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Grenzüberschreitendes Homeoffice: Sozialversicherungs- und steuertechnische Folgen

Spätestens seit Ausbruch der Corona-Pandemie ist Homeoffice als neue Arbeitsform ein grosses Thema. Hierbei gibt es viele Aspekte zu berücksichtigen, wie Datenschutz oder Entschädigung der Mitarbeitenden und die betriebliche Organisation an sich. Vorliegender Artikel beleuchtet die Fragen rund um Homeoffice im Ausland, wobei insbesondere in steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht diverse Stolpersteine zu berücksichtigen sind.

05.07.2022 Von: Cyrill Habegger
Grenzüberschreitendes Homeoffice

«Homeoffice», «remote work» und ähnliche Konzepte gibt es schon länger. Viele Unternehmen bevorzugten es jedoch, wenn ihre Mitarbeitenden sich am üblichen Arbeitsort einfanden und ihre Arbeit dort erledigten. Als der Bundesrat während der Pandemie empfahl, im Homeoffice zu arbeiten, und spätestens, als Homeoffice sogar behördlich angeordnet wurde, mussten sich Unternehmen und ihre HR-Abteilungen mit dem Thema erneut auseinandersetzen.

Mittlerweile sind die Arbeitsplätze zu Hause gut eingerichtet, die IT- und sonstige Infrastruktur funktioniert, und Unternehmen wie auch Mitarbeitende haben festgestellt, dass Homeoffice durchaus Vorteile hat. Nicht verwunderlich daher, dass zahlreiche Arbeitgebende Homeoffice auch weiterhin ermöglichen wollen, selbst wenn die Lage eine Rückkehr ins Büro ermöglicht. Dies bedeutet für HR-Abteilungen, verschiedenste Punkte zu klären, wobei zusätzliche Aspekte zu beachten sind, falls Mitarbeitende ihre Arbeit aus dem Homeoffice im Ausland erledigen.

Die grössten Stolpersteine bei grenzüberschreitendem Homeoffice

Die grössten Fallstricke, wenn man Mitarbeitenden ermöglicht, im grenzüberschreitenden Homeoffice zu arbeiten, finden sich in den Bereichen Steuern und Sozialversicherungen. Während man die Logistik und auch das Vertragliche hinkriegt, ist es schwierig, sicherzustellen, dass Steuern und Sozialversicherungen korrekt abgerechnet werden. Doch wo liegt das Problem?

Sozialversicherungen

Im Bereich Sozialversicherungen ist die Sachlage, jedenfalls bei Tätigkeit im EU/EFTA Homeoffice, «einfach» geregelt: arbeitet man «wesentlich», d.h. 25% oder mehr, im Wohnsitzstaat, ist man grundsätzlich dort zu versichern, egal wo die Arbeitgeberin ansässig ist. Vgl. auch die Tabelle der Unterstellungsregeln gemäss Verordnung EU 883/2004.

Arbeitet also eine Mitarbeitende, die ein 100%-Pensum hat, im Schnitt 2 Tage die Woche im französischen Homeoffice und 3 Tage am Sitz der Arbeitgeberin in der Schweiz, müssen für diese Mitarbeitende in ihrem Wohnsitzstaat Frankreich Sozialversicherungen abgerechnet werden.

Neben dem administrativen Aufwand ist dies, aufgrund der hohen Beiträge im französischen Sozialversicherungssystem, relativ kostspielig. Analoges gilt für sämtliche EU-/EFTA-Staaten: Arbeiten die Mitarbeitenden von dort aus, laufe ich als schweizerische Arbeitgeberin schnell Gefahr, dort Sozialversicherungen abrechnen zu müssen. 1

