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Formvorschriften im Arbeitsrecht: Von der mündlichen Abmachung bis zur elektronischen Signatur

Arbeitsverträge im Privatrecht müssen grundsätzlich nicht schriftlich abgeschlossen werden, weshalb auch mündliche Arbeitsverträge zulässig sind. Aus Beweisgründen empfiehlt es sich trotzdem, schriftliche Arbeitsverträge abzuschliessen. Zu beachten ist allerdings, dass es für gewisse Bereiche Formvorschriften im Arbeitsrecht gibt, auf die nachfolgend eingegangen wird.

22.09.2023 Von: Leena Kriegers-Tejura
Formvorschriften im Arbeitsrecht

Grundsatz: keine Formvorschriften im Arbeitsrecht

Art. 11 des schweizerischen Obligationenrechts (OR) sieht vor, dass Verträge zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besonderen Form bedürfen, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt. D.h. damit ein Vertrag gültig zustande kommt, braucht es eine übereinstimmende Willensäusserung der beteiligten Parteien, was auch mündlich der Fall sein kann.

Da für den Arbeitsvertrag generell keine Formvorschriften im Arbeitsrecht verlangt sind, kann ein Arbeitsvertrag mündlich abgeschlossen werden und ist bindend. In der Praxis werden Arbeitsverträge dennoch oft schriftlich verfasst. Dies ist auch zu empfehlen aus Gründen der Rechtssicherheit und zu Beweiszwecken. Möglich ist sogar, dass ein Arbeitsvertrag zustande kommt, wenn der Arbeitgeber Arbeit in seinem Dienst auf Zeit entgegennimmt, deren Leistung nach den Umständen nur gegen Lohn zu erwarten ist (Art. 320 Abs. 2 OR), also auch ohne dass die Parteien ausdrücklich von einem Arbeitsvertrag gesprochen hätten.

Schriftformerfordernis im Arbeitsrecht

Die Art. 319–362 OR enthalten nun allerdings gewisse Bestimmungen, wonach Abweichungen vom Gesetz der Schriftform bedürfen. Das trifft z.B. in folgenden Fällen zu (keine abschliessende Aufzählung):

  • Abänderung der gesetzlichen Überstundenregelung (Art. 321c Abs. 3 OR)
  • Pauschalvergütung für Auslagen (Art. 327a Abs. 2 OR)
  • Abtretung von Rechten an geistigem Eigentum durch den Arbeitnehmer (Art. 332 Abs. 2 OR)
  • Verlängerung der Kündigungsfrist während der Probezeit (Art. 335b Abs. 2 OR)
  • Verlängerung der Probezeit über die gesetzliche Dauer von einem Monat hinaus (Art. 335c Abs. 2 OR)
  • Konkurrenz- oder Abwerbeverbote (Art. 340 OR)

Daneben sieht das OR vor, dass die nachfolgenden Verträge gesamthaft schriftlich abgeschlossen werden müssen:

  • Lehrverträge (Art. 344a Abs. 1 OR)
  • Handelsreisendenverträge (Art. 347a Abs. 2 OR)
  • Verträge über Leih- und Temporärarbeit (Art. 19 Abs. 1 AVG i.V.m. Art. 48 Abs. 2 AVV)

Die Verträge über Leih- und Temporärarbeit sowie Handelsreisendenverträge sind bei fehlender Schriftlichkeit allerdings nicht ungültig! Es handelt sich um sogenannte Ordnungsvorschriften. Werden die Erfordernisse hinsichtlich Form und Inhalt nicht erfüllt, so ist der Vertrag trotzdem gültig.

Das Gesetz sieht auch diverse Informations- und Mitteilungspflichten vor, die schriftlich erfolgen müssen, z.B. die Begründung der Kündigung (Art. 335 Abs. 2 OR) oder die Informationspflichten der Arbeitgeberin über Versicherungen bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Was bedeutet das Schriftformerfordernis?

Ein Vertrag, für den die schriftliche Form gesetzlich vorgeschrieben ist, muss die Unterschriften aller Personen tragen, die durch ihn verpflichtet sind (Art. 13 OR).

Früher wurden die Verträge ausgedruckt und im Doppel unterschrieben, und jede Partei hat ein Originaldokument mit den Unterschriften erhalten. Damit wurde das Schriftformerfordernis erfüllt. In der heutigen Zeit hingegen läuft vieles über E- Mails und sogenannte elektronische Signaturen. Es stellt sich daher die Frage, ob diese dem Erfordernis der Schriftlichkeit genügen. Zu beachten gilt es, dass eine Vereinbarung, die schriftlich abgeschlossen werden müsste (z.B. Ausschluss von Überstundenentschädigung), nicht gültig ist, wenn sie nicht schriftlich vereinbart wird.

