Anforderungen an ein Arbeitszeugnis: Was erwähnen, was nicht?

Die Anforderungen an ein Arbeitszeugnis sind letztlich einfach: Es muss wahr, vollständig, wohlwollend formuliert und charakteristisch für die zu bewertende Person sein. Dieser Beitrag geht auf die Bestimmungen für ein Arbeitszeugnis detailliert ein.

25.04.2025 Von: Thomas Wachter
Anforderungen an ein Arbeitszeugnis

Anforderungen an ein Arbeitszeugnis

Grundsätzlich ist zu empfehlen, die Leistungen und das Verhalten präzise zu beschreiben, was auch kritischere Punkte einschliesst. Diese sind jedoch in einen Gesamtzusammenhang zu stellen und wohlwollend zu formulieren. Bei der Beurteilung der Leistung und des Verhaltens hat der Arbeitgeber einen gewissen Ermessensspielraum. Der Ermessensspielraum darf dabei nicht überdehnt werden, grundsätzlich sind branchenübliche Massstäbe heranzuziehen.

Häufig werden in Arbeitszeugnissen lediglich Zufriedenheitseinstufungen («zur Zufriedenheit», «zur vollen Zufriedenheit», «zur vollsten Zufriedenheit») verwendet, obwohl das Gesetz eine Leistungsbeurteilung verlangt. Diese Zufriedenheitsbeurteilung ist bequem und schnell, hat allerdings grosse Nachteile. Eine Beurteilung der Leistung kann bedeutend differenzierter vorgenommen werden und Stärken und Schwächen aufzeigen. Dabei können besondere Fähigkeiten und Kompetenzen herausgearbeitet werden, was dem beruflichen Fortkommen bedeutend mehr dient als ein simples «zur vollen Zufriedenheit». Zugleich sind Hinweise möglich, in welchen Aufgabenbereichen der Arbeitnehmer besser nicht eingesetzt wird, weil er hier nicht besonders erfolgreich ist.

In besonderem Masse gilt dies für Mitarbeitende, welche nicht die geforderte Leistung erbracht haben. Eine Abqualifizierung durch eine pauschale Unzufriedenheitsbewertung ("bemühte sich") ist für das weitere berufliche Fortkommen hinderlich, während das Herausarbeitenden der Stärken und Schwächen die Richtung vorgeben, in welchem Arbeitsumfeld zukünftig eine erfolgreiche Arbeit möglich ist.

Keine Geheimcodes

Die Gerichtspraxis verlangt, dass das Arbeitszeugnis frei von jeglichen versteckten Äusserungen ist. Manche in der Praxis verwendeten Standardformulierungen, die sogenannten Geheimcodes, widersprechen diesem Gebot. Unklare, mehrdeutige Formulierungen sind somit nicht gestattet. Zu diesen Formulierungen gehören etwa

  • Er bemühte sich stets um eine gute Arbeitsleistung
  • Wir waren mit ihrer Arbeitsleistung zufrieden
  • Er tat sein Möglichstes, um unseren Anforderungen zu genügen

Dies gilt, sofern diese Formulierungen nicht näher präzisiert werden, sondern stellvertretend für die eigentliche Qualifikation stehen.

Eine zunehmende Anzahl von Firmen hat der Verwendung von Verschlüsselungen im Arbeitszeugnis abgeschworen und kennzeichnet ihre Arbeitszeugnisse als uncodierte Arbeitszeugnisse (beispielsweise mit der Bemerkung: «Wir bekennen uns zu offenen, uncodierten Arbeitszeugnissen»). Eine solche Kennzeichnung ist selbstverständlich möglich, aber nicht erforderlich.

Nicht zu empfehlen sind die häufig praktizierten Auslassungen, indem keine Aussagen zu bestimmten Tätigkeiten, Qualifikationsmerkmalen oder zu Austrittsgründen angeführt werden.

Negativaussagen

Entgegen der häufig vertretenen Meinung gehören durchaus auch Negativaussagen in ein Zeugnis. Mit Sicherheit trifft dies zu, wenn diesen Aussagen im Hinblick auf das gesamte Arbeitsverhältnis ein grosser Stellenwert zukommt.

