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Arbeitgeberattraktivität: Als attraktiver Arbeitgeber auftreten – aber wie?

Der Kampf um qualifizierte Arbeits- und Fachkräfte spitzt sich von Jahr zu Jahr zu – eine Herausforderung, mit der Unternehmen nicht nur heute, sondern auch morgen konfrontiert sein werden. Einen nachhaltigen Ansatzpunkt bietet die Stärkung der Arbeitgeberattraktivität. Was macht einen attraktiven Arbeitgeber aus? Und wie gelingt die Umsetzung im Betrieb? Ein offenes, agiles Mindset gilt als wichtiges (Schlüssel-)Element, mit dem sich verschiedene Türen öffnen lassen.

21.02.2023 Von: Sonja Kupferschmid Boxler, Stefanie Philipp
Arbeitgeberattraktivität

Die Zeiten haben sich geändert: Während im Arbeitsleben früher klare Prozesse und konkrete Strukturen vorherrschten, ist heute flexibles und selbstorganisiertes Arbeiten gefragt. Der digitale Wandel gilt als entscheidender Treiber für die Veränderungen, die in der Arbeitswelt stattfinden. Trotz oder gerade wegen der Digitalisierung und der Automatisierung von (Routine-)Aufgaben sind qualifizierte Arbeits- und Fachkräfte je länger je mehr gefragt – und damit auch stärker umkämpft.

Von einem Fachkräftemangel ist dann die Rede, wenn in einem Beruf oder einer Berufsgruppe die Nachfrage nach Fachkräften das jeweilige Angebot übersteigt. Gemäss dem Fachkräftemangel-Index der Adecco Gruppe Schweiz und des Stellenmarkt-Monitors der Universität Zürich (2019) hat der Fachkräftemangel im letzten Jahr gesamtschweizerisch weiter zugenommen. Ingenieur-, Technik- und Treuhandberufe gelten dabei nach wie vor als Spitzenreiter. Für Firmen, welche in diesen Branchen tätig sind, stellt das Finden von geeignetem Personal daher eine herausfordernde Aufgabe dar.

Ein möglicher Ansatzpunkt, um als Unternehmen etwas gegen den zunehmenden Fachkräftemangel zu tun, ist die Förderung von Flexibilität und Vielseitigkeit innerhalb des Betriebs. Darüber hinaus lohnt es sich, ein Auge auf die Arbeitgeberattraktivität zu werfen.

Arbeitgeberattraktivität als zentraler Faktor

Der Fachkräftemangel ist für Unternehmen vor allem dann spürbar, wenn sie als Arbeitgeber nicht attraktiv erscheinen. Der Begriff «Arbeitgeberattraktivität» beschreibt die Anziehungskraft eines Unternehmens auf die Bewerberinnen und Bewerber im Arbeitsmarkt. Das heisst: Je geringer die Arbeitgeberattraktivität ist, desto schwerer fällt das Suchen und Finden von qualifizierten Arbeits- und Fachkräften.

Daraus liesse sich ableiten, dass insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen, die am Arbeitsmarkt über einen geringen Bekanntheitsgrad verfügen, vom Fachkräftemangel betroffen sind. Doch diese sind ihrem Schicksal keineswegs «ausgeliefert». Im Gegenteil: Sie haben die Möglichkeit, ihre Attraktivität für qualifizierte Arbeitskräfte bewusst zu erhöhen und sowohl nach aussen (zur Gewinnung von Bewerbenden) als auch nach innen (zur Bindung von bestehenden Mitarbeitenden) als attraktiver Arbeitgeber aufzutreten.

Was macht einen attraktiven Arbeitgeber aus?

Das Interesse an Antworten auf diese Frage ist sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis gross, weshalb dem bereits einige empirische Studien und praxisbezogene Befragungen nachgegangen sind. Ein paar Einzelergebnisse sollen nachfolgend hervorgehoben werden.

Autonomie, Handlungs- und Entscheidungsspielraum

Ein Arbeitsmerkmal, das gerade in der sich im Wandel befindenden Arbeitswelt eine zunehmende Bedeutung hat und laut einer Studie von Beckmann (2016) nicht nur die Arbeitsleistung, sondern auch die Arbeitgeberattraktivität erhöht, ist die Freiheit über die eigene Aufgabengestaltung (= Autonomie). Gemeint ist damit, dass der/die Mitarbeitende die Option hat, aus einer Gesamtmenge an Arbeitsaufgaben Einzelaufgaben auszuwählen und diese in bevorzugter Reihenfolge aneinanderknüpfen zu können. Daraus ergibt sich der immer mehr erwünschte Handlungs- und Entscheidungsspielraum.