Welche Formvorschriften gibt es?

  • Eigenhändige Unterschrift (Art. 13 OR)
  • Sonderformen: faksimilierte Unterschrift (= Nachbildung der eigenhändigen Schrift auf mechanischem Wege, Art. 14 Abs. 2), blinde Personen (Art. 14 Abs. 3 OR) oder solche, die nicht unterschreiben können (Art. 15 OR)
  • Qualifizierte elektronische Signaturen mit qualifiziertem Zeitstempel gemäss dem Bundesgesetz über die elektronische Signatur (ZertES)

Elektronische Signatur im Besonderen

Eine elektronische Signatur bestätigt im Wesentlichen die Identität der unterzeichnenden Person und die Nachvollziehbarkeit der signierten Informationen, d.h. den Gegenstand der Signatur und ob der Inhalt seit der Signierung verändert wurde.

Es werden vier verschiedene Formen der elektronischen Signatur unterschieden, die unterschiedliche technische Merkmale aufweisen:

  • Die einfache elektronische Signatur
  • Die fortgeschrittene elektronische Signatur
  • Die geregelte elektronische Signatur und
  • Die qualifizierte elektronische Signatur

Gemäss Art. 14 Abs. 2 OR wird nur die qualifizierte elektronische Unterschrift, also jene, die mit einem qualifizierten elektronischen Zeitstempel versehen ist, der einfachen Unterschrift gemäss Art. 13 OR gleichgestellt. Will der Arbeitgeber z.B. die Überstundenregelung abweichend von Art. 321c OR regeln, braucht es dafür eine schriftliche Vereinbarung. Eine einfache elektronische Unterschrift würde demnach nicht genügen, und die Vereinbarung wäre formal gesehen nicht gültig vereinbart.

Die qualifizierten elektronischen Signaturen können gemäss Art. 3 Abs. 1 ZertES nur von in der Schweiz anerkannten und beaufsichtigten Zertifizierungsdiensten ausgegeben werden. Die Schweizerische Akkreditierungsstelle (SAS) akkreditiert die Anerkennungsstellen, die ihrerseits für die Anerkennung von Anbietern von Zertifizierungsdiensten zuständig sind (vgl. Art. 5 Abs. 1 ZertES). Die derzeit einzige Anerkennungsstelle ist die KPMG AG. Zurzeit gibt es in der Schweiz nur vier anerkannte Anbieter von Zertifizierungsdiensten:

  • Swisscom (Schweiz) AG
  • QuoVadis Trustlink Schweiz AG
  • SwissSign AG und
  • Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT)

Praxistipp: Bei Unsicherheiten über eine elektronische Signatur kann auf der Seite des Bundes www.validator.admin.ch eine Überprüfung erfolgen. Das Tool auf der Bundesseite prüft, ob die elektronische Signatur die Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur erfüllt.

Welche Auswirkungen haben die elektronischen Signaturen auf das Arbeitsverhältnis?

Wie erwähnt, braucht der Arbeitsvertrag grundsätzlich nicht schriftlich abgefasst zu werden. Deshalb können die Arbeitsverträge ohne Probleme mit einer einfachen elektronischen Signatur versehen werden. Will eine Arbeitgeberin mit einem Arbeitnehmer weitere Punkte wie z.B. Überstundenregelungen oder eine Konkurrenzklausel vereinbaren, braucht es allerdings die zertifizierte elektronische Signatur für deren Gültigkeit.

Fotografierte oder eingescannte Unterschriften erfüllen das Erfordernis der eigenhändigen Signatur kaum. Es handelt sich dabei um eine Bilddatei, die von jedermann in ein Dokument eingefügt werden kann. Deshalb schliesst man in der Praxis, dass diese Bilddatei das Erfordernis des eigenhändigen Signierens nicht erfüllt.

Fazit zu den Formvorschriften im Arbeitsrecht

Es sollte in der Praxis darauf geachtet werden, dass die korrekten Formen eingehalten werden, um nicht mit der Frage einer allfälligen Ungültigkeit einer Vereinbarung konfrontiert werden zu müssen. Auch wenn Arbeitsverträge grundsätzlich formfrei möglich sind, darf nicht vergessen werden, dass gewisse Klauseln oder gar gewisse Verträge (z.B. Lehrvertrag) der Schriftform bedürfen. Dort genügt nur die qualifizierte elektronische Signatur gemäss ZertES, um dem Erfordernis von Art. 13 OR gerecht zu werden. Nicht jede elektronische Unterschrift ist der eigenhändigen Unterschrift gleichgesetzt, und es sind die Vorgaben des ZertES zu beachten. Die Dokumente mit einer elektronischen Signatur können online überprüft werden, wovon bei Unsicherheiten Gebrauch gemacht werden sollte.

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