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Ältere Mitarbeitende: Nicht belastbar und teuer – wirklich?

Die meisten Unternehmen bekennen sich zu den gängigsten «Diversity, Equity und Inclusion (DEI)»-Standards. In der konkreten Umsetzung fallen dann jedoch Ungenauigkeiten oder sogar eklatante Dissonanzen auf, z.B. beim Umgang mit älteren Arbeitnehmenden.

22.08.2023 Von: Melanie Knijff
Ältere Mitarbeitende

Dies beginnt üblicherweise in der Rekrutierung. Es wird eine Stelle ausgeschrieben, die Stellenanzeige ist nach den typischen Sektionen aufgeteilt: eine Einleitung über das Unternehmen (allenfalls wird bereits hier darauf hingewiesen, dass es sich um einen Arbeitgeber handelt, der Wert auf DEI legt), eine Beschreibung der Aufgaben sowie eine Liste der Anforderungen, die der Kandidat oder die Kandidatin mitbringen soll. Abgerundet wird die Stellenanzeige mit einem abschliessenden (meist Standard-)Absatz über Gleichstellung. In vielen Anzeigen ist dieser so formuliert, dass ein Fokus auf die Förderung qualifizierter Frauen erkennbar ist. In der Beschreibung des Wunschkandidaten unter «Anforderungen» wird dann aber gerne ein Altersrahmen von 35 bis 45 («idealerweise sind Sie zwischen 35 und 45 Jahre alt») angegeben. Dass dies eine DEI-Verletzung allererster Güte ist, fällt zahlreichen Unternehmen nicht auf. DEI ist so viel mehr als lediglich die Förderung von Frauen.

Lassen Sie also einen Altersrahmen in Ihren Stellenausschreibungen weg. Es gibt schliesslich jüngere Personen, denen bereits in jungen Jahren verantwortungsvolle Aufgaben übertragen werden können. Ebenso sind viele ältere Arbeitnehmende durchaus in der Lage, z.B. körperlich anstrengende Arbeiten zu verrichten. Vertrauen Sie darauf, dass diejenigen sich bewerben werden, die sich den Anforderungen gewachsen fühlen.

    Warum gibt es nun aber diesen typischen Altersrahmen mit Fokus auf die 35- bis 45-Jährigen? Die gängige Meinung ist, dass Personen in dieser Altersklasse bereits über einiges an Berufserfahrung verfügen, aber noch nicht so alt sind, um – ja, was eigentlich? In der Regel sind es vier Vorurteile, die gegenüber Mitarbeitenden ab 45, spätestens aber ab 50, vorherrschen:

    Vorurteil 1: Ältere Mitarbeitende sind teuer

    Ist dem wirklich so? Interessanterweise verhandeln oft die 35- bis 45-Jährigen besonders hartnäckig – schliesslich ist das die Alterskategorie, in der man im Leben am meisten Geld «braucht». Viele Arbeitnehmende haben Kinder, für deren Betreuung sie Unsummen ausgeben, allenfalls eine Immobilie erworben haben etc. Ältere Bewerber hingegen haben oft «ihre Schäfchen bereits im Trockenen» und sind bereit, Abstriche beim Lohn in Kauf zu nehmen, wenn alles andere stimmt. Seien Sie gedanklich offen und gehen Sie nicht generell davon aus, dass alle älteren Bewerber besonders überzogene Lohnvorstellungen haben.

    Vorurteil 2: Ältere Mitarbeitende sind weniger belastbar als jüngere Kolleginnen/Kollegen

    Um bei dem Beispiel des 35- bis 45-jährigen Mitarbeitenden zu bleiben: Diese Lebensspanne ist für viele Arbeitnehmende besonders aufreibend. Oftmals sind kleine Kinder im Spiel, die viel Aufmerksamkeit verlangen, was meist mit reduziertem Schlafpensum der Elternteile einhergeht. Jüngere Arbeitnehmende – oder eben ältere – sind aus dieser Perspektive belastbarer. Ältere auch deshalb, weil sie Erfahrung im Berufsalltag mitbringen und «sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen» lassen. In diesem Sinne kann es also sein, dass sie sogar belastbarer sind als jüngere Mitarbeitende.

    Vorurteil 3: Ältere Mitarbeitende sind nicht mehr up to date

    Dass ältere Mitarbeitende «eingerostet» sind, hält sich hartnäckig als Vorurteil. Damit spielt man meist darauf an, dass diese am Status quo festhalten und mit Argumenten wie «das haben wir immer schon so gemacht» kommen. Kurzum: Es wird ihnen ein starres, innovationshemmendes Mindset nachgesagt. Junge Menschen hingegen seien «von Natur aus agil» und besonders die jüngste Generation «digital native». Mir sind schon sehr viele ältere Arbeitnehmende begegnet, die ein absolut offenes Mindset hatten. Ebenso häufig gibt es junge Menschen, deren Denkhaltung starr in eine Richtung zeigt. Es ist vielmehr eine Frage der Prägung sowie auch der Disposition als eine Frage des Alters.

      Vorurteil 4: Ältere Mitarbeitende lassen sich nichts sagen

      Auch dass ältere Mitarbeitende schwer zu führen seien, ist ein weitverbreitetes Klischee. Sie liessen sich angeblich nichts sagen. Stimmt das wirklich? In Einzelfällen kann das durchaus der Fall sein. Aber deswegen alle aus dieser Gruppe über einen Kamm zu scheren, wird der Situation nicht gerecht. Ältere Mitarbeitende haben es meist nicht mehr nötig, sich zu profilieren, und können in schwierigen Situationen auch einfach einmal einen Schritt in den Hintergrund treten. Sie rennen nicht jedem Trend nach, sondern treffen überlegte Entscheide, basierend auf Erfahrungs- sowie Fachwissen.

