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Arbeitszeitflexibilisierung: Eine moderne Arbeitszeitpolitik ist gefragt

Um in der Arbeitswelt 4.0 zukunftsorientiert und Erfolg versprechend unterwegs zu sein, bedarf es einer bedürfnisorientierten und menschenzentrierten Organisation mit einer modernen Arbeitszeitpolitik. Nur so kommen die neuen und gesundheitsförderlichen Stärken wie Selbstorganisation und Flexibilität von Mitarbeitenden wirklich zum Tragen. Mit einer vertrauensbasierten und wertschätzenden Haltung gelingt die Transformation hin zu agilen Arbeitszeitmodellen.

24.03.2023 Von: Sonja Kupferschmid Boxler, Pascal Dimitri Ruchti
Arbeitszeitflexibilisierung

Starre Arbeitsstrukturen in einer Arbeitswelt voller Agilitätsansprüche, Selbstorganisation und Flexibilität scheinen überholt. Macht es heutzutage noch Sinn, klassische Arbeitszeiten zu verfolgen? Flexible Arbeitszeitmodelle wie Vertrauensarbeitszeiten sind die Tools für heute, um die Zukunft von morgen Erfolg versprechend zu bahnen. Jedoch ist eine alternative Zeitgestaltung nicht ein Allheilmittel für die zukünftigen Herausforderungen, sondern muss kontinuierlich den Anforderungen der VUCA-Welt angepasst werden.

Einstempeln und Sinn erleben – Flexibilität als Win-win-Situation

Gegenwärtig sind sowohl eine sinnvolle Arbeitsaufgabe und ein sinngebender Arbeitsplatz als auch eine sinnvolle Arbeitszeitgestaltung ein Must-have für moderne Betriebe. Hybride und digitale Remote-Bedingungen – also die Möglichkeit, von zu Hause aus auf den Geschäftsrechner zuzugreifen und von da aus die Pendenzen zu erledigen, sind mitunter die wichtigsten Faktoren für Arbeitskräfte. Dabei spielt die Pandemie nur eine Verstärkerrolle: Dieser Trend hat sich bereits vor dem Ausbruch des Virus gezeigt. Eine deutsche Erhebung im Zeitraum von 2015 bis 2018 belegt, dass alle Variationen von Arbeitszeitflexibilisierung zunehmend Anwendung finden. Am meisten zugenommen (+5%) haben die individuell vereinbarten Arbeitszeiten (Geisel & Frohnert 2021). Diese Zunahmetendenz ist im gesamten DACH-Raum zu beobachten.

Mit diesem Framework der individuellen Gestaltung verschiedenster Arbeitsbedingungen gedeihen alternative Zeitmodelle weiter. Was vor noch nicht allzu langer Zeit nur der obersten Führungsetage einer Organisation zustand (z.B. Vertrauensarbeitszeiten), wird immer mehr auch breit eingesetzt und genutzt, um die Attraktivität einer Arbeitsstelle für Fach- und Arbeitskräfte zu erhöhen. Doch die Verabschiedung der klassischen Arbeitszeiten ist nicht nur in Sachen Attraktivität für Betriebe förderlich – in Zeiten von Fachkräftemangel sehr relevant, sondern auch für die Motivation und Gesundheit von Arbeitnehmenden. Der Trend geht daher klar in Richtung alternativer Arbeitszeitgestaltung, weg von einer klaren Trennung zwischen Beruf und Freizeit, hin zum geschmeidig fliessenden Übergang zwischen Pendenzen im Büro und Aufgaben im Privatleben.

Fliessender Übergang statt scharfkantiger Trennung

Die sich konstant und immer schneller verändernde Welt macht auch vor Arbeitstrends keinen Halt. So ist der vermeintlich moderne Begriff «Work-Life-Balance» allmählich ein alter Hut und «Life-Balance» und «Work-Life-Blending» das neue Neu. Das Entweder-oder zwischen «Life» und «Work» soll den Bedürfnissen von Arbeitnehmenden entsprechend abgelöst werden von «Work-Life-Blending», einem harmonischen Ineinandergreifen von Beruf und Freizeit. Das Eingehen auf die unterschiedlichen und personenabhängigen Bedürfnisse ist seit New Work eines der grössten und wichtigsten Themen für Organisationen. Ob das Wäschewaschen, der Nachmittagstreff mit Bekannten oder das entspannte Einkaufen abseits von Stosszeiten, freizeitliche Aktivitäten sollen immer mehr mit beruflichen «verschmelzen». So erlauben alternative Arbeitszeitmodelle und Remote-Möglichkeiten eine individuelle Gestaltung des eigenen Arbeitsalltags, der den unterschiedlichen Bedürfnissen verschiedenster Personen entgegenkommt.

