Was ist eine Kündigung zur Unzeit?
Als Ausgangspunkt dient Art. 336c Abs. 1 lit. b OR: Diese Bestimmung sieht vor, dass der Arbeitgeber nach Ablauf der Probezeit nicht kündigen darf, wenn der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder durch Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist, und zwar im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab zweitem bis und mit fünftem Dienstjahr während 90 Tagen und ab sechstem Dienstjahr während 180 Tagen.
Was bedeutet Verhinderung an der Arbeitsleistung?
Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer nicht «nur» krank, sondern arbeitsunfähig ist, d.h. unfähig, die vertraglich geschuldete Arbeit zu erbringen. Die während der Arbeitsunfähigkeit erfolgte Kündigung des Arbeitgebers ist nichtig und muss nach deren Ablauf wiederholt werden. Während der Probezeit hingegen darf auch bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers gekündigt werden. Dasselbe gilt grundsätzlich auch bei Ablauf von befristeten Arbeitsverhältnissen, wenn die Kündigung durch den Arbeitnehmer erfolgt, eine gerechtfertigte fristlose Kündigung vorliegt oder ein (gültiger) Aufhebungsvertrag geschlossen wurde.
Die Kündigung bei Krankheit ist gültig, wenn sie vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen wird. Die Kündigungsfrist wird jedoch während der Arbeitsunfähigkeit, höchstens aber bis zum Ablauf der gesetzlichen Sperrfrist, unterbrochen und danach fortgesetzt. Entfällt die Arbeitsunfähigkeit, so endet auch die Sperrfrist, selbst wenn deren gesetzliche Dauer noch nicht abgelaufen ist. In Ausnahmefällen kann die Berufung auf die Sperrfrist rechtsmissbräuchlich sein, etwa bei sehr kurzer Krankheit gegen Ende der Kündigungsfrist in Verbindung mit einer Freistellung und dem Vorliegen einer neuen Stelle. Die Sperrfrist kann ausnahmsweise auch wegfallen, wenn trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung eine Neuanstellung wahrscheinlich ist.
Der Kündigungsschutz kommt mit gleicher Dauer auch bei Teilzeit- und Temporärarbeitsverhältnissen sowie grundsätzlich bei Freistellung zum Tragen.
Kündigung bei Krankheit - Mehrere Krankheitsfälle
Wird ein Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist mehrere Male krank, so kommt es darauf an, ob die Krankheit aus demselben Grund erfolgt oder nicht. Bricht sich ein Arbeitnehmer ein Bein und hat er zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Grippe, so kumulieren die Sperrfristen. Dies gilt nur dann nicht, wenn die zweite Arbeitsunfähigkeit in die verlängerte Frist gemäss Art. 336c Abs. 3 OR fällt. Ein Rückfall oder eine Folgeerscheinung lösen ebenfalls keine neue Sperrfrist aus. Bei einem Rückfall kann aber der Rest der noch nicht vollständig aufgebrauchten Sperrfrist in Anspruch genommen werden. Dauert eine Krankheit über ein Dienstjahr hinaus, wird im neuen Dienstjahr kein neuer Sperrfristenlauf ausgelöst. Allenfalls kommt aber eine längere Sperrfrist zu tragen.
Verhältnis von Kündigungsschutz und Lohnfortzahlung
Während der durch die Sperrfrist verlängerten Kündigungsfrist hat der Arbeitnehmer nur Anspruch auf Lohn, wenn entweder eine Lohnfortzahlungspflicht gemäss Art. 324a/b OR vorliegt, wenn der Arbeitnehmer arbeitet, oder wenn er die Arbeit wegen Verzuges des Arbeitgebers nicht leisten kann. Wird der Arbeitnehmer während der verlängerten Kündigungsfrist wieder arbeitsfähig, muss er seine Arbeit anbieten, sonst verwirkt er seinen Lohnanspruch.
Kündigungsschutz und Lohnfortzahlungspflicht gemäss Art. 324a OR sind zwei paar Schuhe. Das Arbeitsverhältnis kann sich wegen der Sperrfrist z.B. um 10 Wochen verlängern, während die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bereits nach wenigen Wochen aufhören kann.
Frühzeitige Kündigungen
Arbeitgeber kündigen ihren Arbeitnehmern manchmal früher als nötig, um ihnen genügend Zeit für die Stellensuche einzuräumen. Auch hier führt eine lediglich 1-tägige Arbeitsunfähigkeit während der Kündigungsfrist (welche vom Ende zurückgerechnet wird) grundsätzlich zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses. Insgesamt hätte der Arbeitnehmer somit ungewöhnlich lange Zeit, eine neue Stelle zu finden. Die Berufung auf die Verlängerung der Kündigungsfrist kann in solchen Fällen deshalb rechtsmissbräuchlich sein.