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Geschäftsbedingungen: Eine Kosten-Nutzen-Analyse eigener AGB

Grenzüberschreitender oder massenhafter Geschäftsverkehr wird oft mit mangelnder Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit in Verbindung gebracht. Bei massenhaften Geschäften stellen sich immer wieder die gleichen Fragen: Welches Recht ist anwendbar? Welche Rechte haben Kund:innen und können diese Rechte eingeschränkt werden?

09.02.2024 Von: Melda Semi
Geschäftsbedingungen

Einleitung

AGB sind vor dem Hintergrund des modernen Wirtschaftslebens mit seinen Massenverträgen zu sehen. Unternehmen wie Banken, Versicherungsgesellschaften oder Onlineshops schliessen täglich zahlreiche Verträge mit weitgehend gleichem Inhalt ab. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen – kurz AGB – enthalten vorformulierte Klauseln zum Abschluss eines Vertrages und stellen zeitgleich die Kommunikation zwischen dem Unternehmen und den Kund:innen her. Sie regeln wesentliche Vertragsbestandteile, namentlich die Zahlungsmodalitäten, Ansprüche bei Leistungsstörungen oder die Kündigungs- und Rücktrittsmodalitäten. Grundsätzlich werden AGB-Klauseln nicht verhandelt und treten – bei gültiger Übernahme – mit dem Geschäftsabschluss als Vertragsbestandteil in Kraft.

Gültigkeitsvoraussetzungen

AGB gelten nicht von sich heraus und müssen durch die Kund:innen korrekt übernommen werden. Das heisst, die AGB müssen vor Vertragsschluss in den Vertrag einbezogen worden sein, namentlich indem der/dem Kund:in vor Vertragsschluss die AGB zur Durchsicht vorgelegt werden oder indem die/der Kund:in zumindest die Gelegenheit hat, ohne Weiteres auf die AGB zuzugreifen.

Ausserdem müssen die AGB eindeutig, klar und verständlich formuliert sein, andernfalls diese nach dem Prinzip in dubio contra stipulatorem gegen die/den Verfasser:in ausgelegt werden. Auch die Ungewöhnlichkeitsregel verdient Beachtung: Wenn ein/e Kund:in mit einer Vertragsbestimmung nicht hätte rechnen müssen und die Bestimmung nicht vertragstypisch ist, ist diese unverbindlich. Möchte man also eine ungewöhnliche Klausel in den AGB verbindlich regeln, muss diese plastisch hervorgehoben werden, bspw. durch eine Markierung oder Fettschrift. Dies gilt etwa bei einer von der gesetzlichen Regelung abweichenden Gerichtsstands- und Rechtswahl-Klausel. Beim Aufsetzen der AGB dürfen die den Kund:innen gesetzlich zustehenden Rechte nicht entzogen werden, andernfalls können diese zufolge Nichtigkeit dahinfallen.

Beispiel: Immer wieder versuchen Unternehmen, die Gültigkeitsdauer von Gutscheinen auf ein oder zwei Jahre zu befristen. Jedoch dürfen (auch) AGB die Gültigkeitsdauer der Gutscheine nicht beschränken, was jüngst das Richteramt Thal-Gäu in seinem Urteil [TGZPR, 2019.549-AGRSTB] festgehalten hat: Darin hält das Gericht fest, dass per Gesetz überall dort eine Verjährungsfrist von 10 Jahren vorgesehen sei, wo das Gesetz keine abweichende Frist aufgestellt habe, oder die Unverjährbarkeit vorsehe.

Vorteile eigener Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Um nicht jeden einzelnen Vertrag individuell aushandeln zu müssen, sind Unternehmen dazu übergegangen, gleichbleibende Vertragsbedingungen im Voraus zu formulieren und sie dem jeweiligen Vertrag zugrunde zu legen. Eine der wesentlichen Vorteile der AGB liegt damit in der Standardisierung der Geschäftstätigkeit. Dank der Standardisierung können Unternehmen bei den Vertragsverhandlungen Zeit einsparen, muss doch nur noch über den Kern des Geschäfts verhandelt werden. Zudem können AGB einheitliche Vertragsbedingungen schaffen, was die Vertragsbeziehung enorm vereinfacht, dem Unternehmen Kosten einspart und zudem die Rechtssicherheit erhöht.

