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Lohnfortzahlungspflicht bei Krankheit: Voraussetzung, Dauer und Umfang

Im Falle von Krankheit hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gemäss Art. 324a des schweizerischen Obligationenrechts (OR) für eine bestimmte Zeit den Lohn weiter zu bezahlen. Diese Lohnfortzahlung gilt auch bei Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder der Ausübung eines öffentlichen Amts. Dieser Artikel beschränkt sich auf die Lohnfortzahlungspflicht bei Krankheit.

20.09.2022 Von: Leena Kriegers-Tejura
Lohnfortzahlungspflicht bei Krankheit

Voraussetzungen für die Lohnfortzahlung im Falle einer Krankheit

Art. 324a OR regelt, dass ein Arbeitnehmer, der aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie z.B. Krankheit, für eine beschränkte Zeit den Lohn weiter erhält. Voraussetzung für die Lohnfortzahlungspflicht bei Krankheit ist, dass die Arbeitsunfähigkeit ohne Verschulden des Arbeitnehmers entstanden ist. Ausserdem muss das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert haben oder für mehr als drei Monate eingegangen worden sein. Die Lohnfortzahlung erfolgt also nur, wenn der Grund für die Abwesenheit in der Person des Arbeitnehmers liegt und diese Abwesenheit unverschuldet ist. Bei objektiven Gründen, wie z.B. eine Umweltkatastrophe, Grenzschliessung, Flugstornierungen, Stromausfälle etc., ist keine Lohnfortzahlung gemäss Art. 324a OR geschuldet. Bei diesen Ereignissen handelt es sich nicht um Gründe, die in der Person liegen, womit eine Voraussetzung für die Lohnfortzahlung gemäss OR entfällt. Kann ein Arbeitnehmer nicht rechtzeitig zurückreisen, weil die Grenze geschlossen wurde oder Flüge annulliert wurden, dann liegt dies in der Risikosphäre des Arbeitnehmers und nicht des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer müsste in einem solchen Fall entweder zusätzliche Ferientage abbuchen oder Überstunden kompensieren. Wenn beides nicht möglich oder nicht gewünscht ist, wäre für die verspäteten Tage kein Lohn geschuldet (unbezahlte Tage). Auch wenn Arbeitgeber kulanterweise solche Fehltage oft bezahlen, besteht dazu keine Pflicht.

Was die Schuldlosigkeit betrifft, werden bei Krankheit keine besonders hohen Anforderungen gestellt. Bei einer Krankheit ist zunächst von einer unverschuldeten Abwesenheit auszugehen. Ein Arbeitnehmer hat zudem in den ersten drei Monaten eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses keinen Lohnanspruch bei Arbeitsunfähigkeit. Auch bei kurzen befristeten Arbeitsverträgen, die auf weniger als drei Monate eingegangen wurden, gibt es gemäss OR keine Lohnfortzahlungspflicht.

Lohnfortzahlungspflicht bei Krankheit: Beweislage

Wenn ein Arbeitnehmer Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Krankheit geltend macht, hat er dies zu belegen. Dieser Beweis wird in der Regel durch ein ärztliches Zeugnis erbracht. In der Praxis wird ein Arztzeugnis oft erst ab dem dritten oder vierten Tag der Krankheit gefordert, für die Zeit darauf vertraut der Arbeitgeber auf die Aussagen des Arbeitnehmers. Es steht jedoch dem Arbeitgeber frei, vertraglich festzuhalten, dass ein Arztzeugnis schon ab dem ersten Tag vorzulegen ist. Eine solche Verpflichtung kann sich auch aus einem GAV ergeben.

Bei länger dauernder Arbeitsunfähigkeit ist der Arbeitnehmer verpflichtet, unaufgefordert periodisch neue Arztzeugnisse einzureichen. Bei längerer Abwesenheit ist zudem damit zu rechnen, dass der Arbeitgeber (oder bei bestehender Krankentaggeldversicherung die Versicherung selbst) den Arbeitnehmer zu einem Vertrauensarzt schickt. Dieses Recht hat der Arbeitgeber, auch wenn es nicht direkt im Arbeitsvertrag niedergeschrieben ist. Ein Arbeitnehmer hat dieser Aufforderung nachzukommen, da dies zu seiner Treuepflicht gehört. Die Kosten des Vertrauensarztes müssen vom Arbeitgeber übernommen werden. Der Vertrauensarzt darf dem Arbeitgeber nur Auskunft über die Arbeitsfähigkeit geben, keinesfalls aber über die medizinische Diagnose.

