Beschaffung von Pflegepersonal: Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus

Die Nachfrage an geeignetem Pflegepersonal in der Schweiz ist gross. Begehrt ist eine Anstellung nur bedingt. Viele angehende Pflegefachkräfte verlassen noch während der Ausbildungsphase die Fachhochschule oder kündigen in den ersten zwei Berufsjahren. Um das Defizit auszugleichen und geeignetes Personal zu rekrutieren, bleibt der Blick über die Landesgrenzen hinaus. Dazu gibt es einen interessanten Vergleich.

22.11.2022
Beschaffung von Pflegepersonal

Pflegefachkräfte in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Ein grundsätzliches Problem in der Beschaffung geeigneter Pflegefachkräfte sind die verschiedenen Ausbildungsformen in den drei deutschsprachigen Staaten. In Deutschland werden pflegerische Berufe überwiegend praktisch gelehrt und der theoretische Anteil im Blockunterricht vermittelt. In Österreich und der Schweiz sind die Zugangsvoraussetzung höher und erfordern die Qualifikation zur Fachhochschule oder Höheren Fachschule. Das Wissensdefizit der ausgebildeten Fachkräfte wird durch regionale Kompetenzen der Ausbildungsstätten verstärkt.

Wenn Sie sich dazu entscheiden, eine Fachkraft für die Pflege aus Deutschland oder Österreich anzustellen, müssen Sie prüfen, ob die bisher absolvierte Ausbildung ausreicht, um die Schweizer Standards der Lehre zu erfüllen. Fehlende Sachkenntnisse können Pflegefachkräfte aus dem Ausland über eine Weiterbildungsmassnahme in der Schweiz ausgleichen. Diese wird auch berufsbegleitend angeboten. Für eine Einrichtung ergibt sich daraus der Vorteil, dass die neue Fachkraft bereits mit Aufgaben betraut werden kann, die ihrer Qualifikation entsprechen und somit das vorhandene Pflegeteam aktiv unterstützt.

Der schlechte Ruf der Schweizer Pflege

Sich selbst wahrzunehmen und zu hinterfragen ist eine Tugend. Immer wieder berichten Absolventen eines Pflegeberufs, dass sie unter Verstössen leiden, die in der Branche offensichtlich zum Alltag gehören. Solche Schilderungen nehmen potenzielle Nachwuchskräfte wahr und hinterfragen zurecht, ob sie sich das antun sollen oder lieber einen anderen Berufszweig wählen, um sich nicht den Missständen auszuliefern. Zustande kommen arbeitsrechtliche Überschreitungen aufgrund von einem nachweisbaren Fachkräftemangel in der Pflege.

Wo Personal nicht verfügbar ist, müssen die Mehrarbeit leisten, die sich für eine Festanstellung entschieden haben. Damit wächst der Druck auf das vorhandene Personal in den Seniorenresidenzen, Kantonspitälern und Pflegeeinrichtungen. Nicht selten halten einige der Angestellten dem herrschenden Druck nicht Stand und melden sich krank oder steigen aus. Sie als Personalsuchende müssen bei der Einstellung unbedingt auf die physische und psychische Belastbarkeit der Fachkräfte achten, um solche Szenarien zu vermeiden.

Gehaltsvergleich des Pflegepersonals

Ein deutlicher Pluspunkt für die Schweiz ist ihre Gehaltsstruktur. Das Gehalt in der Karriere als Altenpfleger/in ist von diesen Faktoren abhängig:

  • Qualifikationsgrad
  • Beschäftigungsort
  • Einrichtungsart (privat oder öffentlich)
  • Alter
  • Dienstjahre

Pflegefachmänner verdienen noch immer mehr als Pflegefachfrauen, das gilt für alle drei Staaten, die als Vergleich zugrunde liegen. Gleich ist in allen Staaten zudem, ob die Tätigkeit in einer privaten oder öffentlichen Einrichtung ausgeübt wird. Öffentliche Pflegeeinrichtungen sind in fast allen Regionen und Kantonen an einen Kollektivvertrag gebunden. Private Einrichtungen, ob mit oder ohne kirchliche Unterstützung, dürfen die Gehälter mit den Pflegefachkräften individuell verhandeln, weshalb es zu einem grossen Gehaltsgefälle zwischen den Einrichtungen kommt. Zum Vergleich folgt hier eine Übersicht zur Orientierung für Personaler.

Deutschland

Per anno verdient eine Pflegefachkraft im Fachbereich Altenpflege geschlechtsbereinigt zum Einstieg rund 35.748 Euro, was ungefähr 34'831 CHF entsprechen. Mit zunehmendem Alter und Dienstjahren steigt das Bruttogehalt im Durchschnitt auf 39.864 Euro, das sind circa 38'841 CHF. Sonderzuschläge sind hierbei nicht berücksichtigt. Für die Nachtpflege benötigen Pflegefachkräfte eine zusätzliche Ausbildung, entsprechend wird das Gehalt angepasst. In der Kinderkrankenpflege verdienen Angestellte bis zu zehn Prozent weniger pro Jahr.

