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Entwicklung Pensionskasse: Alternative zu eigenständigen Pensionskassen

Das Interesse bei den mittleren Unternehmen an eigenständigen Pensionskassen ist in den letzten Jahren geschwunden. Sie suchen nach einer Alternative. Wo findet sie sich?

07.11.2022 Von: René Mettler
Entwicklung Pensionskasse

Einleitung

In vielen Unternehmen, in welchen vor Jahrzehnten noch über 500 Arbeitnehmende beschäftigt wurden, ist die Stellenanzahl wegen der Technisierung und Digitalisierung massiv gesunken. Vielen pensionierten Mitarbeitenden stehen weniger aktiv versicherte Arbeitnehmende gegenüber. Dazu kommen Langlebigkeit, anhaltend tiefe Zinssätze und wiederholte Kurseinstürze an den Börsen. Diese Situation hat Auswirkungen auf die berufliche Vorsorge (BVG).

Als Faustregel galt lange Jahre für mittlere Unternehmen mit einem Mitarbeiterbestand ab 500 als erste Wahl die firmeneigene Pensionskasse. Grosszügige Konditionen und Leistungen waren vorgesehen. Gestiftet vom Patron und paritätisch verwaltet durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter.

Niemand dachte an eine Reduktion des Mitarbeiterbestandes, an unrentablere Geldanlagen und einen Anstieg der Lebenserwartung. Der Kurs war auf Wachstum ausgerichtet. Heute fürchten Arbeitgeber Sanierungsbeiträge, wenn ihre Pensionskasse in eine Unterdeckung gerät, und scheuen das Anlagerisiko.

Pensionskassenstatistik1

In der Schweiz sind 4,4 Millionen erwerbstätige Personen und 1,26 Millionen rentenbeziehende Personen versichert.  1400 Vorsorgeeinrichtungen weisen eine Bilanzsumme von insgesamt rund CHF 1000 Mrd. auf.

Lebenserwartung in der Schweiz2

Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts erhöhte sich die Lebenserwartung der Männer bei ihrer Geburt um 2,9 Jahre auf 80 Jahre, diejenige der Frauen um 1,7 Jahre auf 84,47 Jahre.

Die deutliche Zunahme der Lebenserwartung der Männer lässt sich in erster Linie mit der geringeren Sterblichkeit der Männer im Rentenalter erklären. Die rückläufige Sterbewahrscheinlichkeit bei den Personen ab 65 Jahren war für mehr als die Hälfte des Anstiegs der Lebenserwartung sowohl der Männer als auch der Frauen bei ihrer Geburt verantwortlich.
 

Anstieg der Lebenserwartung im Alter 65 seit Inkrafttreten des BVG 1985
Jahre Männer Frauen
1978/1983 14,40 Jahre 18,25 Jahre
1988/1993 15,51 Jahre 19,72 Jahre
1998/2003 17,12 Jahre 20,88 Jahre
2008/2013 18,90 Jahre 22,00 Jahre
Zunahme + 4,50 Jahre + 3,75 Jahre

Mindestumwandlungssatz

Im am meisten verbreiteten Beitragsprimat für die Altersleistung dient der gesetzliche Mindestumwandlungssatz als Multiplikator des Altersguthabens zur Errechnung der Altersrente. Er ist nur im obligatorischen Teil des BVG anwendbar.

Der ursprüngliche Rentenumwandlungssatz von 7,2 Prozent war bei Inkrafttreten des BVG aufgrund der damaligen Lebenserwartung und der Verzinsung korrekt.

Verzinsung des Altersguthabens

Das Altersguthaben wird ab Erreichen des Rentenalters nicht mehr verzinst, sondern die Verzinsung vielmehr bei der Festlegung des Rentenumwandlungssatzes berücksichtigt, indem die künftige Verzinsung den sich aus der Lebenserwartung ergebenden Rentenumwandlungssatz erhöht. 1985 betrug die Mindestverzinsung 4,0 Prozent. Seit 2017 liegt er bei gerade noch einem Prozent.

Mit Inkrafttreten der 1. BVG-Revision wurde unter anderem der Rentenumwandlungssatz 2005 auf 6,8 Prozent gesenkt. Der Mindestzinssatz wurde 2003 von 4,00 auf 3,25 Prozent gesenkt. Ein Altersguthaben von CHF 100 000.– ergibt damit heute eine Altersrente von CHF 6800.–/Jahr. Für den überobligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge gelten weder der gesetzliche Rentenumwandlungssatz noch der vom Bundesrat festgelegte Mindestzinssatz.

Je tiefer die Anlagerendite des Altersguthabens und je höher die Lebenserwartung, umso mehr muss der Rentenumwandlungssatz gesenkt werden. Verschiedene Reformen wurden inzwischen auf politischer Ebene angegangen. Bis dato sind jedoch alle letztendlich gescheitert - aus diversen Gründen.

Den Umwandlungssatz für überobligatorische Altersguthaben können die Vorsorgeeinrichtungen selber festlegen. Aktuell liegt er bei etlichen Pensionskassen wesentlich tiefer, zum Teil in der Region von 5,0 Prozent oder gar noch niedriger.

Anlagerendite – der dritte Prämienzahler

Die Pensionskassen haben 20213 im Durchschnitt eine Anlagerendite von vier Prozent erzielt. Alterskapitalien im obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge müssen von den Vorsorgeeinrichtungen seit 2017 gesetzlich zu einem Prozent verzinst werden.

Die Differenz erklärt sich durch die Bildung von Rückstellungen und Wertschwankungsreserven. Der Bundesrat bestimmt den BVG-Mindestzinssatzes auf jährlicher Basis für das jeweilig kommende Jahr.