Wie lange dauert die Lohnfortzahlung?

Wenn ein Arbeitgeber keine Krankentaggeldversicherung hat, kommt die Lohnfortzahlungspflicht gemäss Art. 324a OR zur Anwendung. Gemäss Art. 324a Abs. 2 OR muss der Arbeitgeber im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen bezahlen und nachher für eine angemessene Dauer. Die Dauer der Lohnfortzahlungspflicht bei Krankheit richtet sich nach den Dienstjahren. Da das OR nur regelt, was im ersten Dienstjahr zu bezahlen ist, hat die Praxis die sogenannten Zürcher, Berner oder Basler Skalen erstellt. Die Parteien sind frei, zu entscheiden, welche Skala zur Anwendung gelangt. Empfehlenswert ist es, die anzuwendende Skala im Arbeitsvertrag zu bestimmen.

Wichtig zu wissen ist, dass der Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Krankheit in der Regel pro Dienstjahr entsteht. D.h., in jedem neuen Dienstjahr fängt die Lohnfortzahlungspflicht wieder von Neuem an, wobei die Dauer sich nach den obigen Skalen richtet. Der Anspruch besteht also nicht pro Krankheitsfall, sondern gesamthaft für ein Dienstjahr. Verschiedene Abwesenheiten, die zur Arbeitsunfähigkeit führen, werden zusammengezählt.

Alternative: Krankentaggeldversicherung

Durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag (NAV) oder Gesamtarbeitsvertrag (GAV) kann eine andere Regelung im Arbeitsvertrag vereinbart werden. D.h., es steht dem Arbeitgeber frei, anstelle der gesetzlichen Lohnfortzahlung gemäss Art. 324a OR eine freiwillige Krankentaggeldversicherung abzuschliessen, welche für die Folgen einer Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit aufkommt. Die Krankentaggeldversicherung ist nur obligatorisch, wenn sie in einem NAV oder GAV vorgesehen ist. Mittlere und grössere Unternehmen haben regelmässig freiwillige Krankentaggeldversicherungen abgeschlossen, es gibt aber durchaus Unternehmen, die keine solche Alternativlösung vorsehen. Beim Abschluss einer Krankentaggeldversicherung ist darauf zu achten, dass diese gleichwertig zur gesetzlichen Lösung ist. Dies trifft gemäss Bundesgericht insbesondere zu, wenn die Leistungen wie folgt ausgestaltet sind: Die Versicherung deckt 80% des Lohns über einen Zeitraum von 720 Tagen innerhalb 900 Tagen ab, bei einer maximalen Karenzfrist von 2–3 Tagen. Zudem muss die Prämie für die Krankentaggeldversicherung zu mindestens 50% vom Arbeitgeber getragen werden. Auch wenn bei dieser Regelung nur 80% des Lohns bezahlt werden, erachten die Gerichte eine solche Lösung als gleichwertig, da die Leistungen insgesamt länger erbracht werden. Ob eine Krankentaggeldlösung gleichwertig ist, würde in einem Streitfall das Gericht entscheiden.

Besteht eine gleichwertige Krankentaggeldlösung, muss der Arbeitgeber während der krankheitsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers keine eigene Zahlung erbringen, es sei denn, die Krankentaggeldversicherung zahlt z.B. erst nach einer vertraglich vereinbarten Wartefrist von z.B. 30 oder 60 Tagen. In der Wartefrist muss der Arbeitgeber den Lohn bezahlen. In der Praxis zahlen die Arbeitgeber in der Wartefrist oft 100%, und erst mit Eintritt der Leistungen der Krankentaggeldversicherung wird der Lohnersatz auf 80% reduziert.

Umfang der Lohnfortzahlung

Während der Dauer der Krankheit ist der Grundlohn zuzüglich sämtlicher Lohnbestandteile zu bezahlen. Der Arbeitgeber kann sich wie folgt orientieren: Was hätte der Arbeitnehmer verdient, wenn er gearbeitet hätte (Lohnausfallprinzip)? Dieser Betrag ist dem Arbeitnehmer geschuldet. Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers werden nicht berücksichtigt. In Abbildung 1 werden die wesentlichen zu berücksichtigenden Lohnbestandteile aufgeführt.

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