Lohnträgerschaft: Was es für Selbständigerwerbende zu beachten gilt

Tatsächlich Selbstständigerwerbende werden oftmals bei den Sozialversicherungen als Unselbstständige angemeldet. Dieses Modell führt dazu, dass betroffene Personen Sozialversicherungsleistungen nicht erhalten, obschon entsprechende Beiträge entrichtet worden sind.

09.04.2024 Von: Marco Riedi
Lohnträgerschaft

Begriff der Lohnträgerschaft 

Die Lohnträgerschaft bezeichnet ein Verhältnis zwischen drei involvierten Parteien: Auf der einen Seite steht die selbstständigerwerbende Person, auf der anderen Seite ihre Kundschaft. Dazwischengeschaltet wird nun eine Abrechnungsstelle, die nachfolgend als Trägerunternehmen bezeichnet wird. 

Zwar erledigt die selbstständigerwerbende Person für ihre Kundschaft den entsprechenden Auftrag. Die Rechnungsstellung und das Inkasso gegenüber der Kundschaft werden jedoch von einem Trägerunternehmen übernommen. Die Entschädigung für die geleistete Arbeit erhält die selbstständigerwerbende Person folglich nicht von der Kundschaft, sondern vom Trägerunternehmen. Dieses wiederum rechnet auf dieser Entschädigung die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge ab und zahlt diese nach Abzug eines gewissen Ansatzes für seine entsprechenden Dienste der selbstständigerwerbenden Person aus. Das Trägerunternehmen fungiert demnach als «Scheinarbeitgeber».

Gründe für Lohnträgerschaft

Es ist bekannt, dass Selbstständigerwerbende nach der aktuellen Sozialversicherungsgesetzgebung in der 2. Säule nicht denselben obligatorischen Versicherungsschutz geniessen wie Arbeitnehmende. So unterliegen Selbstständigerwerbende weder der obligatorischen beruflichen Vorsorge noch der obligatorischen Unfallversicherung, können diese beiden Bereiche hingegen auf freiwilliger Basis abdecken.1 In der Arbeitslosenversicherung ist weder eine obligatorische noch eine freiwillige Versicherungsunterstellung vorgesehen, obschon auf Verfassungsebene2 bezüglich Freiwilligkeit etwas anderes definiert ist. Jedoch ist diese Möglichkeit des freiwilligen Anschlusses für Selbstständigerwerbende bei der Arbeitslosenversicherung auf Gesetzesstufe bis heute nicht umgesetzt. Mit der Lohnträgerschaft tritt das Trägerunternehmen als Scheinarbeitgeber der selbstständigerwerbenden Person auf und wickelt so die Sozialversicherungsbeiträge ab. Die Entschädigung aus selbstständigem Erwerb wird somit nach aussen hin in Lohn umgewandelt, und das Trägerunternehmen seinerseits tritt gegenüber den Kunden als Rechnungssteller auf. Durch dieses Vorgehen soll also eine eigentlich selbstständigerwerbende Person in den Kreis der obligatorisch Versicherten vorstossen. 

Unterschied zum Personalverleih 

Anders als in der beschriebenen Konstellation der Lohnträgerschaft präsentiert sich die Ausgangslage beim Personalverleih. Hier stellt nämlich ein Arbeitgeber, der Verleiher, von ihm angestellte Arbeitnehmende anderen Betrieben für Arbeiten zur Verfügung. So besteht zwischen dem gewerbsmässig tätigen Verleiher und den Arbeitnehmenden ein Arbeitsvertrag und zwischen dem Verleiher und dem Einsatzbetrieb eine Einsatzvereinbarung resp. ein Verleihvertrag. Die betroffenen Arbeitnehmenden erbringen ihre Arbeiten also nicht im Betrieb ihres Arbeitgebers, sondern ausserhalb im Einsatzbetrieb. 

