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Lohntransparenz: Die Vor- und Nachteile für die Praxis

In der Schweiz spricht man noch immer wenig über das Thema Lohn. Doch die Erwartungshaltung von Stakeholdern und Arbeitnehmenden wandelt sich. Auch Schweizer Unternehmen setzen vermehrt auf eine liberalere resp. offenere Entlohnungspolitik — das Thema Lohntransparenz rückt zusehends in den Fokus.

11.10.2022 Von: Marion Mathis
Lohntransparenz

Als Teil der Equal Pay International Coalition (EPIC) und der UN 2030 Agenda ist equal pay for work of equal value eines der Kernziele, das bis zum Jahr 2030 umgesetzt werden soll. Die Schweiz hat sich der EPIC angeschlossen und sich damit für die Realisierung von deren Zielen ausgesprochen. Pay Transparency wird in Bezug auf Lohndiskriminierung häufig als Lösungsansatz beworben. In der Tat zeigen Untersuchungen aus dem Ausland, dass mit der Einführung von Transparenz-Gesetzen eine Reduktion des Pay Gaps erreicht werden kann.

Diese anhaltende Debatte zum Thema Lohndiskriminierung, veränderte Ansprüche von (zukünftigen) Mitarbeitenden sowie der vereinfachte Zugang zu Lohninformationen bspw. über lohndatenteilende Karriereplattformen führen zum wachsenden Druck auf Unternehmen, sich bezüglich des Faktors Lohn zu öffnen und stärkere Aufmerksamkeit auf faire Compensation Practices zu richten. Doch stellt Lohntransparenz eine kontroverse Thematik dar. Tatsächlich sind die Erfahrungswerte in Bezug auf die möglichen Vor- und Nachteile eines offeneren Lohnsystems und deren Auswirkungen uneinheitlich.

Was gilt es zu beachten?

Pay Transparency ist eng verflochten mit der Kultur einer Unternehmung und wofür sie stehen will. Dies kann bei Talenten auf dem Arbeitsmarkt einen entscheidenden Faktor bei der Wahl des zukünftigen Arbeitgebenden darstellen und zugleich die Zufriedenheit und Motivation der bestehenden Belegschaft bedeutsam prägen; ein besonders in Zeiten des Fachkräftemangels zentraler Punkt. In diesem Zusammenhang sind auch Vorgesetzte immer stärker gefordert. Sie müssen die Anliegen ihrer Mitarbeitenden ernst nehmen und die in Bezug auf Lohntransparenz neu geschaffenen Pay Principles erfolgreich umsetzen sowie aussagekräftige und nachvollziehbare Lohngespräche führen, um das Vertrauen in sie und die Unternehmung mit ihren Prozessen sicherzustellen. Gleichzeitig nehmen HR Professionals eine entscheidende Rolle beim Thema Lohntransparenz ein. Nicht nur müssen sie sich der rechtlichen Erfordernisse bewusst sein, sondern auch Vorgesetzte bestmöglich im Prozess begleiten und aktiv daran arbeiten, ungerechtfertigte Lohnunterschiede sowie deren Faktoren in ihrem Unternehmen zu identifizieren und zu adressieren.

Vor- und Nachteile auf einen Blick

Die Chancen und Risiken von Lohntransparenz sind vielschichtig und keinesfalls im gleichen Masse auf jede Unternehmung bzw. Belegschaft zutreffend. Die Lohnsysteme der Zukunft müssen deshalb nicht einfach offener, sondern mitarbeitendenorientierter, agiler und individueller werden, um als erfolgssichernde Massnahme bzw. substanzieller Wettbewerbsvorteil im Zusammenhang mit Employer Branding, Retention Management und Talent Attraction im hart umkämpften Arbeitsmarkt zu bestehen. Den diesbezüglichen Einfluss von Lohntransparenz bspw. auf die Reputation und Attraktivität einer Unternehmung gilt es entsprechend einzubeziehen. Fakt ist, dass das Thema Vergütung nach wie vor ein Top Attraction Driver ist. Unternehmen müssen sich vermehrt und wiederkehrend mit den Interessen ihrer Belegschaft bzw. zukünftiger Mitarbeitenden auseinandersetzen, um den für sie «richtigen» Ansatz zu finden und den Zufriedenheitsnormen von morgen gerecht zu werden.

