Praktikum: Ausgewählte Fragestellungen des Arbeitsrechts

Praktika dienen jugendlichen Arbeitskräften oft als Brücke zwischen der Ausbildung und dem Einstieg in das Berufsleben. Doch während Praktika wertvolle Erfahrungen bieten können, werfen sie auch verschiedene arbeitsrechtliche Fragestellungen auf. Überdies sind bei Jugendlichen unter 18 Jahren zusätzliche Schutzbestimmungen zu beachten. Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um Praktika.

16.07.2024 Von: RA Sandra Küng
Praktikum

Was versteht man unter einem Praktikum?

Ein Praktikum ist in der Regel eine befristete Anstellung mit dem Zweck des Erlernens oder der Vertiefung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten. Regelmässig wird ein Praktikum im Rahmen einer Ausbildung absolviert, um Erfahrungen in einem bestimmten Arbeitsumfeld zu sammeln. Es bietet eine Gelegenheit, um theoretische Kenntnisse in der Praxis anzuwenden, neue Fähigkeiten zu erlernen und Einblicke in das Arbeitsleben zu gewinnen.

Welche rechtlichen Bestimmungen kommen zur Anwendung?

Das Praktikum ist im Obligationenrecht nicht gesondert geregelt. Es kommen die Bestimmungen zum Einzelarbeitsvertrag und die Bestimmungen zum befristeten Arbeitsverhältnis von Art. 334 OR zur Anwendung. Überdies sind insbesondere die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes (ArG) und der darauf basierten Verordnungen (ArGV 1–5) zu beachten.

Welche speziellen vertraglichen Regelungen sind angezeigt?

Im Interesse des Praktikanten/der Praktikantin sind die konkreten, oftmals durch die Bildungsinstitution vorgegebenen, Praktikumsziele im Vertrag festzuhalten. Dadurch wird sichergestellt, dass der Praktikant/ die Praktikantin für Arbeiten eingesetzt wird, welche zur Erreichung und Vertiefung des Ausbildungs- oder Weiterbildungsziels beitragen. Im Einzelfall hängt dies jedoch von den konkreten Vorkenntnissen und Berufserfahrungen des Praktikanten/der Praktikantin ab. So können bei Berufseinsteigern durchaus auch einfache und repetitive Arbeiten im Rahmen dieses Praktikumsziels liegen.

Welche Arbeiten sind im Rahmen des Praktikums zumutbar?

Praktikanten und Praktikantinnen müssen während ihres Praktikums die Möglichkeit haben, praktische Erfahrungen zu sammeln, die sie gezielt in ihrem Ausbildungs- oder Weiterbildungsbereich weiterbringen. Es bedarf einer ausgewogenen Mischung aus lernbezogenen Aufgaben und praktischen Tätigkeiten. Zentral sind dabei die kompetente Betreuung, Anleitung und Unterstützung der Praktikanten und Praktikantinnen.

Welcher Lohn ist beim Praktikum zu entrichten?

Grundsätzlich ist das Praktikum entgeltlich. Der Lohn darf in der Regel zwischen den Parteien frei und ohne Einschränkung durch Mindestlöhne oder verbindliche Lohnvorgaben vereinbart werden. Dies gilt oftmals auch in Gegenden mit Mindestlohnvorschriften. Auch die Empfehlungen der Bildungsinstitutionen sind in der Regel nicht verbindlich.

Ein Beispiel: Im Kanton Basel-Stadt sind Praktika von längstens sechs Monaten vom Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes ausgenommen. Liegt nach Ablauf dieser sechs Monate ein unterzeichneter Lehrvertrag oder eine Zulassungsbestätigung zu einer eidgenössisch anerkannten Hochschule (Tertiär A) oder Institution der Höheren Berufsbildung (Tertiär B) vor, kann das Praktikum auf längstens zwölf Monate verlängert werden, ohne dass der Mindestlohn gilt. Bei Branchen- und Betriebspraktika mit vorgegebenem Ausbildungs-Curriculum kommt der Mindestlohn bis zum Abschluss des entsprechenden Praktikums ebenfalls nicht zur Anwendung (§ 2 Abs. 2 lit. a MiLoG BS).

In einigen Branchen sieht der Gesamtarbeitsvertrag jedoch einen Mindestlohn für Praktikanten vor. Im Landes-Gesamtarbeitsvertrag des Gastgewerbes («L-GAV») liegt dieser gemäss Art. 11 z. B. aktuell bei CHF 2359.– brutto.