Die privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen konnten den Deckungsgrad (d. h. das Verhältnis von Pensionsvermögen zu Pensionsverpflichtungen) um 7.9 % erhöhen, wie aus dem Willis Towers Watson Pension Index hervorgeht. Er stieg von 104.7 % (31. Dezember 2020) auf 112.6 % (31. März 2021). Eine Unterdeckung besteht, wenn eine Vorsorgeeinrichtung theoretisch nicht in der Lage ist, alle ihre Verpflichtungen zu erfüllen.

Eine Unterdeckung darf nicht mit Zahlungsunfähigkeit verwechselt werden.

Arten von Vorsorgeeinrichtungen

In der zweiten Säule können verschiedene Institutionen als Gründerinnen von Vorsorgestiftungen auftreten und Vorsorgelösungen anbieten (Lebensversicherungen, Banken, Stiftungen des Arbeitgebers und weitere, wie unabhängige Stiftungen). Worin unterscheiden sie sich?

Autonome Vorsorgeeinrichtungen

Eine autonome Vorsorgeeinrichtung muss juristisch vom Arbeitgeber unabhängig sein. Sie trägt alle versicherungstechnischen Risiken wie Langlebigkeit, Invalidität und Tod selbst. Ausserdem tätigt sie die Kapitalanlagen selbstständig.

Teilautonome Vorsorgeeinrichtungen

Teilautonome Vorsorgeeinrichtungen verwalten die Alterskapitalien in der Regel selbst, sichern jedoch die Risiken Tod und/oder Invalidität über Rückversicherungsverträge ab. Deckungslücken auf der Anlageseite und Langlebigkeit müssen von den angeschlossenen Unternehmen und den versicherten Personen selbst getragen werden.

Je vorsichtiger die Risiken Tod und Invalidität kalkuliert und tarifiert werden, desto höher die monatlichen Beiträge für Arbeitgeber und Arbeitnehmende.

Sammelstiftungen

Anstelle einer firmeneigenen Pensionskasse schliessen sich viele KMU einer Sammelstiftung an, entweder einer autonomen oder einer teilautonomen Sammelstiftung, oder sie entschliessen sich zum Anschluss an eine Sammelstiftung einer Lebensversicherungsgesellschaft.

Die einzelnen Unternehmen bilden bei einer Sammelstiftung je ein individuelles Vorsorgewerk mit eigener Rechnung und einem eigenen Deckungsgrad.

Vollversicherung

Mit einer Vollversicherung können sich ein Arbeitgeber und seine Arbeitnehmenden vor Unterdeckung und allfälligen Sanierungs massnahmen schützen. Dieser Versicherungsschutz kostet aber und reduziert später die Altersrente der in den Ruhestand tretenden Arbeitnehmenden.

Das Vollversicherungsmodell wird von den Lebensversicherungsgesellschaften angeboten. Es deckt sämtliche Risiken wie Langlebigkeit, Invalidität und Tod und ebenso das Anlagerisiko ab. Der Versicherer garantiert ständig eine hundertprozentige Deckung des Vorsorgevermögens.

Heute ist es schwierig, einen Anbieter für eine Vollversicherung zu finden. Es stehen gerade noch fünf Versicherer zur Verfügung: Allianz, Basler, Helvetia, Swiss Life und Pax. Gewählt haben die Vollversicherung rund 130 000 Betriebe mit knapp einer Million versicherten Personen. Die Bereitschaft der Anbieter, Neugeschäfte abzuschliessen, sinkt. Auch bestehende Verträge sind gefährdet, weil sie durch die Versicherer unter Umständen nicht mehr erneuert werden, wie vor ein paar Jahren durch die Axa-Winterthur.

Gemeinschaftsstiftungen

In einer Gemeinschaftsstiftung sind mehrere Vorsorgeeinrichtungen angeschlossen, ohne aber ein selbstständiges Vorsorgewerk zu bilden. Das Vorsorgevermögen verfügt über einen einheitlichen Deckungsgrad und für alle angeschlossenen Arbeitgeber ein einheitliches Vorsorgereglement.

Welche Lösung eignet sich für KMU?

Vollversicherungen sind für ein KMU praktisch und ohne Risiken. Sie sind teuer aber und schmälern die Altersrenten. Die Zukunft wird Richtung teilautonome Stiftungen gehen. Die Risiken Tod und Invalidität werden rückversichert.

Die berufliche Vorsorge ist eine Versicherung. Bei Versicherungen zählt das Gesetz der grossen Zahl. Das gilt im Vorsorgefall sowohl für das Risiko Langlebigkeit als auch für das Anlagerisiko. Je grösser das Anlagevermögen, umso höher die Anlagerendite, also die Beiträge des dritten Prämienzahlers.

Die Zukunft wird wohl Richtung teilautonome Vorsorgeeinrichtungen weisen. Sei es bei einer Versicherungsgesellschaft oder bei einer unabhängigen Stiftung, die für die Risiken Tod und Invalidität zu einem günstigen Tarif rückversichert ist und tiefe Verwaltungskosten aufweist.

Wenn Sie einen Wechsel ihres Anschlussvertrages in Betracht ziehen, beachten Sie den Deckungsgrad einer Vorsorgeeinrichtung über die letzten Jahre.

FUSSNOTEN
1 Die berufliche Vorsorge in der Schweiz, Bundesamt für Statistik (BfS), Neuchâtel 2020
2 Bundesamt für Statistik (BfS), Sterbetafeln für die Schweiz 2008/2013, Neuchâtel 2017
3 Beratungsunternehmen Willis Towers Watson
4 Verordnung über die Beaufsichtigung von privaten Unternehmen (Aufsichtsverordnung [AVO], Art. 147)
5 Wirtschaftsmagazin ECO des Schweizer Fernsehens (SRF)

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