Österreich

Im Nachbarland liegt das Einstiegsgehalt laut Erhebungen bei 17.400 Euro (16'953 CHF) für eine Pflegeassistenzfachkraft, Pflegeassistenten steigen mit mindestens 18.000 Euro (17'538 CHF) ein und Pflegepersonal mit Fachhochschulabschluss erhalten bis zu 34.320 Euro (33'440 CHF) zum Start ihrer Karriere. Die Bruttojahresgehälter steigen mit den Dienst- und Qualifikationsjahren, liegen aber noch immer unter den Schweizer Verdienstmöglichkeiten.

Schweiz

Pflegehelfer/innen verdienen durchschnittlich 53'000 CHF (54.356 Euro), das ist die niedrigste Berufsstufe in der Pflege. In privaten Einrichtungen reicht das Bruttogehalt für eine Pflegefachfrau auf bis zu 84'000 CHF pro Jahr, ein Pflegefachmann verdient fast 88'000 CHF. Schweizer Pflegeeinrichtungen bieten ihren Angestellten ausserdem kostenlose Weiterbildungsmassnahmen und Aufstiegschancen. Gute Verdienstmöglichkeiten gibt es in Graz und Zürich auch aufgrund der höheren Lebenshaltungskosten in vergleichbaren Schweizer Städten.

Argumente für die Schweizer Pflege

Die grösste Herausforderung für Personalsuchende besteht darin, potenzielle und verfügbare Fachkräfte von der Schweiz als Pflegestandort zu überzeugen. Im Austausch mit den Einrichtungen können Personaler die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten optimieren. Wird die Balance zwischen der Arbeitsbelastung und dem Freizeitausgleich hergestellt, sichert das den Pflegeeinrichtungen das Personal dauerhaft, was weniger Krankenstandstage verzeichnen dürfte.

Ein herausragendes Argument für eine Anstellung in der Schweiz sind die möglichen Bruttolöhne, die um sehr viele Prozentpunkte höher sind als in den beiden Nachbarstaaten. Ausserdem punktet die Schweiz mit einem guten Ausbildungsangebot, dass auch Fachkräfte mit einer geringeren Ausbildung höhere Abschlüsse nachholen können.

Auf Bedürfnisse des Pflegepersonals eingehen

Belastungssteuerung ist ein wichtiges Thema, dem viele Schweizer Pflegeeinrichtungen zulange hinterher liefen. Dabei zeigen verschiedene Studien und Verfahren , das Flexibilität keine Einbahnstrasse ist. Wenn Sie als Arbeitgeber von Pflegefachkräften aufgrund des temporären Mehrbedarfs Überstunden verlangen, sind Sie gefordert, einen Ausgleich zu ermöglichen. Dafür bleiben Ihnen verschiedene Optionen:

  • phasenweise kürzere Schichten
  • voller Freizeitausgleich durch zusätzliche Urlaubstage
  • Mischausgleich aus Entlohnung und Freizeit
     

Dabei gilt nicht über die Köpfe der Angestellten hinweg zu entscheiden, sondern eine gemeinsame Lösung zu finden, die mit dem Dienstplan vereinbar ist. Beschäftigte wissen um den täglichen realen Personalbedarf, deshalb sind sie zwingend mit einzubinden.

Zusatzleistungen anbieten

Für Pflegefachkräfte besteht eine grosse Herausforderung darin, ihren Lebensstandort zu wechseln, wenn in ihrem Wohngebiet keine Stellenangebote verfügbar sind. Personaler scheitern in der Rekrutierung nicht an der geringfügigen Kompetenz, sondern am Standort der Einrichtung. Zu überlegen gilt, welchen Herausforderungen sich potenzielle Fachkräfte stellen müssen, um einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen?

Pflegeeinrichtungen müssen Fachkräften Anreize schaffen. Immer mehr Unternehmen aller Branchen gehen dazu über, gutem Personal ein Startpaket zu bieten. In diesem enthalten sind individuelle Leistungen, die auf die Bedürfnisse der neuen Pflegefachkraft zugeschnitten werden. Für Personal, welches von auswärts kommt, sind vor allem die Umzugskosten belastend. Wenn Sie bereit sind, diese zu übernehmen und bei der Unterkunftssuche behilflich sind und eine mögliche Kautionszahlung leisten, sind Pflegefachkräfte mit hoher Wahrscheinlichkeit eher gesprächsbereit.

Gezielt Lösungen bieten

Die Herausforderungen in der Pflege werden nicht geringer. Die Schweiz ist ein guter Standort für Pflegefachkräfte, jedoch fehlt es an einer guten Werbekampagne, um die Vorteile zu präsentieren. Arbeitgeber müssen mehr auf die individuellen Bedürfnisse der gut gebildeten Fachkräfte eingehen, um das Bedarfsdefizit dauerhaft zu decken.

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