keine anderweitige Beschäftigung gesucht und keine vorgängige Anhörung durchgeführt werden.

Frage: Was ist bei Konflikten am Arbeitsplatz zu beachten?

Antwort: Die Kündigung eines Mitarbeitenden ist rechtmässig, wenn (wegen dessen schwierigen Charakters) eine konfliktgeladene Situation am Arbeitsplatz entstanden ist, die sich schädlich auf die gemeinsame Arbeit auswirkt. Allerdings muss der Arbeitgeber vorher sämtliche zumutbaren Vorkehrungen getroffen haben. Anderenfalls kann die Kündigung als missbräuchlich eingestuft werden. Geeignete Massnahmen sind bspw. Gespräche, Verhaltensanweisungen, Coaching, Zielvorgaben, Verwarnungen etc., wobei die Eignung und die Zumutbarkeit im Einzelfall anhand der konkreten Umstände zu prüfen sind.

Frage: Was ist bei Änderungskündigungen zu beachten?

Antwort: Möchte der Arbeitgeber einseitig für den Arbeitnehmer nachteilige Vertragsänderungen durchsetzen, so kann er eine sog. Änderungskündigung aussprechen. Solche Änderungskündigungen sind zulässig, sofern:

  • die vertragliche Kündigungsfrist eingehalten wird, d.h. die geänderten Vertragsbedingungen erst nach Ablauf der Kündigungsfrist umgesetzt werden;
  • dem Mitarbeitenden eine angemessene Bedenkzeit eingeräumt wird; und 
  • die Änderungskündigung auf betriebliche oder wirtschaftliche Gründe zurückzuführen ist. 

Sind diese Bedingungen nicht eingehalten, ist die Änderungskündigung als missbräuchlich einzustufen.

Frage: Wer trägt die Beweislast für die Missbräuchlichkeit der Kündigung? 

Antwort: Die Beweislast für die Missbräuchlichkeit der Kündigung liegt bei der Person, welche die Missbräuchlichkeit der Kündigung geltend macht. Sie muss substantiiert darlegen und beweisen, dass ein Missbrauchstatbestand erfüllt ist und dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Missbrauchstatbestand und der Kündigung besteht.

Frage: Welches formelle Vorgehen ist bei Geltendmachung der Missbräuchlichkeit einer Kündigung zu beachten?

Antwort: Wer die Missbräuchlichkeit einer Kündigung geltend machen will, muss in erster Linie das Verfahren einhalten. Art. 336b OR sieht vor, dass man längstens bis zum Ende der Kündigungsfrist beim Kündigenden schriftlich Einsprache erheben muss. Das Arbeitsgericht Zürich erachtet insbesondere Einsprachen in Form von E-Mails nicht als genügend ein, sondern verlangt eine handschriftlich oder mittels qualifizierter elektronischer Signatur unterzeichnete Erklärung (vgl. Entscheide des Arbeitsgerichts Zürich 2010 Nr. 16). Die Einsprache muss klar zum Ausdruck bringen, dass der Einsprecher gewillt ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen und dass er mit der Kündigung nicht einverstanden ist (und nicht nur bloss mit deren Begründung). 

Nachdem die Einsprache gültig erfolgt ist und die Parteien sich nicht über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geeinigt haben, so muss der Einsprecher innert 180 Tagen seit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Klage anhängig machen, ansonsten ist sein Anspruch verwirkt.  

Frage: Was sind die Folgen einer missbräuchlichen Kündigung?

Antwort: Wird eine Kündigung nachträglich als missbräuchlich eingestuft, so ist die Kündigung dennoch wirksam und das Arbeitsverhältnis endet mit dem Ende der Kündigungsfrist. Die Sanktion für die missbräuchliche Kündigung ist lediglich die Leistung einer Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen (Art. 336a OR). Bei der Missbräuchlichkeit wegen Nichteinhalten der Konsultationspflichten zur Massenentlassung beträgt die Maximalentschädigung zwei Monatslöhne. Die Höhe der Entschädigung wird vom Gericht festgelegt und beträgt in der Regel zwei bis drei Monatslöhne. Eine Ausnahme bildet lediglich die Kündigung gemäss Art. 10 GlG. In diesen Fällen kann der Mitarbeitende die Kündigung anfechten und beantragen, die Kündigung aufzuheben oder auf eine Wiederanstellung verzichten und eine Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen verlangen.

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