Sinn und Bedeutsamkeit

Was sich viele Mitarbeitende am Arbeitsplatz darüber hinaus erhoffen, sind sinn- und wertstiftende Aufgaben. Eine aktuelle Studie von Itam und Kollegen (2020) deutet darauf hin, dass ein Arbeitgeber, der seinen Mitarbeitenden das Erkennen und Erleben von Sinn und Bedeutsamkeit ermöglicht, als attraktiver wahrgenommen wird.

Karrieremöglichkeiten und Selbstverwirklichung

Ein weiterer Faktor, der sogar über Generationen hinweg als attraktiv wahrgenommen wird, ist die Verfügbarkeit von Job- und Karrieremöglichkeiten im Unternehmen (Reis & Braga, 2016). Darüber hinaus scheint auch die Möglichkeit, im Job etwas zu lernen und sich selbst entwickeln und verwirklichen zu können, im Hinblick auf die Arbeitgeberattraktivität ein wichtiger Einflussfaktor zu sein (Lindgren & Skarped, 2008).

Auch Agilität gilt als attraktive Eigenschaft

Im Zeitalter der Digitalisierung gewinnt bei der Arbeitgeberauswahl auch das Thema Agilität verstärkt an Bedeutung. Agile Organisationen sind zum Sinnbild eines modernen und attraktiven Arbeitgebers geworden. Doch was machen die Unternehmen, die agil unterwegs sind, so besonders gut?

Nach Küster (2020) hat die gelebte Führung einen entscheidenden Einfluss darauf, wie agil ein Unternehmen unterwegs ist. Durch die dynamische und sich rasant verändernde Umwelt braucht es unter anderem neue Arbeitsweisen und damit auch eine neue Art von Führung. Die wichtigsten Komponenten des agilen Führungsverständnisses sollen nachfolgend aufgezeigt werden.

Selbstorganisation und Kooperation

Was agile Unternehmen von ihren Mitarbeitenden fördern und fordern ist ein hohes Mass an Eigenverantwortung und Selbstorganisation. Der Rahmen und die Leitplanken, in welchen dieses selbstorganisierte Arbeiten stattfindet, wird dabei gemeinsam definiert. Zum Beispiel durch die Beantwortung der folgenden Leitfragen:

  • Wer sind wir?
  • Wofür stehen wir?
  • Was ist unsere Ausrichtung?
  • Was sind unsere Ziele und unsere haltungsleitenden Prinzipien?
  • Etc.

Das grundlegende Paradigma ist dabei Kooperation, also das gemeinsame Suchen nach Lösungen. «Führung auf Augenhöhe» wie es bekannte Organisationsberater auch nennen – ein Führungsmerkmal, das Mitarbeitende wollen und schätzen.

Empowerment und Potenzialorientierung

Ein weiterer Ansatzpunkt, den agile Unternehmen verfolgen, ist das Befähigen und Ermächtigen von Mitarbeitenden, sodass diese ihr Bestes geben können. Im Rahmen des sog. Empowerment-Ansatzes (vgl. Exkurs) kann sich ein Unternehmen folgende Fragen stellen:

  • Wer hat welche Fähigkeiten? Wo haben wir welches Potenzial?
  • Wem trauen und muten wir was zu?
  • Wo können Verantwortung und Kompetenzen abgegeben werden?
  • Wo wird Führung benötigt? Wo und wann müssen die Zügel übernommen werden?
  • Etc.

Gerade jetzt, wo seitens der Mitarbeitenden vermehrt Selbstverwirklichungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten gewünscht werden, gewinnt der Empowerment-Ansatz an Relevanz.

Fokus auf Stärken und Ressourcen

Eng damit verknüpft ist die Stärken- und Ressourcenorientierung, welche agile Unternehmen im Idealfall (vor-)leben. Nach Küster (2020) geht es darum, Stärken zu stärken (nicht Schwächen zu schwächen) und den Mitarbeitenden den nötigen Raum zu geben, um Stärken ausleben und Ressourcen auf- und ausbauen zu können. Entsprechende Leitfragen können hier sein:

  • Was kann wer gut? Was fällt wem leicht? Was macht wer gerne?
  • Wo liegen unsere Stärken und Schwächen?
  • Auf welche Ressourcen können wir zurückgreifen?
  • Wo möchte sich wer (weiter-)entwickeln?
  • Etc.

Haben die Mitarbeitenden die Möglichkeit, in Rollen und Funktionen zu agieren, die ihren Stärken und Ressourcen entsprechen, so wird ihre intrinsische Motivation gestärkt. Auch dies ist ein Merkmal, nach dem viele Mitarbeitende streben.