Ähnliches gilt auch im Landesmantelvertrag der Baubranche. In Sonderfällen gemäss Art. 45 Abs. 1b, worunter Jugendliche unter 17 Jahren, Praktikanten, Schüler und Studenten mit einer Arbeitsdauer von bis zu zwei Monaten im Jahr fallen, gilt der genannte Mindestlohn jedoch nur als Richtwert.

Können Praktika vorzeitig gekündigt werden?

Als befristete Arbeitsverträge haben Praktika eine im Voraus bestimmte Dauer und enden automatisch nach deren Ablauf. Entsprechend können sie in der Regel nicht vorzeitig gekündigt werden, es sei denn, es wurde im Vertrag ausdrücklich vereinbart. Vorbehalten bleibt die fristlose Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grunds im Sinne von Art. 337 OR.

Verlängert sich das Praktikum bei einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Art. 336c OR?

Mangels Kündigungsmöglichkeit gibt es keinen zeitlichen Kündigungsschutz (Sperrfristenschutz) im Sinne des Art. 336c OR. Dies bedeutet, dass sich das Praktikum nicht automatisch verlängert, wenn der Praktikant/die Praktikantin während des Praktikums arbeitsunfähig wird.

Gibt es im Praktikum eine Probezeit?

Von Gesetzes wegen gibt es bei befristeten Anstellungen keine Probezeit. Eine solche kann jedoch von den Parteien vereinbart werden.

Hat der Praktikant/die Praktikantin ein Recht auf Ferien?

Natürlich haben auch Praktikanten und Praktikantinnen Anspruch auf Ferien gemäss Art. 329a ff. OR. Bei einem unterjährigen Praktikum wird der Ferienanspruch anteilsmässig gekürzt. Zu beachten ist zudem, dass jüngeren Arbeitnehmenden bis zum vollendeten 20. Altersjahr wenigstens fünf Wochen Ferien pro Jahr zu gewähren sind.

Erhält der Praktikant/die Praktikantin Lohn bei einer Arbeitsverhinderung (z. B. bei Krankheit oder Unfall)?

Nur wenn das Praktikum länger als drei Monate dauert (Art. 324a OR). In diesem Fall gibt es im ersten Dienstjahr eine gesetzliche Lohnfortzahlung von drei Wochen. Regelmässig wird jedoch auch für Praktikanten eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen, welche an die Stelle der gesetzlichen Lohnfortzahlung tritt oder diese ergänzt.

Welche Arbeitszeiten gelten für den Praktikanten/die Praktikantin?

Bei erwachsenen Praktikanten und Praktikantinnen gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie bei den übrigen Angestellten auch. Die Arbeitszeit kann grundsätzlich unter Einhaltung der jeweiligen Arbeitszeitvorschriften frei vereinbart werden.

Hat der Praktikant einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis?

Dieser Anspruch besteht gemäss Art. 330a OR unabhängig von der Art oder der Dauer des Arbeitsverhältnisses. Folglich kann auch für das Praktikum ein Arbeitszeugnis verlangt werden.

Was ist bei mehreren Praktika bei demselben Arbeitgeber zu beachten?

Mehrere aneinandergereihte befristete Verträge (sog. Kettenarbeitsverträge) sind unzulässig, wenn damit die Aushebelung arbeitsrechtlicher Arbeitnehmerschutzbestimmungen bezweckt wird. Dies ist etwa dann der Fall, wenn dadurch die Anwendung gesetzlicher Kündigungsschutzbestimmungen (Art. 335a ff. OR) oder gesetzlicher Sozialleistungen (u. a. Art. 324a OR) umgangen wird. Bei einer Weiterarbeit im Unternehmen ist das Praktikum entsprechend für die Berechnung der Anzahl Dienstjahre mitzuzählen.

Wie ist das Praktikum vom Lehrvertrag abzugrenzen?

Sowohl Praktika wie auch die Lehre verfolgen einen gewissen Ausbildungszweck. Dennoch sind die Spezialbestimmungen über den Lehrvertrag gemäss Art. 344 ff. OR nur auf die spezifischen Lehrverhältnisse anwendbar. Ein Lehrvertrag liegt vor, wenn eine umfassende und systematische Berufsausbildung, in der Regel im Rahmen des dualen Bildungssystems der Schweiz, bezweckt wird. In der Regel wird die Lehre mit dem im Berufsbildungsgesetz (BBG) anerkannten Fachzeugnis abgeschlossen. Darüber hinaus sind Lehrverträge von den kantonalen Behörden zu genehmigen (Art. 14 Abs. 3 BGG).

Was ist bei jugendlichen Mitarbeitenden zusätzlich zu beachten?