Vor- und Nachteile von Pay Transparency

Vorteile

Nachteile

Reduktion ungerechtfertigter Lohnunterschiede Weniger «Organizational Control»
Verbesserte Nachvollziehbarkeit Lohnsystem Konflikte am Arbeitsplatz – Neid zwischen Mitarbeitenden
Stärkung Fairness-Wahrnehmung und Vermeidung «biased decisions» Forcierung Lohngerechtigkeit fördert u.U. mittelmässige Löhne und schafft evtl. Wettbewerbsnachteile
Positive Signalwirkung und Kultur des Vertrauens Lohnmaxima können High Performers abschrecken
Kompassfunktion bei Karriereentscheiden Schutz von Daten und Privatsphäre (Transparenz indiv. Lohndaten)

Empfehlungen für die Praxis (Erfolgsfaktoren)

Der wohl wichtigste Punkt vor der Einführung von Lohntransparenz ist die vollständige Analyse der aktuellen Lohnstruktur und der Umsetzung von Anpassungen, wo angezeigt. Vorgängige Lohnsysteme, Spezialfälle oder «Legacy Cases», unterschiedlich hoch ausgehandelte Einstiegssaläre und die subjektive Handhabung von Lohnerhöhungen in der Vergangenheit können zu einem unausgeglichenen Bild geführt haben. Nicht Perfektion, sondern die Motivation für ein möglichst faires Lohnsystem ist hierbei das Ziel (Verteilungsgerechtigkeit). Wird Ungerechtigkeit vermutet, sollen Unternehmen eruieren, ob diese Unfairness tatsächlich diskriminierender Herkunft ist oder auf einem begründeten Fakt beruht, wie z.B. der Seniorität, Leistung, Ausbildung, speziellen Zertifizierungen oder Arbeitsbedingungen respektive anderen stichhaltigen Unterscheidungsmerkmalen. Unternehmen müssen vorbereitet bzw. in der Lage sein, diese Unterschiede zu erklären, und den Mitarbeitenden aufzeigen, wie eine zukünftige Lohnerhöhung zu Stande kommen kann – etwa durch eine Weiterbildung, spezifische firmeninterne Erfahrung, Projektarbeit, Beförderung oder eine Führungsaufgabe.

Empfehlungen allgemein

Lohnsystem:

  • Im Idealfall: Klares und einfach verständliches Lohnsystem
  • Lohnstruktur-Analyse und Datenbereinigung vor Einführung
  • Grundsatzentscheide (z.B. bezüglich eventueller Lohnreduktionen)
  • Regelmässige Überprüfung und Justierung
  • Transparenzgrad-Bestimmung nach Best-Fit-Ansatz – keine universelle Anwendbarkeit
     

Management:

  • Bereitschaft, Massnahmen umzusetzen
  • Budgetallokation
  • Interessen der Mitarbeitenden und Kandidatinnen/Kandidaten (Arbeitsmarkt) abholen
  • Stakeholder (Mitarbeitende, MA-Vertretungen etc.) bei Erarbeitung einbeziehen
  • Einklang mit U-Strategie und U-Kultur sicherstellen
  • Erfolgsmessungen und Analytics (z.B. MA-Umfrage)

Kommunikation:

  • Regelmässige, zentrale und umfassende Kommunikation (Kaskade, wo nötig)
  • Vertrauliche Behandlung individueller Lohnelemente (individuelle Lohntransparenz eher weniger empfohlen)
  • Das Warum erklären
  • Verknüpfung mit Werten der Unternehmung herstellen
  • Link zu Total Rewards sinnvoll
  • Employee Life Cycle: Klarheit ab der ersten Lohnverhandlung (Einbezug Recruiting Team)

 

HR & Vorgesetzte:

  • Früher Einbezug
  • Systematische und wiederholende Schulung
  • Upskilling (z.B. wirkungsvolle Lohngespräche führen)
  • Pay Position Rationale: Verständnis über Lohnsystem und Zustandekommen von individuellen Compensation Packages wichtig
  • Zusammenarbeit essenziell
  • Einhaltung von neuen Pay Principles sicherstellen (Fairness Aspekt)

Steigerung der Lohnzufriedenheit dank Lohntransparenz?

