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Stolpersteine bei Lohnabzügen: Krankheit und Unfalltaggelder

Welche Stolpersteine bei Lohnabzügen gilt es bei Kranken- und Unfalltaggeldern zu beachten? Dieser Beitrag liefert Ihnen wertvolle Praxistipps.

01.01.2023 Von: Hans Zeltner
Stolpersteine bei Lohnabzügen

Anspruch auf Krankentaggelder

Die meisten Arbeitgeber in der Schweiz haben für ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eine Kollektiv-Krankentaggeldversicherung nach Privatversicherungsrecht abgeschlossen. Diese übernimmt im Falle einer Arbeitsunfähigkeit von einem bestimmten Ausmass (in der Regel mindestens 25% Arbeitsunfähigkeit) ein Taggeld von üblicherweise 80% des entfallenden AHV-pflichtigen Lohnes.

Das ist nicht selbstverständlich, da es in der Schweiz nach wie vor kein gesetzliches Obligatorium gibt. Immerhin bestehen in verschiedenen Branchen, wie z.B. der Baubranche und der Gastronomie, Gesamtarbeitsverträge, welche die Arbeitgeber zum Abschluss einer Kollektiv-Krankentaggeldversicherung verpflichten. Ausserhalb des Bereichs dieser Gesamtarbeitsverträge kommt es aber immer wieder vor, dass vor allem kleinere Betriebe auf den Abschluss einer Taggeldversicherung verzichten.

Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben ein Recht zu erfahren, bei welcher Versicherungsgesellschaft der Arbeitgeber die Kollektivversicherung abgeschlossen hat und welches die Versicherungsbedingungen im Einzelnen sind.

Die Arbeitgeber sind verpflichtet, die entsprechenden Informationen zu liefern und auf Wunsch ein Exemplar der massgebenden allgemeinen Versicherungsbedingen (AVB) auszuhändigen.

Das «Kleingedruckte» ist von grosser Bedeutung: So wird beispielsweise in gewissen Verträgen festgehalten, dass bei einer Arbeitsunfähigkeit, welche auf eine bei Beginn des Arbeitsvertrages bereits bestehende Krankheit zurückzuführen ist, nur während einer beschränkten Zeit Taggelder ausgerichtet werden.

Hat sich ein Arbeitgeber im Arbeitsvertrag zum Abschluss einer Kollektiv-Krankentaggeldversicherung verpflichtet (resp. ist er aufgrund eines Gesamtarbeitsvertrags hierzu verpflichtet) und kommt er dieser Verpflichtung jedoch nicht nach, so kann ein Arbeitnehmer, der für längere Zeit arbeitsunfähig geworden ist, vom Arbeitgeber Schadenersatz in der Höhe des entgangenen Taggeldes verlangen.

Beispiel
Herr XY hat einen Arbeitsvertrag abgeschlossen, in welchem der Abschluss einer Kollektiv- Krankentaggeldversicherung zugesichert worden ist. Herr XY erkrankt und es wird Krebs diagnostiziert. Dadurch wird er arbeitsunfähig. Zu seiner schweren Situation hinzu erfährt er nun ausserdem, dass der Taggeldversicherer den Kollektivvertrag gekündigt hat, weil der Arbeitgeber mit den Prämien in Verzug geraten ist. Dem Mitarbeiter wurde jedoch monatlich die Prämie für die Krankentaggeldversicherung abgezogen.

Der Arbeitgeber hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag verletzt und wird dafür schadenersatzpflichtig. Herr XY kann von seinem Arbeitgeber verlangen, dass er dieselben Leistungen entrichtet, welche der Taggeldversicherer bezahlt hätte.

Stolpersteine bei Lohnabzügen: Fragen und Antworten

Sind auf Krankentaggeldern der Versicherung AHV/IV/EO/ALV-Beiträge zu bezahlen?
Nein. Krankentaggelder sind nicht AHV-pflichtig. Der Arbeitgeber zieht davon keine Sozialversicherungsbeiträge ab und führt deshalb diese Lohnersatzeinkommen in der Jahresabrechnung für die Ausgleichskasse nicht auf.

Besteht bei Krankheit weiterhin Anspruch auf Familienzulagen?
Wer wegen Krankheit an der Arbeitsleistung vollständig verhindert ist, erhält die Familienzulagen noch im laufenden und in den drei folgenden Monaten. Danach hat nur noch Anspruch auf die Zulagen, wer weiterhin AHV/IV/EO/ALV-pflichtigen Lohn erhält. Krankentaggelder sind nicht AHV-pflichtig. Wer ausschliesslich Krankentaggelder erhält, hat somit keinen Anspruch mehr auf Familienzulagen.

