Assessment interner Talente: Potenziale verlässlich ermitteln

Assessments sind ein zentrales Instrument zur Identifizierung von Talenten. Bei der praktischen Durchführung der Potenzialermittlung zeigen sich verschiedene Schwierigkeiten, denen durch gezielte Massnahmen entgegengewirkt werden kann.

21.12.2021 Von: Julia Wenger
Assessment interner Talente

Assessment interner Talente

Für Unternehmen ist es ein entschei­dender Wettbewerbsvorteil, die in­ternen Potenzialträger zu identifizieren, zu entwickeln, an das Unternehmen zu binden und ihnen verantwortungsvolle Funktionen zu übertragen. Für unsere Kunden, welche hauptsächlich aus dem KMU-Umfeld stammen, ist dies beson­ders relevant, da externe Kandidaten mit dem nötigen Fach- und Branchenwissen oftmals schwierig zu finden sind.

Bei der Potenzialfeststellung von internen Mitarbeitenden ergeben sich verschiede­ne Schwierigkeiten. Mit Assessments als standardisierten und objektiven Prozessen kann diesen Schwierigkeiten vorgebeugt werden. Somit erhöht sich die Wahr­scheinlichkeit, dass ungenutzte Potenziale erkannt und die richtigen Personen geför­dert und befördert werden.

Potenzial versus Leistung

Oftmals wird das Potenzial eines Mit­arbeitenden an einer starken Leistung in der aktuellen Aufgabe festgemacht. Trotz grosser Bekanntheit der Theorie des Peter-Prinzips, wonach Führungskräf­te vielfach bis zur Stufe der Unfähigkeit befördert werden und ihre Aufgaben ab einer bestimmten Hierarchiestufe nicht mehr richtig wahrnehmen können, ist diese Vorgehensweise in der Praxis nach wie vor weitverbreitet. Daraus können negative Folgen für den Arbeitgeber ent­stehen. Im schlimmsten Fall verliert ein Unternehmen beispielsweise einen star­ken Fachspezialisten und setzt gleichzei­tig eine schwache Führungsperson ein.

Fazit: Das Potenzial lässt sich nicht rein aufgrund der aktuellen Leistung vorhersagen.

Ein Potenzial-Assessment muss nicht nur die aktuelle Leistung prüfen, sondern zu­sätzlich brachliegende Fähigkeiten aufde­cken. Nur eine Person, die über Fähigkei­ten verfügt, welche sie in der aktuellen Aufgabe nicht einsetzen kann, bringt Potenzial für eine weitergehende Verant­wortung mit.

Klärung der Motivation

Ab und zu treffen wir in unseren Assessments fähige Personen an, die sich über den Vorschlag zur Beförderung freuen und sich auch gerne weiterentwickeln wollen. Sie möchten aber beispielsweise nicht ope­rativ führen, sondern sich vertieft mit Fach­themen beschäftigen. Oder sie sind nicht bereit, längere Arbeitszeiten beziehungs­weise strengere Arbeitstage aufgrund der neuen Verantwortung auf sich zu nehmen.

Fazit: Potenzial bedeutet nicht nur, Fähigkeiten mitzubringen, sondern auch Motivation für eine erweiterte Aufgabe und Einsatz­bereitschaft.

Abgesehen von Stärken und Entwick­lungsbereichen müssen Motivation, En­gagement und Leistungsbereitschaft in einem Potenzial-Assessment überprüft werden. Ohne eine Aussage zur Motiva­tion ist die Einschätzung des Potenzials schwer möglich. Es empfiehlt sich, vorgängig zum Assessment intern Gesprä­che mit den Kandidaten bezüglich ihrer Motivation zu führen.

Objektive Beurteilung

Meist wird das Potenzial von Mitarbeiten­den von direkten Vorgesetzten beurteilt. Deren Favoriten sind nicht unbedingt die fähigsten Mitarbeitenden. Teilweise sind Potenzialträger bei Vorgesetzten sogar unbeliebt, weil sie viel von diesen fordern und ungefragt Verbesserungsvorschläge einbringen. In unserem Berufsalltag stel­len wir zudem immer wieder fest, dass interne Kandidaten tendenziell strenger begutachtet werden als externe Kandi­daten. Die Schwächen der einen sind be­reits bekannt, während sich die anderen hauptsächlich von ihrer positiven Seite darstellen können.

Fazit: Subjektive Voreingenommenheit kann die Einschätzung des Potenzials beeinträchti­gen.

Die Vorauswahl der Kandidaten für ein Assessment interner Talente muss anhand eines struktu­rierten Prozesses geschehen. Im besten Fall geschieht sie nicht allein durch den direkten Vorgesetzten, sondern enthält Diskussionen in Führungsgremien oder auch die Möglichkeit einer Selbstnomination für Kandidaten.

