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Coaching im Metaverse: Welches Potenzial bietet das Metaverse für Coachingprozesse?

Seit verschiedene Technologiekonzerne hohe Wachstumspotenziale darin sehen, hat das «Metaverse» an Popularität gewonnen. Der Zugang zu virtuellen Welten soll vereinfacht und dadurch die Möglichkeiten für die Nutzer*innen erhöht werden. Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie das Metaverse für Coachingprozesse genutzt werden kann.

14.03.2023 Von: Sebastian Ulbrich
Coaching im Metaverse

Der Begriff «Metaverse» wurde in den 1990er­Jahren vom Science­Fiction­Autor Neal Stephenson geprägt. Er be­zeichnet eine virtuelle Welt, an der Men­schen in digitalen Körpern als Avatare teil­nehmen. In jüngster Zeit hat der Begriff an Popularität gewonnen, weil Technolo­giekonzerne im Metaverse einen Markt mit hohem Wachstumspotenzial sehen. Dementsprechend wird der Zugang zum Metaverse immer einfacher, z.B. bezüg­lich kompatibler Geräte und Verfügbar­keit virtueller Welten.

Die virtuelle Realität (VR), so die Progno­sen, soll unser Leben ähnlich stark verän­dern wie einst das Internet und die Digi­talisierung. Es herrscht Pionierstimmung, und auch wenn vieles wie ein weiterer grosser Hype anmutet, bietet das Meta­verse unendliche Möglichkeiten, Altbe­währtes neu zu denken und neue An­wendungen zu erschliessen.

Vom «Second Life» zum Coaching

In diesem Beitrag gehe ich der Frage nach, wie der Einsatz von VR Coaching­prozesse bereichern und ergänzen kann und welche Einsatzgebiete von Coaching im Metaverse denkbar sind. VR­Brillen, mit denen man in virtuelle Welten aus der Ich­Perspektive einsteigen kann, sind schon etwas länger auf dem Markt. Und auch Plattformen wie «Second Life» bie­ten Zugang zu virtuellen Welten seit fast 20 Jahren an. Ähnlich sieht es mit VR­Anwendungen in der Therapie und zur allgemeinen Steigerung des Wohlbefin­dens aus. Der Einsatz von VR­Technologie hat sich dort vor allem zur Förderung der Entspannung und der Behandlung von Ängsten (z.B. Flugangst, Phobien oder Auftrittsangst) sowie in der Schmerzthe­rapie als wirksam erwiesen. Doch auch im Coaching bietet sich Potenzial für den Einsatz von VR, zum Beispiel bei der Ge­staltung der Coachingräume und Avata­re (siehe Abbildung 1) sowie zur Unterstützung von Übungen und Entspannungsverfahren.

Virtueller Raum als «safe space»

Im Coaching ist entscheidend, ob Coa­chees sich in einem sicheren Raum be­wegen können, der zwischenmensch­lich und von der Umgebung her einen Kontrast zum Alltag bietet. Das Kreieren von «safe spaces», in denen man Prob­lemmuster gefahrlos reflektieren kann, wird durch VR­Technologie sehr gut un­terstützt. Mit dem Aufsetzen einer VR­Brille taucht man augenblicklich in eine andere Welt ein. Für Coaching bedeutet dieses Eintauchen, die sog. Immersion, dass Alltagsprobleme aus einer sicheren Distanz betrachtet und bearbeitet wer­den können. Dadurch reduziert sich au­tomatisch die Intensität der mit den pro­blematischen Erinnerungen verbundenen Emo tionen, was wiederum die Lösungs­findung unterstützen kann.

Grosses Potenzial von VR­unterstützten Coachingprozessen besteht auch darin, Coachingräume zu personalisieren und ganz nach den Vorstellungen von Coa­chees zu gestalten. Sie können auch leicht mit Objekten ausgestattet werden, die für den Coachee mit Problem­ und vor allem Lösungsmustern verknüpft sind.

Unser Gedächtnis ist auf einzigartige Weise raumgebunden, und das gilt für virtuelle Räume ebenso wie für unsere re­alen Umgebungen. Zellen im Hippocam­pus codieren unsere genaue Position im Raum, die Bewegungen, die Ausrichtung unseres Kopfes und legen auf diese Weise kognitive Karten unserer Umgebung an. Erinnerungen an Situationen, die wir erle­ben, werden automatisch mit räumlichen Gegebenheiten verknüpft. Im virtuellen Raum lässt sich dies gezielt in Coachings nutzen, zum Beispiel, um Erinnerungen zu verankern, die zur Lösung eines Prob­lems beitragen (siehe Abbildung 2).