In AGB können der Wille und die Interessen eines Unternehmens festgehalten werden – natürlich im Rahmen des gesetzlich Möglichen. Wenn keine AGB verwendet werden, gelten für die Geschäftsbeziehungen mit Kund:innen oder Geschäftspartner:innen die gesetzlichen Regelungen des OR.

Wenn die AGB einmal stehen, entfällt inskünftig auch die Notwendigkeit, juristisch geschulte Mitarbeiter:innen für den Abschluss der Verträge einzusetzen. Der einheitliche Inhalt der Verträge ermöglicht Unternehmen eine sichere Kalkulationsgrundlage hinsichtlich der Leistungen, Kosten sowie allgemeiner Geschäftsrisiken und bietet zusätzlich die Möglichkeit, die potentiellen Prozessrisiken besser einzuschätzen und zu verhindern.

Gerade im B2C-Verhältnis schaffen AGB gegenüber Kund:innen Transparenz und Sicherheit: Kund:innen erfahren aus den AGB, welche Leistungen diese für ihr Geld erhalten und welche rechtliche Beziehung durch den Vertrag mit dem Unternehmen entsteht. Die Verwendung von AGB kann bei Kunden:innen den Eindruck von Professionalität und Seriosität erwecken. Auch wenn erwiesenermassen die wenigsten Kund:innen die AGB resp. das „Kleingedruckte“ durchlesen, kann sich das Unternehmen im Streitfall denn auch auf die von den Kund:innen akzeptierten AGB berufen.

Im Übrigen schafft die Verwendung von AGB auch gegenüber Mitarbeiter:innen rechtliche Klarheit. Bei Streitigkeiten mit Kund:innen können sich Mitarbeiter:innen an den AGB orientieren. Sie können frei entscheiden, ob sie gegenüber den Kund:innen auf die Durchsetzung der AGB bestehen oder aber „aus Kulanz“ Kund:innen entgegen kommen, was dann ein gutes Licht auf das Unternehmen wirft.

Von Vorteil ist auch, dass mit AGB rechtliche Streitigkeiten im Vorfeld vermieden werden können, werden doch häufig auftretende Probleme bereits im Vorfeld thematisiert und es wird im Streitfall für Rechtsklarheit gesorgt.

Beispiel: Mittels AGB kann die Gewährleistung von Verkaufsprodukten wegbedungen werden. Jedoch sind hier Grenzen gesetzt: Ein Mangel fällt nicht unter den Gewährleistungsausschluss, wenn er gänzlich ausserhalb dessen lag, womit ein/e Käufer:in vernünftigerweise hätte rechnen müssen (vgl. Urteil BGer 4A_444/2017 vom 12. April 2018).

Gleichzeitig schützen sich Unternehmen mit der Verwendung von AGB vor benachteiligenden AGB ihrer Geschäftspartner:innen. AGB sind gerade für kleine Unternehmen mit grossen Kund:innen sinnvoll, sehen sie sich doch vielfach dem Vertragsdiktat der Grossunternehmen ausgesetzt.

Was gehört in die AGB?

Randbemerkung: Individuell vereinbarte vs. vorformulierte Klauseln im Einzelnen

Nicht selten verwenden Unternehmen im Massenverkehr Vertragsvorlagen mit bereits vorformulierten Vertragsklauseln. Zwei Randbemerkungen hierzu: Erstens, es gibt nichts Besseres als von Grund auf neu formulierte Vereinbarungen aufzusetzen, denn die Kopie von AGB anderer Unternehmen wird selten zum eigenen Geschäftsmodell passen. Zweitens: AGB sollten nicht von anderen Unternehmen kopiert werden, sind diese doch urheberrechtlich geschützt. Die Kopie von AGB kann daher eine Abmahnung und/oder eine Unterlassungsklage nach sich ziehen.

Anwendbares Recht

Gerade im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr besteht oft Unsicherheit über das Recht des Wohnsitzstaates der/s Kund:in. Daher empfiehlt es sich, in den AGB das anwendbare Recht festzulegen.

Praxistipp: Beim grenzüberschreitenden Warenverkehr muss die Anwendbarkeit des Wiener Kaufrechts – sofern nicht erwünscht – explizit ausgeschlossen werden (vgl. Art. 6 CISG). Denn eine von den Parteien geschlossene Rechtswahl führt nicht zum Ausschluss des Wiener Kaufrechts, sondern zu dessen Einschluss (vgl. Urteil 4A_543/2018 vom 28. Mai 2019). Weiter handelt es sich bei der Rechtswahl, sofern diese zu Lasten der/des Kund:in von der gesetzlichen Regelung abweicht, um eine ungewöhnliche Klausel, welche zu ihrer Gültigkeit entsprechend hervorgehoben werden muss.