Oft wird in Arbeitszeugnissen die Leistung von Mitarbeitenden, welchen gekündigt wurde, beschönigt. Dies um Konflikte zu vermeiden oder um das schlechte Gewissen zu beruhigen und dem ehemaligen Mitarbeitenden wenigstens keine Steine in den Weg zu legen für zukünftige Anstellungen. Neben der Falschqualifikation, welche dann spätestens bei einer Referenzanfrage relativiert werden muss, hat diese Praxis einen weiteren Nachteil: Im Falle einer Anfechtung der Kündigung wird vor Gericht das gute Zeugnis regelmässig gegen den bisherigen Arbeitgeber eingesetzt.

Das sollten Sie gemäss den Anforderungen an ein Arbeitszeugnis nicht erwähnen

Geringfügige Verfehlungen, die nicht charakteristisch für das Arbeitsverhältnis sind, gehören nicht in ein Arbeitszeugnis. Übliche Differenzen am Arbeitsplatz und einmalige oder selten vorkommende negative Vorkommnisse dürfen nicht erwähnt werden. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Seltenes Zuspätkommen
  • Einmalige unentschuldigte Absenz am Arbeitsplatz
  • Gelegentlich vorkommender oder temporärer Leistungsabfall
  • Einzelne Konflikte oder Streitigkeiten, übliche Differenzen
  • Private Beziehungskonflikte oder persönliche Probleme ohne oder nur mit temporärer Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis
  • Strafrechtliche Verfehlungen ohne Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis

Das dürfen Sie erwähnen:

  • Strafrechtliche Verfehlungen gegenüber dem Arbeitgeber
  • Alkoholismus, wiederholte Trunkenheit am Arbeitsplatz
  • Mehrfaches Missachten der Weisungen der Vorgesetzten
  • Gravierende oder wiederholte Belästigung von Mitarbeiterinnen
  • Regelmässig unzuverlässige Arbeitsweise
  • Wiederholte unbegründete Absenzen
  • Mehrfache relevante Verletzungen der Sorgfaltspflicht
  • Grundsätzlich unsorgfältige Arbeitsweise
  • Häufige Konflikte im Team, mit Vorgesetzten oder Kunden
  • Lange dauernde, massivere Auswirkungen von privaten Belastungen auf die Arbeitsleistung

Anforderungen an ein Arbeitszeugnis betreffend Arbeitsunfähigkeit

Immer wieder stellt sich die Frage, ob Arbeitsunfähigkeiten im Arbeitszeugnis zu erwähnen sind. Diese sind dann aufzuführen, wenn sie einen wesentlichen Einfluss auf die Leistung und/oder das Verhalten hatten. Ebenfalls sind sie zu erwähnen, falls sie zur Kündigung geführt haben oder wegen der Dauer der Arbeitsunfähigkeit ein falsches Bild über die tatsächlich erworbene Berufspraxis und -erfahrung entstehen würde.

Das Bundesgericht hielt mit Urteil 4A _187/2010 fest, dass in einem qualifizierten Arbeitszeugnis (Vollzeugnis: Schluss- oder Zwischenzeugnis) auch negative Tatsachen zu erwähnen sind, soweit dies für die Gesamtbeurteilung der Leistung notwendig ist. Deshalb sind länger andauernde Krankheitsabsenzen, die im Verhältnis zur gesamten Anstellungsdauer ins Gewicht fallen würden, im Zeugnis zu erwähnen. (BGE 144 II 345)

Bemerkungen zu geheilten Gesundheitsproblemen, die keine Auswirkungen hatten und welche die Beurteilung der Leistung oder des Verhaltens des Betroffenen nicht beeinträchtigen, sind laut Bundesgericht dagegen verboten.