«Dank» COVID werden diese Unterstellungsregeln momentan mittels zwischenstaatlicher Vereinbarungen übersteuert. Man fingiert hierbei die Situation, wie sie ohne Covid wäre, d.h., unsere französische Grenzgängerin, die normalerweise täglich ins Büro nach Basel käme, jetzt aber an 2 von 5 Tagen Homeoffice in Frankreich macht, wird trotz wesentlicher Tätigkeit im Wohnsitzstaat nicht dort sozialversichert, sondern bleibt dem schweizerischen System unterstellt. Aufgrund der Tatsache, dass sich Telearbeit etabliert hat, haben die Mitglieder der EU-Verwaltungskommission für Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit sich im Juni 2022 darauf verständigt, die flexible Anwendung bis zum 31. Dezember 2022 zu verlängern. Gleichzeitig plant man, die Unterstellungsregeln per 1. Januar 2023 dahingehend auszugestalten, dass ein bestimmtes Ausmass an Homeoffice-Tätigkeit im Wohnsitzstaat möglich ist, ohne dass die Zuständigkeit im Bereich der nationalen Sicherheit ändert.2

Wer plant, länger Homeoffice zu ermöglichen, tut gut daran, die Regeln hierfür frühzeitig festzulegen. Plötzlich ein Schreiben der französischen Sozialversicherungsbehörde URSSAF im Haus zu haben, man möge diverse Mitarbeitende doch bitte korrekt in Frankreich abrechnen, und zwar rückwirkend, ist nicht unbedingt das, was man sich wünscht.

Auch im Verhältnis zu Staaten ausserhalb der EU/EFTA ist dieser Punkt im Auge zu behalten. Typischerweise sind im Tätigkeitsstaat Sozialversicherungen geschuldet, womit schweizerische Arbeitgebende gegebenenfalls in Staaten abrechnen müssen, in denen ihre Mitarbeitenden im Homeoffice oder gar im Ferienhaus arbeiten.

Steuern

Neben den Sozialversicherungen sind auch die Steuern ein grosses Thema bei ausländischem Homeoffice. Vereinfacht gesagt ist die Grundregel, dass, wenn man im Ausland wohnt, jedoch für eine schweizerische Arbeitgeberin physisch in der Schweiz arbeitet, hier eine Quellensteuer anfällt. Ob und wie dann auch Steuern im anderen Staat geschuldet sind, ist regelmässig nicht das Problem der schweizerischen Arbeitgeberin. Gewisse Ausnahmen bestehen aufgrund von speziellen Bestimmungen betreffend Grenzgängerinnen und Grenzgänger (Tagespendler).

Kommen solche Personen aber nicht mehr in die Schweiz arbeiten, respektive nur noch in beschränktem Umfang, dann verschiebt sich das Besteuerungsrecht mehr und mehr Richtung Wohnstaat. Die Schweiz hat dann grundsätzlich nur noch auf physisch in der Schweiz geleistete Arbeitstage ein Besteuerungsrecht. Das kann für die Mitarbeitenden zu einer Mehrbelastung führen. Weiter gibt es diverse Staaten, die vorsehen, dass die ausländische Arbeitgeberin Quellensteuern abführt, wenn sie Arbeitnehmende hat, die in diesem Staat ansässig und damit steuerpflichtig sind. Dies kann für die schweizerische Arbeitgebende bedeuten, dass sie bei solchen Mitarbeitenden anhand eines Reisekalenders gleichzeitig in der Schweiz und im Ausland Steuern abrechnen muss und gegebenenfalls im Ausland sogar noch eine Vertreterin benötigt.

Nur schon diese zwei Aspekte sind nicht ganz einfach in der Handhabung und bergen Risiken für die Arbeitgebenden. Man stelle sich vor, eine Arbeitnehmende verunfalle im ausländischen Homeoffice so schwer, dass sie Invalidenleistungen beziehen muss. Stellt die IV nun fest, dass diese Mitarbeitende ausschliesslich im Ausland tätig war und damit gar nicht dem schweizerischen Sozialversicherungssystem unterstellt, kann sie Leistungen verweigern. Gleichzeitig wird eine ausländische Sozialversicherung eine bereits verunfallte Arbeitnehmende wenn irgendwie möglich nicht (rückwirkend) versichern. Im schlimmsten Fall muss die Arbeitgeberin hohe ausbleibende Leistungen selbst finanzieren, da sie diese Versicherung im Arbeitsvertrag zugesichert hat.

Neben Steuern und Sozialversicherungen gibt es zahlreiche weitere Aspekte, die man im Auge haben muss, wenn man grenzüberschreitendes Homeoffice erlauben will. Die folgende Übersicht zeigt einige solcher Punkte noch etwas genauer auf.

