Future of Work: Kann KI Führungskräfte ersetzen?

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Alexander Beck und Dr. Tobias Heisig im Gespräch
Tobias Heisig: Alexander, vielen Dank für die Einladung zu diesem Gespräch über Future of Work und Arbeitskultur. In deinen Beratungsprojekten zeigst du immer wieder auf, wie wichtig die Verbindung fachlicher Expertise mit einer kooperativen Grundhaltung als Kernbestand einer zukunftsfähigen Arbeitsplatzkultur ist. Wenn wir die globale Situation z.B. ausgehend von den USA betrachten, könnte man den Eindruck gewinnen, beides sei abgemeldet. Viele finden das besorgniserregend. Welche Beobachtungen machst du dazu in den Unternehmen der Schweiz?
Alexander Beck: Das Thema Kooperation ist tatsächlich im Führungsalltag vieler Führungskräfte im KMU-Umfeld aufgrund der Umbrüche immer schwieriger zu fassen. Es mündet darin, dass das Führungsverständnis im Kontext der allseitigen Transformationen in den Unternehmungen neu definiert werden muss.
«Was ist der Mensch, wenn die Maschine alles genauso gut kann und vielleicht noch besser?» – Alexander Beck
Tobias Heisig: Prognosen sind in der heutigen Zeit natürlich schwierig. Aber du hast viel Erfahrung. Angenommen, du blickst fünf Jahre in die Zukunft: Welche sind die wichtigsten Merkmale einer Arbeitskultur, die von den Führungskräften gefördert werden sollten?
Alexander Beck: Die zukünftige Arbeitswelt steht im Spannungsfeld zwischen individueller Selbstverwirklichung und wirtschaftlichem Erfolgsdruck. Daraus ergeben sich zentrale Herausforderungen wie die Integration von Technologie, die stärkere Ausrichtung auf Werte und Sinn sowie die Förderung mentaler Gesundheit und Resilienz:
- Künstliche Intelligenz und Mensch-Technik-Interaktion, weil Mensch und Maschine zueinander finden müssen…
- Sinn- und Werteorientierung, weil sich unser Bild von Arbeit und Gesellschaft weiterhin verändern wird…
- Wellbeing, mentale Gesundheit und Resilienz, weil wir lernen müssen, nachhaltiger zu arbeiten und zu leben …
- Co-Kreation und Lernorientierung, weil die Fragestellungen so komplex sind, dass ein Mensch sie nicht allein lösen kann …
Dabei sollten wir Modelle anwenden, in denen die Weiterentwicklung der Organisation gleichzeitig auch die Weiterentwicklung der Führungskräfte einschliesst. Denn beides bedingt sich gegenseitig.
Tobias Heisig: Ich weiss nicht, ob du den Hamburger Professor Niels Van Quaquebeke kennst. Er beschäftigt sich mit der Frage, ob KI künftig Vorgesetzte ersetzen könnte. In seinen Keynotes betont er immer wieder, dass wir uns durchaus darauf einlassen sollten, wenn es etwa bringt. Vermutlich hätte dies starke Auswirkung auf «Future of Work». Wie ist dein Reflex, wenn du so etwas hörst?
Alexander Beck: Ich habe da zwei Seelen in meiner Brust. Zunächst einmal verstört mich das. Wenn ich mir vorstelle, im Alltag in hohem Masse von Maschinen umgeben zu sein, die mit mir empathisch und sachkundig reden – und mir dann bewusst mache, dass das kein Mensch ist. Ich finde, es wirft eine grundsätzliche Frage auf: Was ist der Mensch, wenn die Maschine alles genauso gut kann und vielleicht noch besser? Für mich ist das irgendwann auch eine ethische Grundsatzfrage.
Tobias Heisig: Verbunden ist für mich damit folgende Überlegung: Erfüllen eigentlich unsere Führungskräfte die hohen Erwartungen? Wenn wir die Führungsqualität im Durchschnitt eher kritisch betrachten würden, taucht die ethische Frage mit noch mehr Dringlichkeit auf, denn Führungskräfte wären dann umso leichter durch KI ersetzbar: Gute KI ist stabil und weder cholerisch noch unstrukturiert. Und sie hat Zeit für Führung.
