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Outsourcing von Arbeitszeugnissen: Ein Einblick in die Praxis

Für HR ist die Erstellung der Zeugnisse immer ein Balanceakt. Einerseits gilt es, die Zeugnisse effizient und fristgerecht zu erstellen. Andererseits möchte man auch wertschätzend auf die Individualität der Mitarbeitenden eingehen.

17.10.2023 Von: Fernando Carlen
Outsourcing von Arbeitszeugnissen

Trend zur Digitalisierung und Outsourcing von Arbeitszeugnissen

In den letzten fünf Jahren lassen sich zwei klare Trends im Bereich der Arbeitszeugnisse erkennen.

Erstens erstellen vermehrt Unternehmen Zeugnisse mit einer Software, und zweitens übertragen immer mehr Firmen diese Aufgabe an spezialisierte Anbieter. Dabei wird im Wesentlichen zwischen einem Teiloutsourcing von Arbeitszeugnissen (Übernahme definierter Prozessschritte) und einem Managed Service unterschieden (Abbildung 1). Bei Letzterem übernimmt der Anbieter die Verantwortung für den gesamten Prozess. Doch wie sieht ein Managed Service in der Praxis konkret aus?

Spezialisiertes Team

Oft kontaktieren Unternehmen spezialisierte Anbieter, sobald sich ein Rückstand bei der Erstellung von Zeugnissen aufgestaut hat oder die Zeugnisanfragen aufgrund von Reorganisationen sprunghaft ansteigen. Der Anbieter kann auf spezialisierte Teams zugreifen, welche innerhalb von Tagen beim Kunden einsatzbereit sind, und Rückstände von Zeugnissen in den Sprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch im Zeitraum von wenigen Wochen abarbeiten. Aus solchen befristeten Einsätzen ergeben sich oft langfristige Managed-Service-Beziehungen.

Integration als Erfolgsfaktor

Beim Managed Service stellt der Anbieter aufgrund der Sprachanforderungen und der geschätzten jährlichen Volumen ein Team spezifisch für den Kunden zusammen.

Die Fachspezialisten arbeiten auf den HR-Systemen des Kunden und sind für die Zeugniserstellung von A bis Z verantwortlich. Sie kommunizieren mit den Vorgesetzten und Mitarbeitenden mit Telefonnummern und E-Mail-Adressen des Kunden.

Durch diese Einbettung wird das spezialisierte Team nicht als externer Anbieter wahrgenommen, sondern als Teil des internen HR.

SLA, Kostentransparenz und Digitalisierung

In einem Managed Service vereinbaren der Kunde und der Anbieter sogenannte Service Level Agreements (SLA). In der Praxis findet man oft eine Auswahl dieser SLA:

  • 99% aller Zwischenzeugnisse werden innerhalb von zehn Tagen erstellt.
  • 99% aller Schlusszeugnisse werden bis zum Austrittsdatum erstellt.
  • Die Zufriedenheit der Zeugnisse von Vorgesetzten und Mitarbeitenden liegt höher als 95%.

Da die Anbieter über spezialisiertes Fachpersonal verfügen, welches fokussiert Arbeitszeugnisse erstellen kann, sind Volumenschwankungen gut stemmbar.

Die konsequente Einhaltung der SLA durch den Anbieter erhöht merklich die Zufriedenheit der Vorgesetzten und Mitarbeitenden, und das interne HR wird stark entlastet.

Der Kunde bezahlt pro Zeugnis, und dadurch entstehen nur Kosten, wenn effektiv Zeugnisse erstellt werden.

Zudem profitieren die Unternehmen von effizienten und digitalisierten Abläufen wie z. B.:

  • automatisches Anstossen der Zeugnisse bei Austrittsmutationen
  • digitale Signaturprozesse
  • automatische Ablage der Zeugnisse in die elektronischen Personaldossiers

Durch die Prozesseffizienz können die Fachspezialisten sich die Zeit nehmen, um in Zusammenarbeit mit den Vorgesetzten auf die Eigenheiten der Mitarbeitenden einzugehen und diese in den Zeugnissen wertschätzend zu verarbeiten.

Auch die zeitaufwendige Abbildung der Anstellung in einem Vollzeugnis wird von den Fachspezialisten fachkundig erarbeitet. Dazu sind entsprechend die Zugriffe auf die Personaldossiers wichtig.

