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Selbstreflexion: Wenn im Assessment Selbst- und Fremdbild aufeinandertreffen

Im Feedback nach dem Assessment, wo Selbst- und Fremdbild aufeinandertreffen, wird es sehr spannend und man erfährt viel über die Reife des Gegenübers. Schnell landet man bei Kernfragen wie: Was will ich? Was kann ich? Wohin soll ich?

20.09.2021 Von: Sladjana Baumann
Selbstreflexion

Führungskräfte auf dem Prüfstand

Führungskräfte sind exponiert, so viel ist klar. Mit ihrem Titel stehen sie ein für Erfolg und Misserfolg, und auch wenn nach modernem Führungsverständnis ihr Team Anteil daran hat, sind sie es doch letztlich, die ins Visier genommen und bewertet werden. Als Assessment-Dienstleister, der jährlich über 400 Führungskräfte assessiert, um ihre Kompetenzen, ihr Potenzial und ihre Motive zu erfassen, sind wir täglich damit beschäftigt, diesen exponierten Persönlichkeiten eine neutrale, objektive Wahrheit zu ihrer Person anzubieten. Die Erfahrung zeigt: Je ausgeprägter die Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstreflexion, desto besser kommen die Führungskräfte durch die Assessments und desto stärker runden die Feedbackgespräche den Prozess logisch ab.

Die zentrale Bedeutung der Fähigkeit zur Selbstreflexion

Schaut man sich die Literatur sowie aktuelle Studien zu den Führungskompetenzen der Zukunft an, hat die Selbstreflexion einen festen Platz in den Listen der zentralen Skills eingenommen. Angesichts des rasanten Wandels der Arbeitswelt und der Beschleunigung der Entwicklungen aufgrund der Pandemie im vergangenen Jahr überrascht dies wenig. Wer im Zuge dieser Dynamik stehenbleibt, fällt zurück. Eine Führungskraft muss wissen, was sie kann, und regelmässig prüfen, was sie heute und in Zukunft können muss. Darüber hinaus nehmen Komplexität und Unsicherheit zu. Führungskräfte sind mit neuen Herausforderungen konfrontiert, bei denen sie nicht auf bewährte Handlungsmuster zurückgreifen können. Lernen findet somit stark im Alltag statt. Dabei gilt es, den eigenen Umgang mit Herausforderungen zu reflektieren, zu erkennen, was gut gelungen ist und was beim nächsten Mal besser gemacht werden kann. Der Gap zwischen Ist und Soll stellt die zentrale Grundlage für die Gestaltung und Steuerung der persönlichen Entwicklung dar. Dank guter Selbstreflexion können Führungskräfte zudem besser einschätzen, was in ihrer Karriereplanung ein sinnvoller nächster Schritt ist, und dorthin steuern, wo ihre Stärken gefragt sind und Entwicklungsfelder überwunden werden können. Gleichzeitig kann eine Führungskraft, die ihre Grenzen kennt, geschickt ein Team zusammenstellen, das ihre eigenen Kompetenzen ergänzt. Das klingt ziemlich trivial, ist es aber nicht. In der Auseinandersetzung mit Führungskräften im Rahmen von Assessments fallen gerade im Hinblick auf die Fähigkeit zur Selbstreflexion grosse Unterschiede auf.

Zusatzperspektive und Validierung dank Fremdbild

Selbstreflexion heisst nicht nur, zu grübeln und in sich hineinzuhorchen. Steht man auch nach aussen zu Stärken und Schwächen und verwertet man Erfolge, Fehler und Misserfolge im Team, schafft man die Grundlage für eine offene Reflexions- und Feedbackkultur. Die Erkenntnisse der Selbstreflexion gilt es anzureichern, indem man die Fühler ausstreckt, andere fragt und genau hinhört, wie ein Verhalten oder eine Situation wahrgenommen wurden. Im Rahmen von institutionalisierten Feedbackrunden wie 360-Grad-Beurteilungen lässt sich das Fremdbild zusätzlich systematisch abbilden. Rekrutierungs- und Entwicklungsprozesse sind für Führungskräfte auch Boxenstopps für neutrales und unabhängiges Feedback nach Assessments. Nirgends prallen Selbst- und Fremdbild aufeinander wie hier. Es ist eindrücklich, wie schnell man in Feedbackgesprächen mit gestandenen Persönlichkeiten bei folgenden Kernfragen landet: Was will ich? Was kann ich? Wohin soll ich? Das Interesse an der Auseinandersetzung mit sich selbst und dem Fremdbild ist gross. So kommen über 90% der assessierten Kader nach dem Assessment zum Feedbackgespräch. Die Praxisbeispiele illustrieren die Kraft dieser Momente.