In versicherten Krankheitsfällen erhalten Mitarbeitende zum Teil den vollen Lohn: Die Versicherung bezahlt 80 Prozent, die Firma bezahlt die restlichen 20 Prozent. Wie muss das im Lohn und in der AHV-Jahresabrechnung deklariert werden?
Die Versicherungsleistung ist nicht AHV-pflichtig. In der AHV-Jahresabrechnung hingegen müssen nur auf 20 Prozent des effektiven Lohnes AHV/IV/EO-Beiträge abgerechnet werden.

Das Unfallversicherungsrecht richtet sich beim Prämienbezug ebenfalls nach dem AHV-pflichtigen Lohn. Also werden von den Krankentaggeldern auch keine Prämien für die Nichtberufsunfallversicherung abgezogen.

Anspruch auf Taggelder der Unfallversicherung

Alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Berufsunfälle sind in jedem Fall, also auch bei stundenweisem Einsatz und unregelmässiger Arbeit, versichert.

Nichtberufsunfälle sind demgegenüber nur versichert, wenn die Arbeitszeit einer Person bei einem Arbeitgeber mindestens 8 Stunden pro Woche beträgt.

Die Unfallversicherung wird vom Arbeitgeber abgeschlossen. Er kann zusätzlich zur obligatorischen Versicherung Zusatzversicherungen abschliessen, insbesondere um den Lohnanteil zu versichern, der über den obligatorisch von CHF 148 200.– zu versichernden Anteil hinausgeht. Die Arbeitnehmer haben ein Recht zu erfahren, bei welcher Versicherung sie gegen Unfälle versichert sind.

Tritt eine Arbeitsunfähigkeit als Folge eines Unfalls ein, bezahlt die Unfallversicherung ab dem 3. Tag (Unfalltag und die folgenden zwei Tage) ein Taggeld von 80% des Lohnes. Dies ist auch bei einer Teilarbeitsunfähigkeit der Fall, das Taggeld reduziert sich dann dementsprechend.

Das Taggeld wird so lange bezahlt, wie eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit besteht und von der medizinischen Behandlung eine wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustandes erwartet werden kann. Ist Letzteres nicht mehr der Fall, muss der Unfallversicherer prüfen, ob ein Rentenanspruch besteht.

Wird ein Taggeld der Unfallversicherung bezahlt, ist der Arbeitgeber von seiner Lohnfortzahlungspflicht entbunden.

Sind auf Unfalltaggeldern AHV-Beiträge zu bezahlen?
Nein. Unfalltaggelder sind nicht AHV-pflichtig. Der Arbeitgeber zieht davon keine Sozialversicherungsabzüge ab und führt deshalb diese Lohnersatzeinkommen in der AHV-Jahresabrechnung für die Ausgleichskasse auch nicht auf.

Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers

Wird eine Person arbeitsunfähig und entsteht weder ein Anspruch auf ein Krankentaggeld noch auf ein Unfalltaggeld, muss der Arbeitgeber bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit den Lohn im 1. Dienstjahr während 3 Wochen und danach für eine «angemessene längere Zeit» entrichten. So steht es im Gesetz. Diese gesetzliche Regelung gelangt allerdings nur zur Anwendung wenn:

  • das Arbeitsverhältnis mehr als 3 Monate gedauert hat oder für mehr als 3 Monate eingegangen worden ist
  • im Einzelarbeitsvertrag keine längere Lohnfortzahlung vereinbart worden ist
  • keine längere Lohnfortzahlungspflicht im Rahmen eines anwendbaren Gesamtarbeitsvertrags vorgeschrieben wird

Was bedeutet eine «angemessen längere Zeit»? Die Gerichte haben diese Bestimmung in unterschiedlichen Skalen (Berner-, Zürcher-, Basler-Skala) präzisiert, welche in den einzelnen Kantonen der Schweiz zur Anwendung gelangen. Das bedeutet, dass die Lohnfortzahlung je nach Kanton unterschiedlich lang dauern kann. Welche der 3 Skalen am jeweiligen Arbeitsort massgebend ist, erfährt man beim örtlich zuständigen Arbeits- oder Zivilgericht.