Schaffen einer optimalen (Arbeits-)Kultur

Ein letztes Merkmal, das agile Unternehmen im Besonderen auszeichnet und ihnen bei der agilen Transformation den nötigen Boden gibt, ist ihre (Arbeits-)Kultur. Gemäss Küster (2020) sind hierbei gelebte Werte wie Transparenz, Offenheit und Selbstverantwortung gewinnbringend. Darüber hinaus ist ein klarer Blick auf menschliche und emotionale Themen das A und O. Kulturentwicklung ist allerdings nicht delegierbar, weshalb sich Unternehmen mit folgenden Fragen beschäftigen sollten:

  • Was sind unsere Werte? Was ist uns wichtig?
  • Wo stehen wir im kulturellen Wandel?
  • Wie gehen wir mit Veränderungen und Fehlern um?
  • Was lenkt unsere Zusammenarbeit?
  • Etc.

Die Schaffung einer optimalen Arbeitskultur ist auch im Hinblick auf das Arbeitgeber-Image lohnenswert: Diverse Studien zeigen, dass die organisationale Kultur einen entscheidenden Einfluss darauf hat, wie attraktiv Mitarbeiter das Unternehmen, in dem sie arbeiten, wahrnehmen.

Nun stellt sich die Frage, was hinter diesen vier Komponenten der agilen Führung tatsächlich steckt. Laut Küster (2020) ist das agile Denken die erfolgskritische Voraussetzung für agiles Handeln. Es kommt also nicht (nur) auf das Machen, sondern auf das Denken an. Mit anderen Worten: Ein agiles Mindset ist das entscheidende Schlüsselelement.

Hin zu einem agilen Mindset

Ob ein Unternehmen agil unterwegs ist – und damit für Personen inner- und ausserhalb des Betriebs als attraktiv gilt – geht also im Grunde genommen auf eine Haltungsfrage zurück. Die Entwicklung und Stärkung eines agiles Mindsets kann mithilfe von Coaching und betrieblichem Mentoring gefördert werden. Durch das Einnehmen einer offenen, lösungs- und entwicklungsorientierten (Coaching-)Haltung, den Aufbau und die Pflege von vertrauensvollen Beziehungen sowie dem Fokus auf Dinge, die (bereits) gelingen, können Führungskräfte ihre Mitarbeitenden und auch ihr betriebliches Umfeld zum agilen Denken bewegen.

Für Unternehmen, die sich auf dem Weg in Richtung Agilität befinden und damit zugleich ihre Attraktivität als Arbeitgeber stärken möchten, ist es also durchaus sinnvolle Investition, Führungskräfte und/oder Mitarbeitende zu Coaches bzw. betrieblichen Mentor/-innen auszubilden.

Aber: Nicht alle wählen den gleichen Weg!

Zum Schluss ist es wichtig, sich bewusst zu werden, dass wir Menschen nicht alle gleich sind. Jeder Mensch hat eine andere Geschichte, was uns so einzigartig und individuell macht. Wir haben unterschiedliche Werte und Weltvorstellungen und damit auch unterschiedliche Ansichten, wie und warum wir arbeiten (wollen).

Und genau das ist der entscheidende Punkt: Als Führungskraft muss man nicht alle Mitarbeitende zum agilen Denken und Handeln bringen. Das agile Führungsverständnis lässt auch andere Denk- und Arbeitsweisen zu. Aus diesem Grund gilt ein agiles Mindset als zentraler Schlüssel, mit dem sich verschiedene Türen öffnen lassen – und welchen Weg wir gehen, entscheiden wir als Individuum schlussendlich selbst.

Exkurs: Empowerment – strukturell vs. psychologisch
Der Begriff «Empowerment» bezeichnet in seinen Grundzügen die Förderung von Eigenständigkeit und Mitbestimmungsmöglichkeit der Mitarbeitenden in einem Unternehmen. Dabei können zwei unterschiedliche Ansätze unterschieden werden: Das strukturelle Empowerment bezieht sich auf Anpassungen der organisationalen Strukturen durch die Unternehmensleitung. Dazu gehört etwa ein guter Zugang zu Informationen und Ressourcen, die Sicherstellung von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen sowie das Angebot von Entwicklungsmöglichkeiten. Das psychologische Empowerment hingegen konzentriert sich auf die Individualebene. Es umfasst das Erleben von Kompetenz, Bedeutsamkeit, Selbstbestimmung und Einfluss am Arbeitsplatz. Beide Arten von Empowerment stärken das Engagement und auch das Zugehörigkeitsgefühl – was sich positiv auf die Arbeitsleistung, die Arbeitszufriedenheit und die psychische Gesundheit auswirkt (Schermuly, 2016).

Literatur:

Schermuly, C. C. (2016). Empowerment: Die Mitarbeiter stärken und entwickeln. In Handbuch Mitarbeiterführung (pp. 15-26). Springer, Berlin, Heidelberg.

Küster, H. (2020, September). Leadership Agility – Coaching für Agile Führung. Vortrag am Coaching & Mentoring Forum 2020 des Coachingzentrums Olten, Olten, Schweiz.

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