Thema Überlegungen
Steuern/Sozialversicherungen Das korrekte Abführen der Abgaben im richtigen Staat ist sicherzustellen. Näheres dazu finden Sie im Hauptartikel. Zusätzlich zu beachten ist weiter das Betriebsstättenrisiko, d.h., dass das Unternehmen im Ausland für Gewinnsteuern pflichtig werden könnte.
Arbeitsrecht Sind Mitarbeitende überwiegend oder fast ausschliesslich im Homeoffice in ihrem Wohnsitzstaat tätig, ist typischerweise dortiges Arbeitsrecht zu beachten, und es wird auch ein Gerichtsstand am üblichen Arbeitsort der Mitarbeitenden bestehen.
Gesamtarbeitsvertrag (GAV) Besteht ein GAV oder gar ein allgemeinverbindlicher GAV, ist zu prüfen, ob alle Erfordernisse erfüllt werden können, wenn Mitarbeitende überwiegend im Homeoffice im Ausland arbeiten. Gerade die Krankentaggeldversicherung kann hier ein Stolperstein sein. 
Arbeitsorganisation, Arbeitszeit «Überwachung» Mitarbeitende Generell ist das Thema Zeiterfassung und Über-/Unterzeiten im Homeoffice im Auge zu behalten. Bei grösseren Distanzen kann der Aspekt der Zeitverschiebung erschwerend dazukommen.
Datenschutz Ein eminent wichtiges Thema: Greifen Mitarbeitende im Ausland auf Firmen- und Kundendaten zu, ist dem Thema Datenschutz besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Auch IT-seitig ist es wichtig, sich über Heimnetzwerke oder private (WLAN-)Drucker Gedanken zu machen. Hier sind typischerweise Schwachstellen auszumachen, welche auch Hacker für Angriffe nutzen können.
Versicherungen Berufsunfall-, Nichtberufsunfallversicherung, Krankentaggeld- und weitere Versicherungen müssen auch unter dem Aspekt (ausländisches) Homeoffice durchleuchtet werden. Allenfalls sind Anpassungen notwendig. Noch schwieriger wird es, wenn die Mitarbeitenden im ausländischen Homeoffice nicht mehr im schweizerischen Sozialversicherungssystem sind, dann können weitere Versicherungen folgen. Auch die Krankenkasse darf hierbei nicht ausser Acht gelassen werden.
Homeoffice Reglement/Arbeitsvertrag (Vertragszusatz) Es empfiehlt sich, klare Regeln zu erstellen, wer, wo, in welchem Umfang (nicht) im Homeoffice tätig werden darf. In einem solchen Reglement können u.a. die nachfolgenden Punkte geregelt werden.
Recht oder Pflicht zur Homeoffice-Tätigkeit Es gibt in verschiedenen Themenbereichen Unterschiede, ob die Tätigkeit im Homeoffice angeordnet ist oder ob diese auf eigenen Wunsch erfolgt. Die entsprechenden Regeln sind festzuhalten.
Entschädigung, Spesen Ob und in welchem Umfang Mitarbeitende im Homeoffice hierfür zusätzlich entschädigt werden (müssen) und ob die Entschädigung als steuerbares Einkommen oder Spesenersatz gilt, ist schon im schweizerischen Homeoffice schwierig abzugrenzen. Eine Erwähnung in einem Spesenreglement für Homeoffice oder auch im Falle einer Freistellung ist empfehlenswert. Bei Mitarbeitenden in ausländischen Homeoffices sind zudem dortige Regeln zu beachten. 

Fussnoten

1) Es ist hierbei zu beachten, dass die EU-Verordnung 883/2004 nur für EU- und Schweizerbürger:innen gilt, die Regeln für Drittstaatenangehörige können abweichen. Gleiches gilt für die Vereinbarung zwischen den EFTA-Staaten.

2) Aktuelle Informationen sowohl zur Situation bis zum 30. Juni 2022 als auch zur Situation ab 1. Juli 2022 finden sich auf der Homepage des BSV: Coronavirus: Auswirkungen auf die Sozialversicherungen im internationalen Kontext (admin.ch)

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