Gerichtsstand

Die Regelung des Gerichtsstandes in den AGB verschafft Sach- und Beweisnähe sowie die Vorhersehbarkeit des Gerichtsstands. Zu beachten ist, dass sobald eine Tätigkeit auf den Staat ausgerichtet ist, in dem Kund:innen ihren Wohnsitz haben, diesen die Wahl zusteht, die Klage an ihrem Wohnsitz oder am Sitz oder Niederlassung des Unternehmens einzureichen (Art. 16 LugÜ). Vorausgesetzt ist, dass die Tätigkeit des Unternehmens auf den Staat ausgerichtet ist, in dem die Kund:innen ihren Wohnsitz haben. Folgende Indizien lassen die Annahme zu, dass ein Unternehmen grenzüberschreitend agiert: Domainname („.com“), Währung „zahlbar in CHF, EUR, USD“, Webauftritt in verschiedenen Sprachen oder Vorwahl: „wenn Sie aus Deutschland anrufen +49 (...), wenn Sie aus der Schweiz anrufen +41 (...)“.

Mitwirkungspflicht / Schadensminderungspflicht

Es ist ratsam, in den AGB Kund:innen dazu zu verpflichten, an der Vertragsabwicklung mitzuwirken, damit ein Unternehmen nicht allein für die Erfüllung der vereinbarten Leistung verantwortlich ist. Eine solche Klausel könnte wie folgt aussehen: „Die/der Versicherungsnehmer:in muss alles dafür tun, dass der Versicherungsschaden so gering wie möglich gehalten wird. Darüber hinaus muss die/der Versicherungsnehmer:in mit der Versicherung kooperieren, wenn es bspw. darum geht, wichtige Unterlagen zu beschaffen“. Verletzen die Versicherungsnehmer:innen diese Pflicht, kann das Unternehmen die Leistung verweigern oder kürzen.

Konventionalstrafe

Gerade wenn ein Unternehmen die Ausübung von Kündigungsrechten oder Pflichtverletzungen durch Kund:innen abwenden will, ist es ratsam, in den AGB eine Konventionalstrafe aufzunehmen, zumal gerade die Kündigung vertraglich nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Die Konventionalstrafe dient zweifellos der Vereinfachung der Durchsetzbarkeit einer Schadenersatzpflicht, wird doch das Unternehmen damit vom Nachweis des Schadens, der durch die Kündigung oder Pflichtverletzung entsteht, befreit. Ausserdem verstärkt die Konventionalstrafe die Position des Unternehmens, da die Vertragspartner:innen mit Blick auf die Konventionalstrafe den Vertrag mit grösserer Wahrscheinlichkeit erfüllen.

Salvatorische Klauseln

Solche Klauseln bestimmen, dass eine bestimmte Klausel gilt, auch wenn allenfalls eine andere Klausel ungültig sein sollte. Sie sind beliebt, aber umstritten. In der älteren Lehre wurde die Reduktion auf das erlaubte Mass noch gebilligt. Es besteht Einigkeit darüber, dass solche «nichtigen» Klauseln nicht auf das erlaubte Mass zu reduzieren sind (geltungserhaltende Reduktion); vielmehr sind sie nichtig und an deren Stelle tritt das dispositive Recht. Daher: AGB-Bestimmungen, welche die Nichtigkeitsfolge zu vermeiden suchen («salvatorische Klauseln»), sind missbräuchlich und damit nichtig.

Fazit

AGB als definitionsgemäss vorformulierte Vertragsklauseln stellen eine Automatisierung und damit eine Vereinfachung der Geschäftsbeziehung dar. Wenn das Unternehmen als Verkäufer oder Dienstleister AGB verwendet, kann es die dispositiven Regelungen des OR in gewissen Schranken zu seinen eigenen Gunsten „korrigieren“. Zudem ermöglichen AGB gleichförmige und berechenbare Geschäftsprozesse. Mit den AGB kann jede Geschäftsbeziehung gleich strukturiert werden, womit Unternehmen Aufwand, Zeit und Kosten einsparen.

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