Durch diese Konstellation findet eine Zweiteilung der Arbeitgeberfunktion statt. Weisungsrechte bezüglich der Arbeitsausführung gehen demnach auf den Einsatzbetrieb über, wobei die übrigen Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsvertrag beim Verleiher bleiben. Darunter fällt auch die Lohnzahlungspflicht des Verleihers gegenüber den ausgeliehenen Arbeitnehmenden mit den entsprechend folgenden Pflichten der Beitragsabrechnung gegenüber den betreffenden Sozialversicherungen. 

Der Personalverleih untersteht der Bewilligungspflicht, und die geforderte Bewilligung erfolgt unter Vorliegen einiger Voraussetzungen durch das kantonale Arbeitsamt.3

Lohnträgerschaft und Sozialversicherungen 

Wie bereits oben erwähnt, ist eine klare Abgrenzung des Versicherungsstatus einer erwerbstätigen Person massgebend für die Unterstellung bei der Arbeitslosenversicherung, der beruflichen Vorsorge und der Unfallversicherung. Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung schon mehrfach dazu Stellung genommen, anhand welcher Kriterien eine solche Abgrenzung zu erfolgen hat. 

So ist ein unselbstständiger Erwerb dann anzunehmen, wenn eine Person arbeitsorganisatorisch in den Betrieb des Arbeitgebers eingebunden ist und ein entsprechendes Subordinationsverhältnis besteht, mit dem auch eine Weisungsgebundenheit einhergeht. 

Trägt eine Person hingegen ein erhebliches Unternehmerrisiko, wobei unter anderem der Einsatz von entsprechendem Kapital, die Haftung, das Inkasso- und Delkrederisiko und insbesondere das Auftreten in eigenem Namen und auf eigene Rechnung subsumiert werden können, sind einige Merkmale für eine Selbstständigkeit erfüllt. Jedoch darf kein Pauschalurteil formuliert werden, da eine solche Prüfung des Versicherungsstatus im konkreten Einzelfall stets detailliert vorzunehmen ist. Im Modell der Lohnträgerschaft ist es sodann nicht Sache des Trägerunternehmes, für die selbstständigerwerbende Person Kunden zu akquieren oder im Sinne der Weisungsgewalt dieser vorzuschreiben, wie die Arbeit ausgeführt werden muss. Weiter liegt die Haftung diesbezüglich keinesfalls beim Trägerunternehmen. 

Das eigentlich angestrebte Ergebnis, dass eine selbstständigerwerbende Person über ein Trägerunternehmen als scheinbar unselbstständigwerbende Person mit dementsprechend sozialversicherungsrechtlichen Pflichten und Rechten gilt, kann auch nicht durch zivilrechtliche Verhältnisse und Abmachungen herbeigeführt werden. Solche Abmachungen zwischen den Parteien sind aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht nämlich nicht bindend.

Fazit 

Eine Abrechnung über ein Trägerunternehmen kann keinen Statuswechsel bei der betroffenen Person bewirken. So wird das Trägerunternehmen weder zum Arbeitgeber noch die eigentlich selbstständigerwerbende Person den Status einer unselbstständig erwerbstätigen Person erreichen. 

Ermitteln die Sozialversicherungen in einem solchen Fall, dass es sich um eine Scheinunselbstständigkeit handelt, wird die betroffene Person (richtigerweise) als selbstständigerwerbend behandelt. In anderen Worten: Zwar wurden Sozialversicherungsbeiträge entrichtet, jedoch lebt dadurch in der 2. Säule kein obligatorischer Versicherungsschutz auf. 

Rechtlich eher umsetzbar wäre der Ansatz, in dem das Trägerunternehmen für Selbstständigerwerbende ausschliesslich als externer Dienstleister fungiert und administrative Arbeiten übernimmt (so etwa die allgemeine Administration, die Honorareinforderung etc.), während die selbstständigerwerbende Person sich beispielsweise freiwillig nach UVG und auch freiwillig in der beruflichen Vorsorge versichert. 

FUSSNOTEN 

1 Art. 4, 44 und 45 BVG wie auch Art. 4 UVG. 

2 Art. 114 Abs. 2 lit. c BV. 

3 Art. 12 ff. AVG.

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