Als Beispiel sei die Zürcher Skala erwähnt, welche am häufigsten zur Anwendung gelangt: Im 1. Dienstjahr muss der Lohn bei Arbeitsunfähigkeit während 3 Wochen weiter bezahlt werden. Im 2. Dienstjahr während 8 Wochen, im 3. Dienstjahr 9 Wochen und im 4. Dienstjahr während 10 Wochen.

Beispiel
Herr XY arbeitet bereits 7 Jahre und 6 Monate in der Firma YY, als er für längere Zeit arbeitsunfähig wird. Im Arbeitsvertrag ist zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nichts geregelt. Es besteht auch kein Gesamtarbeitsvertrag für dieses Arbeitsverhältnis. Auch hat die Firma für ihre Arbeitnehmer leider keine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen.

Die Lohnfortzahlung richtet sich bei diesem Arbeitsverhältnis somit nach den gesetzlichen Bestimmungen des OR. Weil die Firma YY im Kanton Zürich ansässig ist, ist die Zürcher Skala massgebend. Gemäss dieser besteht im 6. Dienstjahr eine Lohnfortzahlungspflicht von 12 Wochen.

Sämtliche Absenzen im selben Dienstjahr werden jeweils zusammengezählt. Im folgenden Dienstjahr beginnt der Anspruch auf Lohnfortzahlung von Neuem.

Beispiel
Herr XY ist nach 7 Jahren und 6 Monaten für 9 Wochen arbeitsunfähig geworden. Danach hat er die Arbeit wieder aufgenommen. Kurz vor Beginn des 8. Dienstjahres erkrankt er erneut. Diesmal bleibt er für längere Zeit arbeitsunfähig.

Herr XY hat im 7. Dienstjahr nur noch während einer relativ kurzen Zeit Anspruch auf Lohnfortzahlung. Sobald er das 8. Dienstjahr erreicht hat, entsteht aber erneut ein Anspruch auf Lohnfortzahlung während 14 Wochen.

Bei einer teilweisen Arbeitsunfähigkeit verlängert sich der Anspruch auf Lohnfortzahlung nach vorherrschender Lehre entsprechend. Das Bundesgericht hat über diese Frage allerdings bis heute noch nicht entschieden.

Beispiel
Frau UY ist seit 10 Monaten angestellt, als sie erkrankt. Sie wird von ihrem Arzt für 14 Tage zu 100% arbeitsunfähig erklärt, dann für weitere 4 Wochen zu 50%. Es besteht im Betrieb keine Krankentaggeldversicherung.

Frau UY hat im 1. Dienstjahr einen gesetzlichen Anspruch auf Lohnfortzahlung von maximal 3 Wochen. In diesem Fall erhält sie ihren Lohn während insgesamt 4 Wochen voll ausbezahlt (während 2 Wochen 100%-Arbeitsunfähigkeit und 2 Wochen 50%-Arbeitsunfähigkeit). Während der letzten 2 Wochen ihrer teilweisen Arbeitsunfähigkeit erhält sie nur noch einen 50%-Lohn ausbezahlt.

GUT ZU WISSEN
Bezieht ein Mitarbeiter während längerer Zeit Taggelder (z.B. Kranken- und Unfalltaggelder), erfüllt er unter Umständen seine Beitragspflicht im laufenden Jahr nicht. Eine Beitragslücke wird eventuell erst im Alter bemerkt und kann zu einer Rentenkürzung führen. Empfehlen Sie den betroffenen Mitarbeitenden, sich bei der Ausgleichskasse des Wohnsitzkantons zu melden, um die Situation zu klären.

Die Pensionskassenabzüge sollten erst nach Erhalt der Bestätigung über eine Prämienbefreiung (rückwirkend) sistiert werden. Bei der Quellensteuer sind die Taggelder jedoch Bestandteil der Steuerberechnung.

Zu guter Letzt

Arbeitgeber
Ohne eine Versicherung trägt der Arbeitgeber das Risiko selbst. Das bedeutet die Bezahlung des vollen Lohnes, obwohl er keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erhält. Ein allfälliger Ersatz für den ausfallenden Arbeitnehmer verursacht weitere Kosten.

Arbeitnehmer
Ist die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers erloschen, erhält er kein Ersatzeinkommen mehr. Der Arbeitnehmer sollte eine eigene Krankentaggeldversicherung abschliessen. Als Einzelversicherter bei einem privaten Versicherer oder einer Krankenkasse ist die Prämienbelastung in der Regel höher als mit einem Kollektivvertrag.

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