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Obligatorische Unfallversicherung: Vorsicht vor Lücken und Tücken

Der Versicherungsschutz für die obligatorische Unfallversicherung kennt seine Grenzen. Gerichte und die Versicherer haben ihre Praxis in Bezug auf Kürzungen der UVG-Leistungen verschärft. Hier erhalten Sie Informationen und Praxisbeispiele dazu.

17.01.2023 Von: Gina Hutter
Obligatorische Unfallversicherung

Arbeitnehmende sind gemäss dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG) unabhängig von ihrem Alter und ihrem Einkommen obligatorisch gegen Berufs- und Arbeitswegunfälle versichert. Leisten Arbeitnehmende für einen Arbeitgeber ein durchschnittliches Arbeitspensum von mindestens acht Stunden pro Woche, erstreckt sich der Versicherungsschutz auch auf Nichtberufsunfälle.

Anspruch auf Taggeld und Heilkosten

Die obligatorische Unfallversicherung deckt den Erwerbsausfall von verunfallten Arbeitnehmenden. Der Anspruch auf ein Taggeld entsteht am dritten Tag nach dem Unfall (Art. 16 Abs. 2 UVG)  und deckt 80 Prozent des versicherten Verdiensts (Art. 17 Abs. 1 UVG). Als versicherter Verdienst gilt der letzte vor dem Unfall bezogene Lohn. Zudem umfasst der Versicherungsschutz des UVG auch die Heilbehandlung sowie weitere Kosten, die durch einen Unfall entstehen. Darunter fallen Pflegeleistungen und Kostenvergütungen im gesetzlichen Rahmen. Ebenfalls werden bis zu bestimmten Beträgen Transport- und Rettungskosten im Ausland vergütet.

Bemessung der UVG-Renten

Zum Zeitpunkt, zu welchem von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes mehr erwartet werden kann, entsteht ein Rentenanspruch. Im Invaliditätsfall sieht das UVG lebenslängliche Renten entsprechend dem Grad der Invalidität vor. Dies bereits ab einem Invaliditätsgrad von zehn Prozent. Für die Bemessung der UVG-Renten gilt der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bezogene Lohn, wobei die Renten der Teuerung angepasst werden. Die Normalrente basiert auf 80 Prozent des versicherten Verdienstes und dem Invaliditätsgrad. Wird gleichzeitig eine IV-Rente ausgerichtet, werden die UVG-Renten um jenen Betrag gekürzt, um den die UVG- und die IV-Rente zusammengerechnet 90 Prozent des versicherten Verdienstes überschreiten.

Obligatorische Unfallversicherung und Hinterlassenenrente im Todesfall

Bei einem durch einen Unfall oder eine Berufskrankheit verursachten Tod werden Leistungen an die Hinterlassenen ausgerichtet. Zu dieser Gruppe gehören neben Witwen und Witwern auch eingetragene Partner und Waisen. Die Hinterlassenenrenten an den ehelichen bzw. eingetragenen Partner betragen 40 Prozent des versicherten Verdienstes. Auch hier gilt der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bezogene Lohn. Waisen haben Anspruch auf eine Hinterlassenenrente von 15 Prozent, Vollwaisen auf 25 Prozent.

Die Hinterlassenenrenten dürfen insgesamt 70 Prozent des versicherten Verdienstes nicht übersteigen. Treffen UVG-Renten mit Leistungen der AHV zusammen, werden die UVG-Renten auf die Differenz zwischen den Leistungen der AHV und 90 Prozent des versicherten Verdienstes gekürzt (Art. 31 UVG). 

Das UVG kennt weitere Leistungen wie Hilfsmittel, Hilflosenentschädigungen und – bei einer teilweisen oder ganzen Einbusse der körperlichen oder geistigen Integrität – die Integritätsentschädigung. Letztere wird als einmalige Kapitalzahlung nach medizinisch-theoretischen Grundsätzen ausbezahlt.

AHV-Beiträge drücken auf Taggelder

UVG-Taggelder gehören im Unterschied zu Taggeldern der Invalidenversicherung (IVG) und der Militärversicherung (MVG) nicht zum AHV-pflichtigen Einkommen. Bei längerer Arbeitsunfähigkeit kann ein Bezüger von UVG-Taggeldern dadurch als Nichterwerbstätiger AHV-pflichtig werden, was das Ersatzeinkommen von 80 Prozent je nach Ersatzeinkommen und Vermögen erheblich reduzieren kann. Ähnliches gilt für Beitragszahlungen an die berufliche Vorsorge (BVG), welche reglementarisch keine Beitragsbefreiung vorsehen. Wie folgendes Beispiel zeigt, sind auf 80 Prozent des letzten Lohnes festgelegte Taggeldzahlungen problematisch, da ein solches Ersatzeinkommen durch Sozialversicherungsabzüge gemindert werden kann:

Praxisbeispiel: Arbeitsunfähigkeit
Der Jahreslohn von Roman Baumann beläuft sich auf 54‘000 Franken. Durch einen Berufsunfall wird der Schreiner zu 100 Prozent arbeitsunfähig. Sein Ersatzerwerbseinkommen reduziert sich monatlich um 20 Prozent, also von 4‘500 Franken auf 3‘600 Franken. Davon werden ihm die Beiträge an die berufliche Vorsorge abgezogen, später reduziert sich dieses Einkommen durch Beitragszahlungen an die AHV/IV/EO als Nichterwerbstätiger.

Hohe Löhne ungenügend versichert

Das UVG beschränkt sich bei den Geldleistungen auf einen Höchstbetrag des versicherten Verdienstes. Der Bundesrat hat bei der Festlegung des Höchstbetrags dafür zu sorgen, dass mindestens 92 Prozent, aber nicht mehr als 96 Prozent der versicherten Arbeitnehmenden zum vollen Verdienst versichert sind. Mitarbeitende mit Löhnen über dem Höchstbetrag von 148‘200 Franken sind durch das Obligatorium sowohl bei Taggeld- als auch bei Rentenleistungen ungenügend versichert. Das Gleiche gilt im unfallbedingten Todesfall für die Hinterlassenen. Wie folgendes Beispiel zeigt, empfiehlt sich bei hohen Löhnen ein Unfallversicherungsschutz für den Überschusslohn, um einen zusätzlichen Vorsorgeschutz bei Invalidität zu gewährleisten:

Praxisbeispiel: Vollinvalidität
Der Jahreslohn der Unternehmensberaterin Karin Koster beläuft sich auf 200‘000 Franken. Nach einem Fahrradunfall wird die Mutter, die mit ihren drei Kindern in einem Einfamilienhaus lebt, invalid. Die UVG-Versicherung deckt lediglich 80 Prozent des Höchstbetrags von 148‘200 Franken, also 118‘560 Franken. 80 Prozent des Jahreslohns von Karin Koster wären jedoch 160‘000 Franken. Zusammen mit den Leistungen der IV wird sie bei Eintritt einer Vollinvalidität aus der ersten Säule (IV) und vom UVG-Versicherer maximal 90 Prozent des Höchstbetrags von 148‘200 Franken erhalten, also 133‘380 Franken.

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