Einführungsphase ist entscheidend für den Erfolg

In der Praxis hat sich das vierstufige Phasenmodell bei der Einführung eines Managed Service bewährt:

  • Phase 1: Übernahme des bestehenden Prozesses
  • Phase 2: Planung
  • Phase 3: Einführung
  • Phase 4: Betrieb

In der ersten Phase, die typischerweise zwei bis drei Monate dauert, übernimmt der Anbieter die Verantwortung für die Erstellung der Zeugnisse auf den bestehenden Prozessen und Strukturen des Kunden.

Dabei lernt man die unternehmensspezifischen Eigenheiten kennen und erkennt Optimierungspotenziale. In dieser Phase arbeiten die Anbieter oft nach Aufwand (definierte Stundensätze).

In der zweiten Phase wird basierend auf den Erkenntnissen der ersten Phase der Soll-Betrieb definiert und, falls noch keine Software im Betrieb ist, auch die Einführung einer Software geplant.

Ebenfalls in diese Phase gehört das detaillierte Testing der neuen Prozesse. Diese Phase dauert je nach Unternehmensgrösse zwei bis vier Monate.

Da sich die erste und zweite Phase überlappen, können Erkenntnisse aus dem Tagesgeschäft direkt in die Planung einfliessen.

In der dritten Phase wird der Managed Service mit Informationen, Change-Management-Aktivitäten und Schulungen eingeführt.

Diese Phase muss sehr detailliert geplant werden, da diese für die Akzeptanz und den Erfolg des Managed Service von zentraler Bedeutung ist.

Nach der erfolgreichen Einführung wird der Managed Service in den laufenden Betrieb überführt, und der Anbieter optimiert laufend die Qualität und Effizienz der Zeugniserstellung.

Kundenspezifische Eigenheiten

In der Praxis existiert nicht ein Standard des Managed Service.

Die Anbieter verfügen zwar aufgrund der Erfahrung über Best-Practice-Ansätze und können wertvolle Inputs in die Diskussion miteinbringen.

Doch beim Aufsetzen des Managed Service wird viel Zeit aufgewendet, um auf die kundenindividuellen Anforderungen eingehen zu können. Dies können unter anderem folgende Aspekte sein:

  • Wie wurden Zeugnisse in der Vergangenheit erstellt? Welche Aspekte sollen dabei auch in Zukunft beibehalten werden?
  • Wann soll das interne HR (z. B. HR-Business-Partner) noch involviert werden (z. B. bei Kündigungen durch den Arbeitnehmer)?
  • Was sind unternehmensspezifische Eigenheiten, Formulierungen, Abkürzungen oder Glossars?
  • Wer soll die Zeugnisse unterschreiben?
  • Welche Verantwortung haben die Vorgesetzten im Prozess?
  • Wann werden die Mitarbeitenden im Prozess einbezogen?

Durch das Eingehen und Umsetzen solcher kundenspezifischer Anforderungen wird die Akzeptanz eines Managed Service weiter erhöht.

Strategische Entscheidung

Der Entscheid, ob man die Zeugniserstellung weiterhin intern oder durch einen Anbieter abwickeln möchte, sollte in die HR-Strategie und das HR-Geschäftsmodell eingebettet werden.

Dabei gilt es, die Vor- und Nachteile abzuwägen und aufgrund diverser Faktoren eine für das Unternehmen passende Entscheidung zu treffen.

In der Praxis findet man das Teiloutsourcing von Arbeitszeugnissen und den Managed Service in allen Branchen und auch in allen Unternehmensgrössen.

Erfahrungsgemäss setzen Unternehmen bei einem jährlichen Volumen von ein bis 200 Zeugnissen eher auf die Teiloutsourcing-Lösungen und ab 200 Zeugnissen pro Jahr eher auf den Managed Service.

Rückführung in die Schweiz

Zum Schluss noch eine Bemerkung über eine Entwicklung der letzten Jahre. Grössere internationale Unternehmen lagern vermehrt HR-Services in unternehmensinterne Shared Service Center z. B. nach Polen aus.

Die gemachten Erfahrungen werden von den Unternehmen mehrheitlich als gut beschrieben, mit einer Ausnahme: Arbeitszeugnisse.

Aus diesem Grund holen immer mehr dieser Unternehmen den Arbeitszeugnisprozess zurück in die Schweiz. Dabei wird die Aufgabe entweder vom lokalen HR oder von spezialisierten Schweizer Anbietern übernommen.

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