Streitpunkt Arbeitszeugnis: Praktische Tipps im Umgang mit Arbeitszeugnissen

Das Arbeitszeugnis ist eines der häufigsten Streitpunkte bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Gründe dafür sind vielfältig, nicht zuletzt aber im Zielkonflikt zwischen dem Gebot des Wohlwollens und der Wahrheitspflicht begründet. Dieser Beitrag zum Thema Streitpunkt Arbeitszeugnis vermittelt praktische Tipps im Umgang mit Arbeitszeugnissen.

31.01.2022 Von: Patrick Näf, Sabine Taxer
Streitpunkt Arbeitszeugnis

Allgemeines zum Arbeitszeugnis

Mitarbeitende können jederzeit ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über deren Leistungen und das Verhalten ausspricht.

Ein Arbeitszeugnis muss in erster Linie wahr sein und sich über die gesamte Dauer der Anstellung äussern. Entsprechend dem Zweck soll ein Arbeitszeugnis einer künftigen Arbeitgeberin ein getreues Abbild von der Tätigkeit, Leistung und dem Verhalten des Mitarbeitenden vermitteln. Gemäss Praxis der Gerichte hat ein Arbeitszeugnis wohlwollend zu sein. Dies, weil das Arbeitszeugnis das wirtschaftliche Fortkommen der Mitarbeitenden fördern soll. 

Qualifiziertes Arbeitszeugnis

Das qualifizierte Arbeitszeugnis oder Vollzeugnis muss die Personalien der Mitarbeitenden, die Angaben der ausstellenden Arbeitgeberin sowie Beginn und rechtliches Ende des Arbeitsverhältnisses nennen. Es ist von der Arbeitgeberin zu datieren und zu unterzeichnen. In inhaltlicher Hinsicht ist eine Auflistung der tatsächlich ausgeübten Funktionen und Tätigkeiten, eine Bewertung der Leistung der Mitarbeitenden sowie des Verhaltens erforderlich. Es wird in der Regel in der Vergangenheitsform verfasst. In Bezug auf die Funktionen und Tätigkeiten sind die effektiv ausgeübten Tätigkeiten zu nennen und nicht die allenfalls in einem Stellenbeschrieb zusätzlich aufgelisteten Tätigkeiten.

In Bezug auf die Bewertung der Arbeitsqualität werden in der Praxis nach wie vor oft auf die bekannten Floskeln "zur Zufriedenheit", "zur vollen Zufriedenheit" und "zur vollsten Zufriedenheit" verwendet. Da diese drei Standardbewertungen nur eine beschränkte Differenzierung bieten, empfehlen wir in der Praxis, zugunsten eines flexibleren Wortlauts auf diese Floskeln zu verzichten (z.B. "Die Arbeitsleistung war [stets] gut / sehr gut / herausragend").

Der Kündigungsgrund wird in der Regel nicht erwähnt, ausser wenn ohne Erwähnung des Grundes ein unwahres Zeugnis entstehen würde (z.B. bei einer fristlosen Kündigung). Mitarbeitende können jedoch verlangen, dass der Grund des Austrittes im Zeugnis festgehalten wird. Dies werden die Mitarbeitenden regelmässig machen, wenn sie das Arbeitsverhältnis selber gekündigt haben ("… verlässt uns auf eigenen Wunsch").

Arbeitsbestätigung

Mitarbeitende können auch lediglich eine Arbeitsbestätigung verlangen. Eine Arbeitsbestätigung hat sich auf Aussagen über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses zu beschränken. In einer Arbeitsbestätigung steht kein Hinweis über den Grund der Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Eine Arbeitsbestätigung verlangen Mitarbeitende aber in der Regel nur dann, wenn das qualifizierte Arbeitszeugnis berechtigterweise negative Aussagen enthält. Eine Arbeitsbestätigung dürfte die Chancen eines Mitarbeitenden im Bewerbungsprozess erheblich schmälern. Eine Arbeitsbestätigung ist nur auf ausdrücklichen Wunsch des Mitarbeitenden auszustellen.

Zwischenzeugnis

Grundsätzlich darf jederzeit ein Zwischenzeugnis verlangt werden, das inhaltlich dem qualifizierten Arbeitszeugnis entspricht. Für die Ausstellung müssen Mitarbeitende ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen. Als genügender Nachweis dürfen ein Wechsel des Vorgesetzten, Umstrukturierungen, ernsthafte Stellenwechselabsichten und selbstverständlich das nahende Vertragsende angesehen werden. Sog. schikanöse Zeugnisbegehren, z.B. wenn Mitarbeitende mehrmals jährlich und ohne besonderen Anlass ein neues Zwischenzeugnis verlangen, können zurückgewiesen werden.