Exkurs: Die neue Aufgabe der ortsdefinierten Arbeitsstätte

Lang lebe das Büro – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die räumlich definierte Arbeitsstätte erhält durch Remote und New Work eine neue Bedeutung. So sind in Zeiten der örtlichen Trennung und digitalen Verbindung die Büroräume mittlerweile zu wichtigen Kulturstätten geworden. Hier werden die organisationalen Werte vertreten und gelebt und somit zur Geschäftskultur manifestiert. Das kurze und zufällige sowie das geplante längere Aufeinandertreffen von Organisationszugehörigen sind für das gemeinsame Wirgefühl und für das kreative Zusammenarbeiten unersetzlich und generieren am anderen Ende auch eine bessere Zusammenarbeit im digitalen Setting (Landsberg 2021). Eine so gelebte Organisationskultur mit Teilhabe und Einbringungsmöglichkeiten ist heutzutage eine wichtige Voraussetzung für Sinnerleben im Arbeitskontext.

Arbeitszeitflexibilisierung – verschiedene Möglichkeiten

Um bei der ganzen Diskussion rund um alternative Zeitmodelle in der Arbeitswelt 4.0 noch mehr der VUCA-Welt zu entsprechen, wird die Arbeitszeitflexibilität nicht als gesamtes, heterogenes Konstrukt gesehen, sondern unterschieden zwischen zwei grundlegenden Dimensionen: die personenbezogene bzw. individuumsbezogene und die betriebsbezogene Flexibilisierung der Arbeitszeit. Die betriebsbezogene Arbeitszeitflexibilisierung ist bedarfsbezogen aus Sicht der Firma und steht beispielsweise für Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst, auch bekannt als Pikettdienst. Auf der anderen Seite dieser Unterscheidung steht die personenbezogene Arbeitszeitflexibilisierung, welche sich dadurch auszeichnet, dass verschiedene Zeitmodelle den individuellen Bedürfnissen der Arbeitnehmenden entgegenkommen (Amlinger-Chatterjee & Wöhrmann 2017).

Die prominentesten darunter sind:

  • Gleitzeit: In dieser Variante steht den Mitarbeitenden eine gewisse Freiheit bezüglich der Einteilung der Sollarbeitszeit zu. Dabei bestimmt das Unternehmen die sogenannte Kernarbeitszeit, in der die Mitarbeitenden ihrer Tätigkeit nachgehen. Ihnen wird jedoch die freie Wahl gelassen, wann sie die Arbeit starten und wann sie diese beenden wollen.
  • Vertrauensarbeitszeit: Bei diesem Modell sind Präsenzzeiten und die zeitliche Erfassung der Arbeit hinfällig. Mitarbeitende legen ihre Arbeitszeit selbst fest und unterliegen nicht einer Zeitvorgabe, sondern einer Ergebnisvorgabe.
  • Jahresarbeitszeit: In diesem Modell werden Anpassungen der Arbeitszeit aufgrund saisonaler oder auftragsbedingter Faktoren angewandt. Dabei erfolgt der Ausgleich von Über- bzw. Minusstunden über das gesamte Jahr hinweg.

Die Untersuchung von Amlinger-Chatterjee und Wöhrmann (2017) legt dar, dass betriebsbezogene Arbeitszeitflexibilisierungen mit mehr Stresserleben und abnehmender psychischer Gesundheit einhergehen, wohingegen die individuumsbezogene Arbeitszeitflexibilisierung mit einem gesteigerten Wohlbefinden und verringertem Stresserleben sowie einer Zunahme der Arbeitsmotivation in Verbindung steht.

Zeiterfassung 4.0

Die Arbeit 4.0, New Work und die VUCA-Welt sind sehr variabel, verändern sich stetig und sind unvorhersehbar sowie mehrdeutig und komplex. Dabei entstehen neue Anforderungen, an Betriebe genauso wie an Mitarbeitende. Wo von modernen Arbeitskräften Selbstorganisation und Flexibilität verlangt wird, müssen Betriebe auch wissen, wie solche Attribute abzuholen und einzusetzen sind. Was bringt eine Arbeitskraft, die stark in Selbstorganisation und Flexibilität ist, wenn es die Organisation nicht erlaubt, dass diese Stärken zum Zuge kommen?

Moderne Betriebe wissen um den Mehrwert von entgegengebrachtem Vertrauen und erkennen, dass beispielsweise die Individualisierung der Arbeitszeiten und das Eingehen auf individuelle Bedürfnisse den Mitarbeitenden Wertschätzung zeigt. Gerade hinsichtlich des Fachkräftemangels sind Firmen von heute und Organisationen von morgen gut beraten, wenn starre Strukturen, welche wie Sand im Getriebe wirken, aufgeweicht und Flexibilität und Bedürfnisorientierung vorgelebt und manifestiert werden.

Literatur:

Amlinger-Chatterjee, Monischa & Wöhrmann, Anne (2017): Flexible Arbeitszeiten. Zeitschrift für Arbeitswissenschaften. Berlin: Springer-Verlag.

Geisel, Sofie & Frohnert Kirsten (2021): Arbeitszeiten flexibel gestalten – Leitsätze für eine moderne Arbeitszeitkultur. In: M. Klaffke (Hrsg.): Generationen-Management. Wiesbaden: Springer-Nature.

Landsberg, Severina (2021): Die soziale Dimension des Raums – Wie die Qualität des Zwischenmenschlichen Räume und Arbeit beseelt. In: C. Kohlert (Hrsg.): Das menschliche Büro. Wiesbaden: Springer-Verlag.

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