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Verweis: Wann ist eine Mahnung auszusprechen?

Durch die fehlende Regelung im OR treten bei einer Mahnung oder einem Verweis viele Rechtsunsicherheiten auf. Was es zu beachten gilt.

29.10.2021 Von: Harry F. Nötzli
Verweis

Allgemeine Regelung einer Mahnung

Die Mahnung, oftmals auch als Verwarnung, Verweis oder Abmahnung bezeichnet, ist im Obligationenrecht nicht explizit geregelt. Sie ist in der Praxis jedoch weitverbreitet und ihre Zulässigkeit steht ausser Frage. Der Arbeitgeber kann Vertragsverletzungen des Mitarbeitenden, das Nichtbefolgen von Anordnungen und Weisungen sowie Verstösse gegen Verhaltenspflichten durch eine Mahnung ahnden. Das wird er vor allem bei geringfügigeren Verstössen und dann tun, wenn er an der Weiterbeschäftigung des Mitarbeitenden interessiert ist. Da im privaten Arbeitsrecht Kündigungsfreiheit besteht (Art. 335 Abs. 1 OR), könnte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auch ordentlich kündigen, ohne dass er vorher eine Mahnung aussprechen muss.

Im Falle von fristlosen Kündigungen verlangen die Gerichte indes gerade bei geringfügigen Pflichtverletzungen das vorgängige Aussprechen einer Mahnung, bevor dem Mitarbeitenden bei neuerlichem pflichtwidrigem Verhalten fristlos gekündigt werden kann.

Mahnungen spielen aber nicht nur im Zusammenhang mit Kündigungen eine Rolle, sondern können auch im Zusammenhang mit Arbeitszeugnissen, Lohnerhöhungen, Beförderungen etc. bedeutsam sein.

Schriftliche Form empfiehlt sich

Da die Mahnung im Obligationenrecht nicht geregelt ist, ist sie auch nicht an eine besondere Form gebunden. Verweise können also auch mündlich ausgesprochen oder per Mail, SMS oder Fax versendet werden. Allerdings kann sich der Nachweis des Empfangs der Mahnung im Falle von Mailnachrichten oder SMS als schwierig erweisen. Deshalb empfiehlt es sich zwecks Vermeidung von Beweisschwierigkeiten, die Mahnung schriftlich festzuhalten und dem Mitarbeitenden entweder per Einschreiben zuzustellen oder ihn den Empfang der übergebenen Mahnung quittieren zu lassen. Durch das schriftliche Abfassen der Mahnung lassen sich überdies auch Dispute über deren Inhalt wenn nicht gänzlich vermeiden, so doch drastisch reduzieren. Eine Einverständniserklärung des Mitarbeitenden ist dagegen nicht notwendig, da es sich bei der Mahnung nicht um ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, sondern um eine einseitige Verhaltensanordnung des Arbeitgebers handelt. Ebenso wenig muss der Mitarbeitende vorgängig angehört werden, auch wenn sich eine solche Anhörung zwecks Erhöhung der Akzeptanz durchaus aufdrängen kann.

Erfüllung der Rüge- und der Warnfunktion

Eine korrekt abgefasste Mahnung besitzt stets eine Rüge- und eine Warnfunktion. Die Mahnung erfüllt die Rügefunktion dann, wenn der Arbeitgeber dem Mitarbeitenden die Mängel im Verhalten und/oder in der Leistung wenn möglich detailliert (und nicht lediglich summarisch) mitteilt und diese durch Verweis auf bestimmte Vorkommnisse auch belegen kann. Der Warnfunktion wird dann Genüge getan, wenn dem Mitarbeitenden unmissverständlich mitgeteilt wird, dass das gerügte Verhalten nicht mehr toleriert wird und er bei neuerlichem Fehlverhalten mit Konsequenzen rechnen muss. Dabei empfiehlt es sich, die möglichen Konsequenzen nicht auf die fristlose Kündigung zu beschränken, sondern eine offenere Formulierung zu wählen. Denkbar wäre etwa: «… für den Wiederholungsfall behalten wir uns weitere Massnahmen bis hin zur fristlosen Entlassung ausdrücklich vor.»

Keine Einschränkung der Kündigungsfreiheit

Durch das Aussprechen der Mahnung wird der Arbeitgeber in seiner Kündigungsfreiheit nicht eingeschränkt (Art. 335 Abs. 1 OR). An diesen Grundsatz ist auch deshalb zu erinnern, weil sich in Personalreglementen mitunter Bestimmungen finden, die bei Fehlverhalten des Mitarbeitenden eine erste, eine zweite und womöglich gar eine dritte Mahnung vorsehen, bevor der Mitarbeitende mit ernsthaften Konsequenzen rechnen muss. Solche Bestimmungen können je nach Formulierung als selbstgewählte Einschränkung der Kündigungsfreiheit interpretiert werden, weshalb genau überlegt sein will, ob sie überhaupt in ein Reglement aufgenommen werden sollen.

Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis also auch dann ordentlich kündigen, wenn sich der betroffene Mitarbeitende nach Erhalt der Mahnung wohl verhält, wobei allerdings die Gefahr einer allfälligen Missbräuchlichkeit der Kündigung im Auge zu behalten ist (Art. 336 OR). So ist es zumindest denkbar, dass das durch die Mahnung beim Mitarbeitenden geschaffene Vertrauen, im Falle eines einwandfreien Verhaltens nicht mit personalrechtlichen Massnahmen rechnen zu müssen, durch die Kündigung enttäuscht und diese als widersprüchliches Verhalten interpretiert wird.

Wann ist eine Kündigung gerechtfertigt?

Lässt sich der Mitarbeitende neuerliche Verfehlungen zuschulden kommen, darf der Arbeitgeber die angedrohten Konsequenzen grundsätzlich in die Tat umsetzen. Nicht verlangt wird, dass es sich bei den erneuten Pflichtverletzungen um solche gleicher Art oder gleicher Schwere handeln muss. Das Bundesgericht hat sodann entschieden, dass selbst dann, wenn in den Mahnungen zum Teil unberechtigte Vorwürfe erhoben werden, das nicht bedeute, dass die durch das pflichtwidrige Verhalten des Mitarbeitenden veranlasste Mahnung bedeutungslos geworden wäre (BGE 4A_101/2012 vom 31.5.2012).

Gerade im Falle von fristlosen Kündigungen muss sich der Arbeitgeber aber bewusst sein, dass nicht jedes geringfügige Fehlverhalten eine fristlose Kündigung rechtfertigt, selbst wenn zuvor eine Mahnung ausgesprochen worden ist. Das Gericht entscheidet unter Berücksichtigung aller Umstände, ob ein wichtiger Grund vorliegt, welcher die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht (Art. 337 Abs. 2 OR). Zu diesen Umständen gehört auch die Schwere der neuerlichen Verfehlung. Handelt es sich lediglich um eine leichte Pflichtverletzung, dürfte sich die fristlose Kündigung m.E. trotz vorgängiger Mahnung in vielen Fällen als ungerechtfertigt erweisen. Immerhin hat das Bundesverwaltungsgericht aber festgehalten, dass auch zeitlich zurückliegende, dem Arbeitgeber bekannte Verfehlungen zusammen mit einem für sich allein nicht ausreichenden neuen Vorfall eine fristlose Kündigung rechtfertigen können, soweit der Arbeitgeber auf die frühere Verfehlung mit einer Mahnung reagiert hat (BVGE, Urteil A-897/2012 vom 13.8.2012).

Beschränkte Wirkungsdauer

Mahnungen spielen nicht nur im Zusammenhang mit Kündigungen eine Rolle. Sie können auch negative Auswirkungen auf im Raume stehende Lohnerhöhungen, auf Beförderungen oder die Qualifikation im Arbeitszeugnis haben. Ein von einer Mahnung betroffener Mitarbeitender verfügt lediglich über sehr eingeschränkte Möglichkeiten, sich gegen eine erfolgte Mahnung zur Wehr zu setzen. Insbesondere hat er keine Möglichkeit, die Mahnung als solche bei einem Gericht anzufechten. Für den Mitarbeitenden ist es deshalb von Bedeutung, ob eine Mahnung unbeschränkte Wirkungsdauer hat oder ob sie mit fortschreitender Zeitdauer nach und nach verblasst. Das Gewerbliche Schiedsgericht Basel hat – m.E. zu Recht – Letzteres angenommen und festgehalten, dass eine Mahnung in der Regel nicht mehr als ein halbes Jahr alt sein sollte (JAR 2012 S. 435).

Solchen Faustregeln ist dennoch mit Vorsicht zu begegnen. Entscheidend müssen die Umstände des Einzelfalls bleiben. So macht es einen Unterschied, ob sich ein Mitarbeitender vor zwei Jahren eine geringfügige Pflichtverletzung zuschulden kommen liess und sich nun erneut nicht den Erwartungen entsprechend verhält oder ob der Mitarbeitende eben erst eine schwere Pflichtverletzung und nun bereits wiederum eine neue begangen hat. Wenn dennoch eine Faustregel aufgestellt werden soll, kann gelten: Je schwerer der gerügte Mängel und je jünger die Mahnung ist, desto eher darf auf diese abgestellt werden.

Personaldossier regelmässig überprüfen

Vom eidgenössischen Datenschutzbeauftragten wird eine regelmässige Überprüfung des Personaldossiers (alle zwei Jahre) empfohlen, wobei alle nicht mehr benötigten Daten vernichtet werden sollten. Auch die Mahnung gehört zu den Daten über den Mitarbeitenden (Art. 3 lit. a DSG). Die Mahnung und alle damit zusammenhängenden Unterlagen sind deshalb zu vernichten, sobald sie ihre Relevanz verloren haben (Art. 328b OR i.V.m. Art. 15 Abs. 1 DSG). Wann dies der Fall ist, bestimmt sich nach den konkreten Umständen im Einzelfall.

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