Selbstverständlich sollen die Kandidaten im Assessment selbst objektiv beobachtet und beurteilt werden. Dies kann anhand der Standards von Swiss Assessment, nach denen Convidis und weitere Assessmentfirmen zertifiziert sind, sichergestellt werden. So kommen beispielsweise in jedem Assessment unterschiedliche Me­thoden sowie zwei unabhängige Asses­soren zum Einsatz.

Fokus erfolgskritisches Verhalten

Die Definition der Anforderungen an ef­fektive oder erfolgreiche Führungskräfte gestaltet sich oft sehr schwierig. Oftmals behilft man sich mit einer Auflistung von Eigenschaften wie Durchsetzungsstärke, Flexibilität oder Leadership, über deren Bedeutung kein gemeinsames Verständ­nis besteht. Aufgrund von subjektiven und idealisierten Bildern von funktionalen Managern oder charismatischen Leadern werden zu hohe oder falsche Anforderungen an mögliche Potenzialträger gestellt.

Fazit: Die Definition der Kriterien für Führungspotenzial ist anspruchsvoll und aufwendig

Eine sorgfältige vorgängige Analyse ist für ein Potenzial-Assessment unabding­bar. Nicht Eigenschaften, sondern die erfolgskritischen Verhaltensweisen müs­sen festgelegt werden. Unterschiedliche Führungsebenen oder auch verschiedene unternehmerische Herausforderungen wie der Aufbau von Strukturen, das Steu­ern von Veränderungsprozessen oder die Redimensionierung eines Bereiches erfor­dern ein anderes Führungsverhalten, um erfolgreich zu sein. Die im Assessment eingesetzten Aufgaben und Simulatio­nen müssen die Realität im Unternehmen möglichst gut abbilden.

Differenzierte Einschätzung

Leider sind nicht alle einstmaligen Po­tenzialträger erfolgreich. Die Misser­folgsquote bei Managerfunktionen be­trägt im Durchschnitt über verschiedene Studien sogar rund 50 Prozent. Dies be­deutet ein grosses Risiko für alle Orga­nisationen. In der Beurteilung von Leis­tungsträgern geht oftmals vergessen, dass jede Stärke und jede Fähigkeit sich unter Umständen auch negativ auswir­ken kann oder negativ wahrgenommen werden kann.

Fazit: Eine einseitige Beurteilung der positiven Aspekte des Potenzials sowie der Stärken ist nicht ausreichend.

Ein differenzierter Assessment-Bericht zeigt nicht nur das Potenzial einer Per­son auf, sondern beschreibt auch Chan­cen und Risiken der Verhaltensweisen der assessierten Personen in besagtem Umfeld. So werden Hinweise gegeben, auf welche Art das bestehende Potenzial in der Unternehmung genutzt werden könnte und wo Verhaltensweisen einer Person im Falle einer neuen Verantwor­tung ein Risiko darstellen könnten. Da­durch wird das Risiko nicht eliminiert, aber Vorgesetzte können bewusst damit umgehen.

Entwicklungsmassnahmen

Die erste Frage eines Kandidaten nach einem positiven Assessment Feedback lautet häufig: «Und was bedeutet das jetzt für mich?» Darauf erwartet der frisch identifizierte Potenzialträger eine sofortige und möglichst konkrete Antwort. Kann diese nicht gegeben werden, folgen häufig Unzufriedenheit und die Suche nach externen Optionen.

Fazit: Ein Potenzial-Assessment ohne anschliessende Entwicklungsmassnahmen und Karriereoptionen ist wenig sinnvoll.

Die Konsequenzen eines Potenzial-Assessments müssen bereits vor dessen Durchführung feststehen. Empfehlens­wert ist das Aufzeigen von unterschiedli­chen Karrierewegen und nicht der reine Fokus auf Führungspositionen. Dadurch können je nach Ausprägung der Fähig­keiten und der Motivation einem Leis­tungsträger verschiedene Entwicklungs­möglichkeiten vorgeschlagen werden. Im Idealfall werden zur Vorbereitung auf die Übernahme einer grösseren Verantwortung konkrete Entwicklungs­massnahmen vereinbart sowie Lernmög­lichkeiten, z.B. durch Übernahme einer Stellvertreterrolle oder der Leitung von Projekten, geboten.

Fragen zur Vorbereitung von Potenzialassessments:

  • Welche Ziele werden mit dem Assessment interner Talente verfolgt? Welche Fragen sollen damit beantwortet werden?
  • Für welche Art von Aufgaben soll das Potenzial der Kandidaten festgestellt werden?
  • Welche Entwicklungsmöglichkeiten und Perspektiven bestehen im Unter­nehmen?
  • In welchem Umfeld (Strategie, Kultur, Strukturen, Führungsstil, aktuelle und zukünftige Herausforderungen des Unternehmens etc.) bewegen sich die Kandidaten?

Qualitätsstandards für Assessments
Der Fachverein Swiss Assessment ent­wickelt und formuliert verbindliche Standards und ermöglicht so die Quali­tätssicherung bei Assessment-Anbietern und -Anwendern. Informationen zu den Standards finden sich auf der Website von Swiss Assessment: www.swissassessment.ch

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