Zum Schutz der Gesundheit, der Sicherheit sowie der physischen und psychischen Entwicklung der jugendlichen Arbeitnehmenden gelten gemäss Arbeitsgesetz und den Verordnungen zum Arbeitsgesetz besondere Bestimmungen. Als «jugendlich» gelten Arbeitnehmende bis zum 18. Geburtstag (Art. 29 Abs. 1 Arbeitsgesetz).

a) Verbot von gefährlichen Arbeiten (Art. 4 ArGV 5)

Gefährliche Arbeiten definieren sich in der Art, als sie ihrer Natur nach oder aufgrund der Umstände, unter denen sie verrichtet werden, die Gesundheit, die Sicherheit und die persönliche Entwicklung der Jugendlichen beeinträchtigen können. Diese sind grundsätzlich verboten. Welche Arbeiten als gefährlich gelten, wird vom Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) in der Verordnung des WBF über gefährliche Arbeiten für Jugendliche (AS 2022 41) festgelegt (siehe Abbildung).

Beispiele von gefährlichen Arbeiten:

  • Arbeiten mit gesundheitsgefährdenden Chemikalien
  • Arbeiten bei gehörgefährdendem Lärm
  • Arbeiten mit Maschinen mit einem hohen Unfallrisiko1

b) Beschäftigungsverbote und -einschränkungen

Für gewisse Tätigkeiten gelten einschränkende Bestimmungen; so dürfen unter 16-Jährige beispielsweise nicht in Kinos, Zirkussen und Schaustellerbetrieben beschäftigt werden. Dies betrifft auch die Tätigkeiten nichtkünstlerischer Natur (z. B. Billettverkauf im Kino; Mitarbeit beim Aufbau eines Zirkuszelts). Auch die Bedienung von Gästen in Hotels, Restaurants und Cafés ist verboten, ausser im Rahmen der Lehre oder einer Schnupperlehre. Die Betreuung von Gästen in Betrieben der Unterhaltung wie Nachtlokalen, Dancings, Diskotheken und Barbetrieben ist überdies für alle jugendlichen Arbeitnehmenden verboten.

Jugendliche zwischen dem 13. und 15. Lebensjahr dürfen nur für leichte Tätigkeiten eingesetzt werden. Damit sind z. B. kleine Erledigungen, Ferienjobs und Schnupperlehren gemeint. Sie dürfen während der Ferien maximal acht Stunden pro Tag (40 Stunden pro Woche) arbeiten, und das längstens während der halben Dauer der Schulferien.

c) Besondere Arbeits- und Ruhezeiten für Jugendliche

Die Jugendschutzarbeitsverordnung (ArGV 5) sieht besondere Arbeits- und Ruhezeiten für Jugendliche vor. Diese werden jeweils nach Alter abgestuft. Nacht- und Sonntagsarbeit sind jedoch grundsätzlich für alle unter 18 Jahren verboten. Zumal in bestimmten Berufen jedoch zur Erreichung der Ausbildungsziele der Lernenden Nacht- oder Sonntagsarbeit notwendig ist (z. B. Bäckerlernende oder bestimmte Lernende im Gesundheitswesen), gibt es auch hier Ausnahmen. Diese Berufe sind in der «Verordnung des WBF über die Ausnahmen vom Verbot von Nacht- und Sonntagsarbeit während der beruflichen Grundbildung» aufgeführt. Für sie ist die Beschäftigung in der Nacht oder am Sonntag im in der Verordnung festgelegten Umfang ohne Bewilligung zulässig.2

Die nach dem Alter der Jugendlichen abgestuften Schutzmassnahmen des Arbeitsgesetzes und der Arbeitsgesetzverordnung 5 gehen aus der obigen Übersicht des SECO, Direktion für Arbeit, hervor.3

 

FUSSNOTEN 

1. SECO, Direktion für Arbeit I Arbeitsbedingungen, Jugendarbeitsschutz, Information für Jugendliche bis 18 Jahre, S. 9, www.seco.admin.ch/seco/de/home/ Publikationen_Dienstleistungen/Publikationen_und_ Formulare/Arbeit/Arbeitsbedingungen/Broschuren/ jugendarbeitsschutz-informationen-fuer-jugendlichebis- 18-jahr.html 

2. SECO, Direktion für Arbeit I Arbeitsbedingungen, Jugendarbeitsschutz, Information für Jugendliche bis 18 Jahre, S. 16 

3. www.seco.admin.ch/seco/de/home/Publikationen_ Dienstleistungen/Publikationen_und_Formulare/Arbeit/ Arbeitsbedingungen/Merkblatter_und_Checklisten/ uebersichtstafel_jugendarbeitsschutz.html, zuletzt geändert am 28.4.2023

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