Praxisbeispiel 1: «Ich wage es gar nicht erst, ich selbst zu sein.»

Herr X bewirbt sich auf eine Führungsfunktion bei seinem Arbeitgeber. Im Assessment wird klar, dass sein Potenzial und seine Kompetenzen den Anforderungen nicht entsprechen. Gleichzeitig tritt aber auch ein sehr widersprüchliches Bild zwischen den Äusserungen von Herrn X und seinem Verhalten zutage. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass es ihm für eine Führungsfunktion an persönlicher Reife fehlt. Erst im Feedbackgespräch wird deutlich, woher die Widersprüche stammen. Herr X hat zuvor ein intensives Assessmenttraining absolviert, in dem er sich zu präsentieren gelernt hat. Entsprechend wagt er es nicht, mit all seinen Stärken und Schwächen aufzutreten und sich als Person zu exponieren.

Praxisbeispiel 2: «Tief in mir weiss ich es eigentlich.»

Frau Y ist eine gestandene Karrierefrau. Sie bewirbt sich um eine Topkaderfunktion auf gleichem Niveau wie heute, jedoch in einer grösseren Organisation. Im Assessment wird deutlich, dass sie weder intellektuell noch führungstechnisch die Komplexität und die Unsicherheit der Zielfunktion zu meistern vermag. Im Rahmen des Feedbacks die klare Nichtempfehlung im Bericht zu lesen, ist hart. Doch statt einer massiven Abwehrreaktion entsteht ein offener, tiefgründiger Dialog zu persönlichen Motiven und klaren Grenzen. Im Grunde wusste Frau Y, dass die Zielfunktion eine Nummer zu gross war, liess sich aber vom Headhunter zur Bewerbung überreden.

Im Feedback erleben wir mitunter Momente der Erleichterung, zum Beispiel bei Kandidierenden, die bisher wie automatisch die Karriereleiter hochgeklettert sind, sich aufgrund der Erwartungen in ihrem Umfeld für den nächsten Schritt bewerben und dann für eine Nichtempfehlung fast dankbar sind. Plötzlich werden Auswanderungs- statt Karrierepläne geschmiedet! Ebenfalls kommt es vor – wenn auch selten, da die Personen bereits intensive Vorauswahlprozesse durchlaufen haben –, dass das Fremdbild als falsch empfunden wird, die Instrumente hinterfragt werden und alles auf die Tagesform geschoben wird. Und schliesslich gibt es natürlich auch diejenigen, bei denen einfach alles stimmt, Selbst- und Fremdbild in absolutem Einklang stehen und ihre Bewerbung nichts weiter als ein logischer Karriereschritt ist.

Im Feedback, wo Selbst- und Fremdbild aufeinandertreffen, erfährt man nochmals viel über die Reife der Führungskraft. Persönliche Reife heisst, authentisch zu sich selbst zu stehen, zu wissen, wie man sich mit seinen persönlichen Motiven und Stärken optimal positioniert, aber auch, die eigenen Grenzen anzuerkennen.

Akzeptanz von Feedback

In den Feedbackgesprächen wird deutlich, dass Beurteilungs- und Feedbackprozesse mit viel Umsicht und Demut durchzuführen sind. Als zertifiziertes Mitglied von Swiss Assessment setzen wir alles daran, die Beobachtung und Beurteilung nach den Regeln der Kunst und den aktuellen wissenschaftlichen Standards vorzunehmen. Dies bildet die zentrale Grundlage für die Akzeptanz, aber auch für die Objektivität, Neutralität und Treffgenauigkeit der Ergebnisse. Gleichzeitig hängt die Akzeptanz des Feedbacks stark vom Menschenbild der Feedbackgebenden ab. Ressourcenorientierung und Wertschätzung der Stärken bilden die Grundlage, auf der auch im Hinblick auf wahrgenommene Schwächen Klarheit und Transparenz geschaffen werden können.

Implikationen für Führungskräfte

Hinterfragen Sie sich! Führen Sie Buch über Ihre Erfolge und Misserfolge. Anerkennen Sie Ihre Stärken, akzeptieren Sie aber auch Ihre Grenzen. Fragen Sie bei anderen nach und überprüfen Sie Ihr Selbstbild mittels Perspektivenübernahme. Nutzen Sie für ein neutrales, objektives Fremdbild systematische Instrumente wie 360-Grad-Beurteilungen oder Assessments. Selbstreflexion angereichert mit Fremdreflexion bildet die Grundlage für die persönliche Entwicklung.

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