Arbeitsunterbrüche

Fällt die Dauer einer Absenz im Verhältnis zur Anstellungsdauer erheblich ins Gewicht, müssen sie im Arbeitszeugnis erwähnt werden. Sind Arbeitsunterbrüche zu erwähnen, weil andernfalls ein falsches Bild über die erworbene Berufserfahrung entstünde, dann gebieten es der Grundsatz der Vollständigkeit und das Gebot der Klarheit des Arbeitszeugnisses, auch die Gründe für die Abwesenheit (Arbeitsunfähigkeit, Militärdienst, Urlaub, Mutterschaftsurlaub etc.) aufzuführen. (BGE 144 II 345)

Urteile zum Zeugnisanspruch

Anspruch auf ein Vollzeugnis

A. (Kläger) schloss mit der X. AG (Beklagte) einen mündlichen Arbeitsvertrag. Wegen der Verletzung der Treuepflicht kündigte die X. AG mit Schreiben vom 30. Dezember 1997 die Firma dem A. fristlos. A. betrachtete die Kündigung als missbräuchlich und verlangte in der Folge vor Gericht u.a. ein Arbeitszeugnis gemäss seinem Entwurf. Im zweitinstanzlichen Verfahren verlangte er nicht ein Arbeitszeugnis gemäss seinem Entwurf, sondern lediglich ein Arbeitszeugnis.

Das Kantonsgericht Basel-Landschaft hiess die Appellation teilweise gut, indem es die beklagte Firma verpflichtete, dem Kläger A. eine Arbeitsbestätigung im Sinne von Art. 330a Abs. 2 OR auszustellen, da sich die Parteien über den Inhalt des Arbeitszeugnisses nicht einigen konnten. Der Kläger A. erhob Berufung vor dem Bundesgericht und verlangte ein vollständiges Arbeitszeugnis gemäss Art. 330a Abs. 1 OR.

Das Bundesgericht führte aus: Gemäss Art. 330a Abs. 1 OR kann der Arbeitnehmer jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. Auf besonderes Verlangen des Arbeitnehmers hat sich das Zeugnis auf Angaben über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses zu beschränken (Arbeitsbestätigung gemäss Art. 330a Abs. 2 OR). Das Bundesgericht hatte sich zum Zeugnisanspruch des Arbeitnehmers noch nie umfassend ausgesprochen Gestützt auf den klaren Wortlaut von Art. 330a OR vertritt die Rechtslehre einhellig die Meinung, dass ein einfaches Arbeitszeugnis nur dann ausgestellt werden darf, wenn der Arbeitnehmer dies ausdrücklich verlangt. Der Arbeitnehmer hat die Wahl, ein qualifiziertes Arbeitszeugnis (Vollzeugnis) oder ein einfaches Zeugnis (Arbeitsbestätigung) zu verlangen. Weiter ist die Lehre der Auffassung, dass der Arbeitnehmer nach Erhalt des einfachen Arbeitszeugnisses auch noch ein qualifiziertes Zeugnis oder nach Verlangen eines qualifizierten Zeugnisses noch ein einfaches Zeugnis fordern kann.

Indessen hat der Arbeitnehmer, der sich für ein Vollzeugnis entscheidet, kein Wahlrecht, entweder nur seine Leistungen oder nur sein Verhalten beurteilen zu lassen. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts hat sich das Vollzeugnis zu beiden Punkten auszusprechen, da eine Beschränkung leicht zu Irreführungen Anlass geben könnte. Aus den Grundsätzen der Wahrheit und Vollständigkeit des Arbeitszeugnisses folgt, dass das Vollzeugnis über alle in Art. 330a Abs. 1 OR aufgeführten Punkte, d.h. über die Art und die Dauer der Anstellung sowie über die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers Auskunft geben muss.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der Kläger A. sich nicht mit einer Arbeitsbestätigung begnügen muss, sondern die Beklagte zur Ausstellung eines Vollzeugnisses verpflichtet ist. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz müssen sich die Parteien über den Inhalt des Zeugnisses nicht vorgängig geeinigt haben. Ist der Kläger nach Erhalt des Vollzeugnisses der Auffassung, dessen Inhalt sei unrichtig oder unvollständig, kann er beim zuständigen Gericht eine Berichtigungsklage erheben oder aber die Beklagte auffordern, ihm eine Arbeitsbestätigung auszustellen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Kläger Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis (Vollzeugnis) hat. (BGE 4C.341/2002).

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