Das Problem aus unterschied­licher Distanz betrachten

Weil die Veränderung von raumbezoge­nen kognitiven Karten so mächtig ist, las­sen sich auch Übungen zur Abgrenzung und Distanzierung durch VR auf neue Art nutzen. Zum Beispiel, indem man Objekte beliebig manipuliert, sie vergrössert oder verkleinert, näher holt oder weit wegschickt. Auf diese Weise können Coachees gleich erfahren, wie es wäre, wenn ein Problemzustand weniger Raum einnehmen würde, oder wie es ist, aus grosser Entfernung auf das Problem zu schauen. Auch wie nah man ein Problem an sich heranlässt und wo man Grenzen setzt, lässt sich durch VR konkret erfahren. Problemlösungen, die im VR­Coaching entstehen, werden so zu unvergesslichen Erlebnissen – denn sie finden in einem per­sonalisierten Raum statt, dem jede Coa­chee eine individuelle Bedeutung zuweist.

Simulationen von gewünschten Verhal­tensweisen und sozialen Situationen sind weitere Einsatzgebiete von VR­Coaching. Beispielsweise kann man mit einem Ava­tar anspruchsvolle Gesprächssituationen oder eine Präsentation vor der Geschäfts­leitung üben. Insgesamt ist der positive Effekt von VR auf Simulationen, z.B. von öffentlichen Auftritten oder Konfronta­tionen mit Angst auslösenden Situatio­nen, gut belegt.

Auch kann die Wahl der Avatare Auswir­kungen auf das Erleben und Verhalten haben. Der sogenannte Proteus­Effekt besagt, dass die Gestaltung des eige­nen Avatars das Verhalten beeinflusst. Mit VR wird es möglich, in der Haut von Heldin, Narr oder Giraffe zu stecken und so das eigene subjektive Empfinden auf spielerische Art zu verändern. Gepaart mit dem passenden Storytelling steckt in solchen Körperillusionen allgemein gros­ses Potenzial, zum Beispiel, wenn es um die Reduktion von impliziten Vorurteilen und Stereotypen geht. Virtuell in einer fremden Haut zu stecken, kann positive Effekte auf die Fähigkeit zur Perspektiv­übernahme haben bzw. unbewusste Vor­urteile reduzieren.

Körperliche Erfahrung im Coaching durch VR erhöhen

Insgesamt ergibt sich durch die immer­siven Erfahrungen im VR die Chance, körperliche Erfahrungen der Coachees stärker für Coachingprozesse zu nutzen. Ob man Apps zur Entspannung, Erhö­hung der Achtsamkeit oder für Medita­tion nutzt oder mit den Coachees an der Körperhaltung arbeitet – die Möglichkei­ten, somatische Marker für Coaching zu nutzen, werden durch den Einsatz von VR vielfältiger. Hier gibt es mittlerweile eini­ge einfache Apps zur Unterstützung von Entspannungsverfahren, z.B. zur Atemre­gulation oder um die Aufmerksamkeits­lenkung zu fördern.

Es mutet paradox an, dass gerade durch mehr Virtualität im Coaching der Körper stärker in den Fokus der Aufmerksam­keit rückt und Aspekte des Raums höher gewichtet werden. Vielleicht liegt das Potenzial von Coaching im Metaverse gerade darin, dass kognitiv­analytische Coachingansätze auf eine leichte und spielerische Art erweitert und so an Wirk­samkeit gewinnen könnten.

Der Einsatz von VR im Coaching kann Coachingprozesse sinnvoll ergänzen und ohne grossen Aufwand realisiert werden. Ob es Sinn macht, Coachings ausschliess­lich in virtuellen Räumen anzubieten, wird sich erst durch Ausprobieren zeigen. Er­gänzend eingesetzt, hat Coaching im Metaverse aus meiner Sicht das Potenzial, sich auf spielerische Art und Weise Pro­blemmustern und schwierigen Entschei­dungssituationen zu nähern und diese mit einer gewissen Leichtigkeit zu bear­beiten. Erste Hinweise, dass sich diese Einschätzung bewahrheiten könnte, hat uns in den letzten Wochen ein Pilotpro­jekt mit sieben Coachees geliefert.

Coaching im Metaverse: Was ist anders?

  • Immersion schafft augenblicklich Distanz zum Alltag («safe space»)
  • Coachingräume lassen sich leicht personalisieren – bessere Gedächtnisanker
  • Visuelle und auditive Objekte sind vielfältig manipulierbar
  • Verändertes Erleben und Verhalten durch Avatare als Stellvertreter
  • Simulationen von Alltagssituationen zum Trainieren von Lösungsmustern
  • Abgrenzung und Distanzregulation direkt körperlich erfahrbar
  • Erleichterte Emotionsregulation durch Förderung von Achtsamkeit und Entspannung
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