      Dies mag sich so anhören, als sollte man nur noch ältere Arbeitskräfte einstellen. So ist das nicht gemeint. Gefragt ist eine Mischung, bei der alle Altersgruppen ihre jeweilige «Education, Experience und Exposure» einbringen können.

      Vielfalt ist ein elementar wichtiger Bestandteil, der Unternehmen erfolgreich macht. Selbst wenn es so sein sollte, dass ein älterer Mitarbeitender eine eher ablehnende Haltung gegenüber einer Neuerung hätte, so braucht es diese Personen z.B. in Entwicklerteams. Es braucht die kritischen Hinterfrager, die konstruktiv Dinge anzweifeln, ohne alles zu blockieren. Das Mindset ist der entscheidende Faktor, nicht das Alter.

      Mindset als DEI-Faktor

      Es gibt also etwas jenseits der «harten DEI-Faktoren » (einige der «harten» Faktoren sind das Geschlecht, das Alter, die Religion, sexuelle Orientierung etc.). Zu den «weichen» Faktoren zählen u.a. die Arbeitsweise oder eben das Mindset. Um auf das Beispiel der Hinterfrager zurückzukommen: Viele Unternehmen machen den Fehler, dass sie eine Mitarbeitertypologie anstreben, die lediglich auf den Quadranten der Leistungsträger abzielt (siehe Abbildung).

      Die «Superstars», also die Leistungsträger, sind typischerweise diejenigen, die ein grosses Engagement (Leistungsbereitschaft) für das Unternehmen zeigen, und die gleichzeitig ein hohes Commitment (Bindung) gegenüber dem Arbeitgeber aufweisen. Dass ein Unternehmen wenige Mitarbeitende haben möchte, die wenig Engagement sowie Commitment («Nicht-Erreichte») haben, liegt auf der Hand. Die meisten Unternehmen jedoch sträuben sich gegen jene, die man «Bewohner» nennt: Das sind die Mitarbeitenden mit wenig Engagement, aber hohem Commitment. Diese Mitarbeitenden streben quasi nicht nach «mehr», sie haben keine enorme Leistungskurve, aber sie sind stark an das Unternehmen gebunden und verrichten ihre Arbeit in der Regel solide. Warum also diese «loswerden»? Leistung ist nicht alles. Solide Mitarbeitende, die nicht herausragende Performance abliefern, dafür aber mit beiden Beinen im und zum Unternehmen stehen, sind auch etwas wert. Sie bringen ein Mindset ins Unternehmen, das den sogenannten distanzierten Leistungsträgern guttut. Diese nämlich leisten viel, haben aber wenig Bindung zur Firma und sind dann auch oft schon mit einem Bein bei der Konkurrenz, wenn diese mit einem guten Angebot lockt. Einige Manager setzen Bewohner gerne mit älteren Mitarbeitenden gleich bzw. schreiben älteren Mitarbeitenden ein «Bewohnerartiges» Mindset zu, statt dieses Mindset sowie das Alter als Möglichkeit anzusehen, Vielfalt in das Unternehmen hineinzubringen.

      Natürlich sollte man nicht alles als «Vielfalt» bezeichnen, womöglich sogar Fehlverhalten von Mitarbeitenden. Aber man sollte sich ein gutes Bild davon verschaffen, wie vielfältig die Mitarbeitenden eigentlich sind, und dabei auch die hintergründigen Kriterien wie z.B. das Mindset berücksichtigen. Bei der Besetzung von Projektteams kann dies enorm nützlich sein. Und in der Rekrutierung lässt sich dies bewusst anwenden, um die Vielfalt im Unternehmen auf möglichst verschiedene Aspekte auszudehnen. Indem Stellenanzeigen oftmals nur für eine bestimmte Altersgruppe ausgeschrieben sind, verkleinert man den potenziellen Pool an Bewerbern unnötig. Daher folgende drei abschliessende Tipps:

      • Verzichten Sie auf Altersangaben in Ihren Stellenanzeigen. Vertrauen Sie darauf, dass die Bewerbenden ein gutes Gefühl dafür haben, ob sie sich die ausgeschriebene Tätigkeit zutrauen oder nicht.
      • Investieren Sie in Ihre Kultur. Schauen Sie auf das Mindset Ihrer Belegschaft. Fördern Sie ein agiles Mindset, indem Sie bei der Rekrutierung «hinter die Fertigkeiten» schauen («hiring beyond skills») und indem Sie Ihre bestehende Belegschaft entsprechend ausbilden (Strategievermittlung, Teilen einer Vision, Etablieren eines «Code of Conduct» etc.).
      • Rollen sie eine breite DEI-Strategie aus, das heisst, konzentrieren Sie sich nicht nur auf einzelne Faktoren (z.B. auf Rekrutierung/ Förderung von Frauen), sondern achten Sie auch im Kleinen auf Diversität, z.B. darauf, bei Teamzusammenstellungen auf Vielfalt in den Erfahrungen, Ausbildungen und im Mindset der Teammitglieder Wert zu legen, statt lediglich auf «harte Diversity-Faktoren». Dies erfordert Mühe, da ein solches Vorgehen im Unternehmen etabliert und dafür sensibilisiert werden muss. Aber es wird sich lohnen.
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