Zwischenzeugnisse werden im Präsens formuliert. Dies gilt auch, wenn das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt wurde. Ein Hinweis auf das nahende Vertragsende ist unzulässig, es sei denn, es wird seitens der Mitarbeitenden gewünscht (was z.B. bei einer Kündigung im Rahmen einer Restrukturierung oft der Fall ist). Sobald das Arbeitsverhältnis beendet ist, besteht der Anspruch der Mitarbeitenden nur noch auf Ausstellung eines Schlusszeugnisses und nicht mehr auf ein Zwischenzeugnis.

Einem Zwischenzeugnis kommt grundsätzlich ein verbindlicher Charakter zu. Sofern sich die Umstände bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht ändern, sind Aussagen und Bewertungen des Zwischenzeugnisses grundsätzlich für das Schusszeugnis verbindlich. Zu wohlwollend ausgestellte Zwischenzeugnisse stellen einen regelmässigen Ansatzpunkt für Streitigkeiten im Zusammenhang mit einem Schlusszeugnis dar.

Zeugnisform und -sprache

Das Arbeitszeugnis muss sprachlich klar und sorgfältig abgefasst sein. Nichtssagende Floskeln sind zu vermeiden. Auch Schreib- und Stilfehler müssen sich Mitarbeitende nicht gefallen lassen. Das Arbeitszeugnis ist in der am Arbeitsort gebräuchlichen Sprache zu verfassen. Ist aber die Arbeitssprache der Mitarbeitenden Englisch, was oft bei internationalen Konzernen üblich ist, haben Mitarbeitende Anspruch auf ein Zeugnis in der am Arbeitsort üblichen Sprache sowie in Englisch. Das Gebot der Klarheit verbietet Arbeitszeugnisse mit geheimer Zeugnissprache (sog. Codierungen).

Wahrheitsgebot versus wohlwollende Beurteilung

Um das wirtschaftliche Fortkommen von Mitarbeitenden zu fördern, muss das Arbeitszeugnis wohlwollend sein, d.h. es sollte die Stärken hervorheben und die Mitarbeitenden grundsätzlich in ein positives Licht stellen. Geringfügige Leistungsdefizite oder einmalige Vorfälle sollten nicht Eingang ins Arbeitszeugnis finden. Das Arbeitszeugnis muss aber auch wahr, d.h. objektiv richtig und vollständig sein.

Die Gebote des Wohlwollens und die Wahrheitspflicht können kollidieren. Dieser Zielkonflikt wird dahingehend gelöst, dass das Zeugnis zwar wohlwollend sein soll, doch finde das Wohlwollen seine Grenzen an der Wahrheitspflicht. Gemäss Gerichtspraxis muss nämlich die wahre Beurteilung von Mitarbeitenden höher gewichtet werden als ein wohlwollendes Urteil im Zeugnis.

Die Wahrheitspflicht bedeutet deshalb insbesondere, dass das Arbeitszeugnis über negative Tatsachen informieren darf und muss. Negative Tatsachen sollen aber unerwähnt bleiben, wenn es sich um atypische, nicht charakteristische Einzelereignisse oder um unwichtigere Kleinigkeiten handelt. Das Zeugnis hat ein faires Abbild der gesamten Anstellungsdauer zu geben, wobei Leistung und Verhalten in der letzten Zeit für den neuen Arbeitgeber von grösserer Bedeutung sind. Allfällige, einzelne Differenzen im Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind in der Regel nicht in ein Arbeitszeugnis aufzunehmen.

Berichtigungsanspruch bei fehlerhaftem Zeugnis

Bei Verstössen gegen die Zeugnisgrundsätze stehen Mitarbeitenden ein Anspruch auf Berichtigung zu, den sie vor Gericht durchsetzen können. Für diesen Fall ist es ratsam, dass Mitarbeitende dem Gericht (oder auch schon während der Auseinandersetzung der Arbeitgeberin) eigene Formulierungsvorschläge unterbreiten.

Bereits vorhandene Zwischenzeugnisse und Mitarbeiterbeurteilungen haben in Berichtigungsprozessen einen grossen Einfluss. Deutliche Verschlechterungen im Schlusszeugnis gegenüber einem kurz zuvor ausgestellten Zwischenzeugnis sind gemäss Gerichtspraxis nur angebracht, wenn seit dem Zwischenzeugnis erhebliche Änderungen eingetreten sind, welche eine andere Beurteilung rechtfertigen.

Fazit zum Streitpunkt Arbeitszeugnis

Ein Arbeitszeugnis ist für die weitere berufliche Entwicklung von Mitarbeitenden von zentraler Bedeutung. Diesem Interesse ist bei der Erstellung angemessen Rechnung zu tragen. Möglichst sorgfältig abgewogene und durchdachte Formulierungen können dazu beitragen, den Streitpunkt Arbeitszeugnis zu verhindern. Mitarbeitende sind gut beraten, ab und an ein Zwischenzeugnis zu verlangen, um unliebsame Überraschungen am Ende des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden.

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