Zugegeben, als ich seinerzeit das Aufgebot zu einem 1½-tägigen Assessment-Center (AC) erhielt, hatte ich schon ein wenig den «Bammel», obwohl ich zu jenem Zeitpunkt doch schon einige Prüfungen und Eignungstests hinter mir hatte. Doch die Gewissheit, dass ich es in die Endausmarchung geschafft hatte und deshalb an einem solch anspruchsvollen und vielseitigen Meeting der «Best of three» teilnehmen durfte, verlieh mir einerseits Zuversicht und Vertrauen in die eigenen Stärken und andererseits eine gewisse Gelassenheit, den «Dingen gegenüber, die da kommen sollten». So packte ich die mir gestellten Aufgaben an und lernte dabei viel, vor allem über mich selbst, aber auch über die verschiedenen Kriterien eines kompletten AC-Verfahrens. Meine Enttäuschung hielt sich in Grenzen, als ich später von meiner Nichtberücksichtigung trotz guter Resultate erfuhr.
Aus der Sicht eines HR-Praktikers mit eigenen Assessment-Methoden und -Erfahrungen möchte ich in diesem Praxisreport meine im Laufe der Zeit darüber erworbenen Kenntnisse und Erkenntnisse weitergeben.
Sorgfältige Auswahl der Assessorin/des Assessors
Jeder potenzielle Auftraggeber ist gut beraten, wenn er den für ihn in Frage kommenden Assessor bzw. die Assessorin sorgfältig auswählt und dabei folgende Kriterien berücksichtigt:
- Welche Testverfahren werden angewendet? Sind diese wissenschaftlich fundiert?
- Verfügt der beauftragte Assessor über die erforderliche kommunikative, psychologische, gruppendynamische und - last but not least – betriebswirtschaftliche Ausbildung und Kompetenz?
- Kann er/sie Problemlösungsprozesse führen, begleiten, beobachten, bewerten und daraus die richtigen Schlüsse ziehen?
- Ist der Assessor mit der Betriebskultur, aber auch mit der Organisationsstruktur und der Hierarchie des betreffenden Unternehmens vertraut?
- Ist die Aufgabenstellung für das Assessment konkret und klar definiert (externe Personalrekrutierung, interne Karriereplanung, Potenzialanalyse im Hinblick auf eine mögliche Beförderung, Teambildung/Gruppenassessment)?
Mit solchen Fragestellungen und Abklärungen seitens des auftraggebenden Unternehmens ist allerdings kein Blankoscheck für den erfolgreichen Einsatz eines Assessments verbunden, wohl aber ist eine wichtige Voraussetzung für einen optimalen Personalentscheid auf hohem Niveau geschaffen worden.
Bewährte Assessment-Methoden und Fragetechniken
Durch vielfältige Assessment-Methoden und verschiedenen Möglichkeiten lässt sich ein Eignungskriterium in unterschiedlichen Situationen beurteilen.
Assessment-Methoden
- Persönlichkeitstests und -fragebogen
- Leistungstests
- Intelligenztests
- Eignungstests für die offene Position
- Ausdauer-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitstests
- Planungsfähigkeitstests
- Organisationsfähigkeitstests
Fragetechniken
- Strukturiertes Interview zu früheren und aktuellen beruflichen Herausforderungen
- Explorationsgespräch zu künftigen beruflichen Vorstellungen, Visionen und konkreten Entwicklungsabsichten
- Tiefeninterview zur Berufserfahrung, zu potenziellen Problemlösungs- und Konfliktbewältigungsmöglichkeiten
- Selbstdarstellung/-abbildung der Bewerberin/des Bewerbers
Performance-Prüfungen
- Fallstudien
- Gruppendiskussionen
- Führungsaufgaben
- Rollenspiele
- Präsentationen
- Streit- und Verhandlungsgespräche
- Sprachkompetenzen
- Umgangsformen und persönlicher Stil
Nicht alle, aber etliche der aufgeführten Assessment-Methoden konnte ich als Absolvent von zwei dieser anforderungsreichen Prüfungsverfahren durchlaufen. Dabei habe ich meine Leistungspotenziale und -grenzen kennengelernt – eine Erfahrung, die ich keinesfalls missen möchte. Doch auch Assessments stossen an ihre Grenzen. Darauf – und ergänzt mit einigen grundsätzlichen Bemerkungen dazu – möchte ich im Schlussteil dieser Themenserie kurz zurückkommen.