Eine kürzlich durchgeführte qualitative Untersuchung (14 Befragungen – nicht repräsentativ) in einer Schweizer Grossunternehmung (Lohntransparenz im Vergleich zum externen Benchmark) hat derweil ergeben, dass Pay Transparency einen bedingten Einfluss auf die Pay Satisfaction der Mitarbeitenden hat. Für die Mehrheit der Befragten machte die Einführung von Lohntransparenz keinen Unterschied – sie sind gleich zufrieden mit ihrer Entlohnung. Gleichwohl wurde vereinzelt eine kurzfristige Verringerung der Lohnzufriedenheit erkannt, insbesondere bei unter dem Median liegenden Lohnbandpositionen. Eine Steigerung der Pay Satisfaction von Mitarbeitenden mit am oder über dem Median liegenden Lohnbandpositionen konnte indes nicht festgestellt werden. Die Untersuchung konnte somit keine eindeutige Wechselbeziehung von Pay Transparency und Pay Satisfaction nachweisen. Es zeigt sich, dass das Messen einer isolierten Verbindung schwierig ist und für ein aussagekräftiges Assessment mehr Zeit benötigt würde. Eine positive Korrelation ist hingegen zwischen Pay Process Transparency (prozedurale Lohntransparenz – Offenheit darüber, wie Löhne festgelegt werden) und Lohnzufriedenheit ersichtlich. Die proaktive Herangehensweise und die durch den offiziellen Charakter begünstigte Gerechtigkeit bzw. Reduktion möglicher Diskriminierung werden gemäss den Rückmeldungen besonders gewürdigt.

Fazit

Insgesamt kann viel positive Resonanz verzeichnet werden im Gesamtkontext von Pay Transparency, etwa durch die Schaffung von Klarheit und einer verbesserten Grundlage für Vertrauen und Fairness. Der Lohntransparenzgrad einer Unternehmung sollte bestmöglich auf ihre Gegebenheiten, Bedürfnisse und Möglichkeiten sowie ihre Kultur angepasst werden. Die Einführung eines offeneren Lohnsystems stellt einen kulturellen Wandel dar, der nebst Zeit eine regelmässige und authentische Kommunikation sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und HR erfordert. Welche langfristigen Auswirkungen Lohntransparenz auf dem Arbeitsmarkt beispielsweise beim Gewinnen von Talenten hat, gilt es zu beobachten. Fest steht, dass die Tabuisierung des Themas Lohn bröckelt. Das Zeitalter von mehr Transparenz hat längst begonnen, und wir sind mittendrin in der Transformation zu einer offeneren Gesellschaft, die nach mehr Daten und Vergleichbarkeit verlangt. Unternehmen sollten nicht zurückschrecken und sich Stück für Stück an den Gegenstand Pay Transparency wagen, im Bewusstsein ihrer Ressourcen und vorhandenen Kompetenzen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, aktiv zu werden und Stellung zu beziehen. Durch einen proaktiven Vorstoss in puncto Lohntransparenz kann die Qualität der Lohninformationen sichergestellt, mehr Fairness garantiert sowie das Vertrauen in die Unternehmung erhöht werden.

 

Literatur- und Quellenverzeichnis:
Arnold, 2019, 2020; Arnold, Fulmer, Sender, Allen, & Staffelbach, 2018; Bennedsen, Simintzi, Tsoutsoura, & Wolfenzon, 2019; Case et al., 2001; Castilla, 2015; Chou, 2010; Colella et al., 2007; ECO, 2012; Lüthi, 2019; Trotter et al., 2017. Das vollständige Literatur- und Quellenverzeichnis ist in der Masterarbeit aufgeführt.

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