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Qualität von Assessments: Die Qualität von Beurteilungsverfahren richtig einschätzen

Beim Talentmanagement, bei der Personalauswahl und -entwicklung werden für Fach- und Führungskräfte weltweit zunehmend Abklärungen im Rahmen von sog. Assessments oder Assessment Centern vorgenommen. Wie die Qualität von Assessments eingeschätzt werden kann, zeigt dieser Beitrag.

28.11.2022 Von: Sébastien Simonet
Qualität von Assessments

In der Berufseignungsdiagnostik kommt es häufig zu Verwechslungen zwischen einer reinen Experten/innen-­Beurteilung, einem Online­-Test und einem professio­nellen Assessment resp. Assessment Cen­ter. Viele gehen irrtümlicherweise auch davon aus, dass es ausreicht, über Füh­rungserfahrung oder schlicht «gewöhn­liche» (profunde) berufliche Erfahrungen zu verfügen, um an einem Assessment als Assessorin oder Assessor mitwirken zu können.

Bei einem Assessment (Center) geht es aber nicht wie bei «The Voice», «Deutsch­land sucht den Superstar» (DSDS) und an­deren ähnlichen Show­-Formaten in erster Linie darum, dass sich Expertinnen und Experten aus ihrem subjektiven Eindruck und ihrer Berufserfahrung heraus eine Meinung über die beruflichen Perspek­tiven eines Kandidierenden machen. Es geht um viel mehr.

Ein Assessment ähnelt damit mehr einer medizinischen Abklärung, bei der un­terschiedliche Diagnosewerkzeuge wie etwa ein Computertomograph oder eine Blutbildanalyse eingesetzt werden, um eine möglichst zutreffende Diagnose zu stellen oder Eignungsprognose zu formu­lieren. Allerdings werden bei Assessments keine Störungsbilder oder Krankheiten diagnostiziert, sondern Kompetenzen beurteilt.

Menschliche Urteilsbildung

Wir alle haben das subjektive Gefühl, wir könnten uns gut auf unsere Eindrücke, Wahrnehmungen, Kenntnisse und Erfah­rungen verlassen, wenn es darum geht, Entscheidungen zu fällen oder Beurteilun­gen z.B. über Menschen vorzunehmen.

Doch die Forschung zeigt (leider), dass wir ohne Unterstützung ganz schlecht darin sind, komplexe(re) Beschlüsse zu fassen oder Menschen einzuordnen.

    Wie leicht wir beeinflusst werden, zeigt nachfolgendes Gedankenexperiment/Rätsel:

    • Ein Baseballschläger und ein Ball kosten im Einkauf zusammen $1.10
    • Der Baseballschläger kostet $1.00 mehr als der Ball
    • Wie viel kostet der Ball und was ist der Preis des Baseballschlägers?
       

    Finden Sie die richtige Antwort? Viele Menschen antworten intuitiv 10 Cent für den Ball und $1.00 für den Schläger. Die richtige Antwort lautet aber $1.05 für den Schläger und 5 Cent für den Ball. Aber diese Berechnung widerspricht der Art und Weise, wie wir üblicherweise, in­stinktiv denken.

    Sich bei der Beurteilung von Menschen und ihren Eigenschaften vor allem auf subjektive Eindrücke zu verlassen, scheint also genauso fahrlässig wie die Vorstel­lung, ein/e Pilot/in sollte sich besser auf sein/ihr Gefühl verlassen, wenn es darum geht, eine Boing 747 bei dichtem Nebel und starkem Wind auf einer kurzen Lan­debahn sicher auf den Boden zu bringen. Nach Luftfahrtexperten/innen schlägt mit 50% nämlich menschliches Versagen als primäre Ursache von Flugzeugabstürzen zu Buche, während als zweitwichtigste Ursache (mit lediglich 20%) maschinelle Defekte genannt werden.

    In diesem Zusammenhang sprechen wir von einer sog. klinischen Urteilsbildung, die auf Meinungen von Experten/innen fusst. Dagegen geht es bei der statistischen Urteilsbildung darum, eine Diagnose auf­grund von möglichst objektiv und zuver­lässig erhobenen Daten zu formulieren.