Alexander Beck: Ja, in der Tat. Zugleich kann künstliche Intelligenz Führungskräfte bei der Zielerreichung sinnvoll unterstützen, vor allem in operativen Bereichen wie z.B. der Einsatzsteuerung oder der Datenanalyse. Besonders hilfreich ist KI ausserdem beim Verarbeiten und Clustern komplexer Informationen, die als Grundlage für Managemententscheidungen dienen.
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Tobias Heisig: Tatsächlich sind die Auswirkungen von KI und Automatisierung bereits deutlich spürbar. Die Herausforderung besteht darin, diesen Wandel aktiv zu gestalten und die Mitarbeitenden gezielt auf neue Kompetenzanforderungen vorzubereiten. Diese hoch anspruchsvolle Aufgabe bleibt aus meiner Sicht noch lange eine genuine Aufgabe der menschlichen Intelligenz.
Alexander Beck: Ganz genau, und damit sind wir wieder bei den bereits genannten Themen Sinn, Wellbeeing und Co-Kreation. Aber was passiert mit Menschen, die mit der Qualifizierungsdynamik nicht mithalten können? Sie drohen zu den Verlierern des Wandels zu werden. Mit potenziell spaltender Wirkung für die Gesellschaft. Was wäre da deine Idee?
Tobias Heisig: Gesellschaft und Wirtschaft sind untrennbar miteinander verbunden – Unternehmen leben von der Gesellschaft und umgekehrt. Deshalb ist es zentral, dass alle gesellschaftlichen Gruppen im Dialog bleiben, unabhängig von Bildung oder Funktion. Ein weiterer Grund, warum Future of Work so gestaltet werden muss, wie von dir beschreiben. Und gleichzeitig braucht es gezielte
Upskilling-Initiativen, damit möglichst viele mithalten und vor allem mitgestalten können. Es geht um ein gemeinsames kulturelles Verständnis.
Alexander Beck: Im Rahmen von New Work entwickeln sich Organisationen entlang zweier Pfade: Einige gestalten ihre Strukturen radikal neu mit flachen Hierarchien, Selbstorganisation und hoher Mitarbeitereinbindung. Andere gehen den Wandel schrittweise an und integrieren flexible Elemente in bestehende Systeme. Beide Ansätze zeigen unterschiedliche, aber valide Wege im Umgang mit dem Wandel der Arbeitswelt – entscheidend ist Passung zur Unternehmenskultur. Was erlebst du in deinen Mandaten, und hast du den einen oder anderen Praxistipp?
«Gute KI ist stabil und weder cholerisch noch unstrukturiert. Und sie hat Zeit für Führung.» – Tobias Heisig
Tobias Heisig: Ich führe vermehrt genau diese Diskussion. Geht es um eine Revolution oder um eine Evolution? Tatsächlich geht es um beides. Nicht selten überschätzen wir die Geschwindigkeit, in der sich alles vollzieht. Am Ende geht es doch langsamer. Und gleichzeitig herrscht viel Krisenstimmung. In Krisenzeiten greifen viele Unternehmen auf traditionelle, hierarchische Modelle zurück – was die bestehenden Ängste zusätzlich schürt, Lernprozesse hemmt und die Veränderungsbereitschaft mindert. Manchmal im Reflex auf überzogene Erwartungshaltungen an die Flexibilität des Arbeitgebers, z.B. wenn es um mobiles Arbeiten geht. Deswegen dürfen wir schon klar sagen: Wir brauchen Leistung, um in die Zukunft zu kommen.
Alexander Beck: Das stimmt. Aus meiner Sicht müssen wir jedoch in Balancen denken. Es gibt kein Schwarz-Weiss. Future of Work bedeutet nicht, dass das Bisherige gar nicht mehr gilt. Aber die Akzente verschieben sich.
Tobias Heisig: Danke Alexander für den spannenden Dialog!
Konklusion:
Die Arbeitswelt der Zukunft erfordert flexible Strukturen, sinnstiftende Tätigkeiten und eine neue Führungskultur, die auf Servant Leadership, psychologischer Sicherheit und Kooperation basiert. Künstliche Intelligenz übernimmt operative Aufgaben,
während Unternehmen zunehmend Verantwortung für Weiterbildung, mentale Gesundheit und gesellschaftliche Integration
tragen.