    Nicht jede Entscheidung lässt sich aber ganz rational fällen bzw. kann einem noch so ausgeklügelten Algorithmus überlassen werden. Es braucht zusätzlich die menschliche «Intuition» oder eben Emotionen, um z.B. eine Präferenzent­scheidung fällen zu können. Deswegen können Entscheidungen auch nicht unre­flektiert KI-­Systemen anvertraut werden.

    Insgesamt kann aufgrund des heutigen Kenntnisstands dennoch gesagt werden, dass eine statistische einer klinischen Ur­teilsbildung (immer) überlegen ist! Oder anders formuliert, macht es im Zweifels­fall Sinn, eher Daten als Meinungen von Experten/innen zu trauen. Dies gilt auch im Assessment oder Assessment Center.

      Wie lässt sich eine Eignung aber prognostizieren?

      Wie bei der Wettervorhersage oder Kon­junkturprognosen geht es auch in der Berufseignungsdiagnostik darum, die Zukunft aufgrund vorliegender Prädik­toren möglichst zuverlässig vorherzusa­gen. Hier z.B., ob sich eine Person für einen bestimmten Job eignet oder nicht. Und es ist die Qualität dieser Prädiktoren und deren angemessene Kombination/Gewichtung bei der Interpretation, die darüber entscheiden, wie gut die Prog­nose schliesslich ausfällt. Also sind hoch­wertige Daten in Kombination mit einer ausgeprägten Fähigkeit, diese angemes­sen zu interpretieren, der Schlüssel zum Erfolg.

      Ein/e Assessor/in oder besser Berufseig­nungsdiagnostiker/in muss also einerseits in der Lage sein, Ergebnisse aus wissen­schaftlich fundierten Testverfahren zu verstehen (also z.B. wissen, was hinter dem Konzept des «Selbstwertgefühls» steckt) bzw. zu interpretieren. Anderer­seits muss er/sie auch in der Lage sein, beobachtetes Verhalten möglichst objek­tiv zu beurteilen.

      Schlussendlich muss er/sie auch wis­sen, wie diese vielen, nicht immer widerspruchslosen Informationen den Anforderungen oder beruflichen Pers­pektiven zuzuordnen sind, damit Auf­traggebende eine gute Erfolgsprognose erhalten. Verlassen wir uns etwa in der Personalauswahl nämlich ausschliesslich auf biografische Daten (z.B. in einem LinkedIn­-Profil), den «Ruf» einer Person, Referenzen und ein persönliches Gefühl, wie ich es häufig in der Kadervermittlung beobachte, dann erhöhen wir einfach die Wahrscheinlichkeit einer Fehlentschei­dung mit entsprechend kostspieligen Konsequenzen.

      Zunehmend stehen auch neue Methoden wie z.B. «Big Data Analytics» zur Verfü­gung, die es erlauben, das Verhalten von Menschen erstaunlich zuverlässig vorher­zusagen, wie dies etwa von der im Jah­re 2018 aufgelösten Firma «Cambridge Analytica» auf eine moralisch verwerfli­che Art und Weise, etwa bei der Beein­flussung der US­-Wahlen (im Jahre 2016), demonstriert wurde.

      Qualität von Assessments: Ein Fazit

      Zu einem zeitgemässen HR-­Management gehören aus meiner langjährigen Erfah­rung systematische Eignungsabklärun­gen unbedingt dazu, denn sie erlauben:

      1. in Zeiten eines akuten Fachkräfteman­gels die gezielte Förderung der eigenen Humanressourcen (z.B. im Rahmen professioneller Talentmanagement­- und Förderungsprogramme);
      2. eine Auswahl von Fach-­ und Führungs­kräften, die nicht nur in fachlicher Hin­sicht gut in die Organisation passen, sondern auch in kultureller Hinsicht eine Bereicherung sind;
      3. die Implementierung einer HR-­Stra­tegie, die dazu beiträgt, sowohl die Fairness bei der Auswahl und Förde­rung von Mitarbeitenden zu verbessern als auch in Fragen der (nicht nur auf das Geschlecht und die Herkunft be­schränkten) Diversität Voraussetzungen zu schaffen, um den Realitäten eines neuen Arbeitsmarktes zu entsprechen.
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